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Im Darm ist ganz schön was los: Rund 100 Billionen Mikroorganismen bewohnen unser Inneres. Sie ergeben das, was in der Medizin als Darmmikrobiom bezeichnet wird. Wie es sich genau zusammensetzt, ist von Mensch zu Mensch verschieden. Und unser Mikrobiom kann sich jeden Tag verändern, durch unsere Ernährung etwa.

Auch wenn neben Viren auch Pilze, Amöben und andere Einzeller im Darm nachweisbar sind, spielen Bakterien die größte Rolle, sagt Tobias Goris. Der Biochemiker forscht am Deutschen Institut für Ernährungsforschung Potsdam-Rehbrücke unter anderem zu menschlichen Darmbakterien.

Die Wissenschaft geht heute davon aus, dass es im Darm Bakterien gibt, die unserer Gesundheit schaden und andere, die ihr nützen. „Diese sind wichtig für unser Immunsystem“, sagt Goris. Außerdem spielen sie eine große Rolle bei der Verdauung. Es gibt zudem Bakterien, die entzündungshemmend wirken oder sich positiv auf den Stoffwechsel auswirken. Aber: „Das alles ist komplex und noch wenig erforscht“, sagt Tobias Goris.

Ballaststoffe sind gutes „Futter“ für den Darm

Einig sind sich Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler darin, dass unsere Ernährung etwas mit unserem Mikrobiom macht. Lebensmittel mit besonders hohem Ballaststoffgehalt etwa haben einen positiven Einfluss, wie Prof. Andreas Stallmach sagt. Er ist Mediziner und leitet an der Uniklinik in Jena die Klinik für Innere Medizin IV. Ballaststoffe finden sich in Vollkornprodukten, Nüssen und Hülsenfrüchten, aber auch in Obst und Gemüse.

Einen Tipp hat Stallmach für Kartoffeln: Lässt man sie nach dem Kochen für 24 Stunden abkühlen, verändert sich ihre Stärkestruktur. So wird sie besonders wertvoll für das Mikrobiom im Darm.

Auch fermentierte Lebensmittel wie Sauerkraut haben den Ruf, für den Darm besonders wertvoll zu sein. „Das liegt aber nicht nur an den Laktobazillen, die während des Fermentierens entstehen“, sagt Andreas Stallmach. Grund für den positiven Effekt sind auch hier die vielen Ballaststoffe.

Übrigens: Produkte, die als besonders probiotisch beworben werden, seien für die Darmgesundheit nicht notwendig, sagt Stallmach. Die seien vor allem für die Hersteller gut, die damit viel Geld verdienten.

Fasten kann positive Effekte auf den Darm haben

Doch nicht nur Essen, auch Fasten scheint einen positiven Einfluss auf unser Mikrobiom zu haben. Das sagt Sofia Forslund vom Max-Dellbrück-Centrum für Molekulare Medizin in der Helmholtz-Gemeinschaft. Sie forscht unter anderem zum Zusammenhang zwischen Darmmikrobiom und Herz-Kreislauf-Erkrankungen.

In einer Studie konnte sie mit anderen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern zeigen, dass sich eine fünftägige Fastenkur positiv auf das Darmmikrobiom auswirken kann. Der Nahrungsverzicht veränderte die Zusammensetzung des Ökosystems der Darmbakterien stark – vor allem die gesundheitsfördernden Bakterien vermehrten sich. Wer unter Krankheiten leidet oder gesundheitliche Einschränkungen hat und fasten möchte, sollte sich vorab bei seinem behandelnden Arzt oder der Ärztin erkundigen, ob das für ihn machbar ist und was er beachten sollte. Schwangere und Stillende sollten nicht fasten. Gleiches gilt für Kinder und Personen mit zu geringem Körpergewicht.

Negative Einflüsse aufs Darmmikrobiom vermindern

Einem negativen Einfluss auf das Mikrobiom haben dagegen wohl rotes Fleisch und Wurst. Deshalb sollte der Konsum bei 300 bis 500 Gramm pro Woche liegen, so Andreas Stallmach. Auch bei Alkohol gilt: nur in Maßen.

Tobias Goris sagt: „Weniger Vielfalt bei der Ernährung bedeutet, dass es mehr Nährboden für eher schädliche Bakterien gibt.“ Wer sich aber über eine kürzere Zeit – zum Beispiel im Urlaub – ungesund ernährt, müsse sich keine Sorgen machen. Unterschiede würden vor allem dann auffallen, wenn sich Menschen extrem ernähren: „Wenn ich 20 Jahre lang nur Fastfood esse, kann man sehen, dass das Mikrobiom im Darm weniger divers ist und einige Bakterien auch komplett verloren gehen.“

Nicht nur die Ernährung, auch die wiederholte Einnahme von Antibiotika verändern das Darmmikrobiom. Die Arzneimittel sollen Krankheitserreger im Körper zerstören. Allerdings fallen ihnen auch nützliche Bakterien im Darm zum Opfer. Stallmach kritisiert den Umgang mit Antibiotika in Deutschland: „Es werden immer noch zu viel und zu unkritisch Antibiotika verschrieben.“ Doch es gibt auch Situationen, in denen die Arzneimittel dringend notwendig, gar lebensrettend sein können. Falls Sie Zweifel haben, ob wirklich ein Antibotikum notwendig ist, sprechen Sie mit Ihrem behandelnden Arzt oder der Ärztin darüber. Nehmen Sie ein vom Arzt verschriebenes Mittel genau wie verordnet ein – und auch so lange.

Die negativen Auswirkungen auf das Mikrobiom halten sich zum Glück auch in Grenzen, hat Sofia Forslund vom Max-Dellbrück-Centrum in ihren Untersuchungen festgestellt. Nach der Gabe eines Antibiotikums war in der Regel spätestens nach sechs Monaten alles wieder wie vorher. In einigen Fällen sei aber auch nach dieser Zeit die Vielfalt der Darmbakterien nicht mehr so groß gewesen wie vor der Einnahme. Insbesondere bei mehrfacher und auch längerer Antibiotika-Gabe kann sich das Mikrobiom langfristig verändern. Es gibt allerdings Maßnahmen, mit denen man etwas gegensteuern kann. Sollten Sie also immer wieder oder über längere Zeit hinweg Antibiotika benötigen, sprechen Sie mit ihrem Arzt oder der Ärztin darüber, wie Sie ihrer Darmflora Gutes tun können.

Krankheiten als Folgen eines gestörten Mikrobioms?

Die Folge einer langanhaltend schlechten Ernährung oder auch der Einnahme von Antibiotika kann eine sogenannte Dysbiose sein. Das bedeutet, dass die Besiedlung des Darms mit nützlichen Bakterien gestört ist.

Forscherinnen und Forscher vermuten bei vielen Erkrankungen einen Einfluss des Darmmikrobioms. Oft sei aber der Zusammenhang noch nicht zweifelsfrei nachgewiesen, sagt Andreas Stallmach. Studien hätten aber bereits gezeigt, dass eine Dysbiose ein Risikofaktor sei für die Entstehung von Dickdarmkrebs oder chronisch entzündlicher Darmerkrankungen wie Morbus Crohn.

„Wir sehen außerdem einen Zusammenhang zwischen einer wenig diversen Darmmikrobiota und Übergewicht. Das gilt auch für die damit assoziierten Erkrankungen wie das metabolische Syndrom oder Diabetes.“ Aber hier könne man noch nicht sagen, ob es eine direkte Auswirkung ist – oder ob beides oft zusammen auftritt.