Wann sind Antibiotika bei Kindern nötig?
Bei kaum einer anderen Arznei gehen Elternmeinungen so auseinander: Die einen würden ihrem Kind am liebsten bei jedem fiebrigen Infekt ein Antibiotikum geben, die anderen stehen den antibakteriellen Medikamenten äußerst skeptisch gegenüber. Sie fürchten, dass Antibiotika die Darmflora schädigen oder Bakterien resistent werden.
Fördern Antibiotika Resistenzen?
Ganz abwegig ist die Sorge vor Resistenzen nicht. "Wenn Bakterien gegen ein Antibiotikum resistent sind, wirkt das Medikament nicht mehr", erklärt Kinder- und Jugendarzt Dr. med. Michael Mühlschlegel aus Lauffen. Heißt: Die Bakterien sind mit der Zeit unempfindlich gegen das Mittel geworden.
"Die Keime produzieren zum Beispiel bestimmte Eiweiße, die die Wirkstoffe zerstören", erklärt Apothekerin Dr. Katja Renner aus Wassenberg. Das passiert etwa, wenn Antibiotika besonders oft oder nicht vorschriftsmäßig eingenommen werden. "Im schlimmsten Fall wird dann ein eigentlich banaler Infekt zu einer lebensbedrohlichen Krankheit, weil man ihn nicht mehr behandeln kann", sagt Mühlschlegel.
Schädigen sie die Darmflora?
Weniger problematisch als die Resistenzen sieht der Pädiater die Sache mit der Darmflora. Es stimmt: Die Mittel zerstören manchmal auch die natürlichen Bakterien im Darm. Dadurch könne es zwar mal zu Durchfällen kommen, "in der Regel passiert das aber nicht", sagt Mediziner Michael Mühlschlegel.
Wenn doch, empfiehlt der Kinderarzt die gleichen Maßnahmen wie bei einer Magen-Darm-Grippe: viel trinken, um die Flüssigkeit wieder zu ersetzen, und leichte Kost. Manchmal verschreiben Kinderärzte dann auch sogenannte probiotische Mittel wie etwa Laktobazillen oder ein bestimmtes Hefebakterium. Sie sollen dabei helfen, die Darmflora wieder aufzubauen.
Bei welchen Krankheiten sind Antibiotika wichtig?
Als Alexander Fleming 1928 das Penicillin entdeckte, brach in der Medizin ein neues Zeitalter an. Endlich konnte man bakterielle Infektionen behandeln, Patienten überlebten Blutvergiftungen und Lungenentzündungen viel häufiger als zuvor. "Ohne Antibiotika hätten viele Erkrankungen auch heute noch einen tragischen Ausgang", ist Renner überzeugt.
Eine Streptokokken-Infektion zum Beispiel: Unbehandelt kann sie eine lebensbedrohliche Herzmuskelentzündung zur Folge haben. Schwere Harnwegsinfekte gehen ohne eine antibakterielle Therapie nicht selten in eine schmerzhaften Nierenbeckenentzündung über. "Wenn das Immunsystem nicht allein mit den Bakterien klarkommt, ist es wichtig, den Körper mit einem Antibiotikum zu unterstützen", so die Apothekerin.
Was sollte man bei der Anwendung beachten?
"Antibiotika sind ein Segen", sagt Mühlschlegel, "wenn man sie richtig anwendet." Das fange schon bei der Verschreibung an. "Ärzte sollten sie nur verordnen, wenn sie wirklich nötig sind", sagt er. Bei Kindern werden die Mehrzahl aller Infekte durch Viren verursacht. Gegen sie können Antibiotika nichts ausrichten. Um herauszufinden, welcher Erreger hinter den Beschwerden steckt, können Ärzte per Schnelltest einen besonderen Blutwert bestimmen, das C-reaktive Protein (CRP). "Der Test gibt zusammen mit einem Blutbild einen ersten Hinweis darauf, ob der Infekt eher bakterieller oder viraler Natur ist", sagt Mühlschlegel. Auch anhand der Beschwerden kann der Arzt eine Einschätzung treffen: Hat ein Kind etwa Schmerzen beim Wasserlassen oder steigt die Temperatur trotz Fieberzäpfchen nach kurzer Zeit immer wieder an, deutet dies auf eine bakterielle Infektion hin.
Zudem ist entscheidend, dass Eltern Antibiotika ordnungsgemäß anwenden. Kinder bekommen meist Trockensäfte, ein Pulver, das vor der ersten Gabe einmalig mit Wasser aufgegossen werden muss. "Wer sich bei der Herstellung des Saftes unsicher ist, kann auch den Apotheker darum bitten", sagt Renner. Der Saft sollte vor jeder Gabe geschüttelt und mit dem dazugehörigen Dosierlöffel verabreicht werden. "Wichtig ist, das Antibiotikum gemäß ärztlicher Dosierung zu nehmen", sagt Renner. Wer zu niedrig dosiert oder zu kurz, gefährdet den Therapieerfolg und begünstigt Resistenzen.