Logo der Apotheken Umschau

Heilsversprechen zur Stuhltransplantation gibt es viele, vor allem im Internet. Zum Beispiel: Sie beseitigt chronische Darmentzündungen. Das entspricht so leider nicht der Wahrheit. Bei welchen Erkrankungen die Methode helfen könnte, wird aktuell intensiv erforscht. Bei zwei Darmleiden gibt es in der Tat gute Erfolge: bei wiederkehrenden Clostridioides-difficile-Infektionen (CDI) und bei Colitis ulcerosa, einer chronischen Entzündung des Dickdarms.

Übertragung von Darmbewohnern

Aber was ist eigentlich eine Stuhltransplantation, auch fäkaler Mikrobiomtransfer (FMT) genannt? Der gefilterte Stuhl von gesunden Spenderinnen oder Spendern – und damit deren Darmbewohner (Bakterien, Viren, Pilze) – wird in den Darm der Patientin oder des Patienten übertragen. Etwa bei den erwähnten Clostridioides-difficile-Infektionen. Sterben natürliche Darmbakterien etwa durch eine Antibiotika-Therapie ab, kann sich das Bakterium Clostridioides difficile (CD) breitmachen.

Die Folge: eine potenziell lebensgefährliche Darmentzündung mit wässrigem Durchfall, Fieber und Bauchschmerzen. Klingt paradox: Behandelt wird diese mit den wenigen Antibiotika, die gegen CD wirken. Doch etwa jede und jeder fünfte Betroffene erleidet einen Rückfall, oft mehrfach. Dann ist FMT eine Option.

Stuhltransplantation: Aufbereiteter Stuhl von Gesunden wird als Suspension mit dem gleichen Gerät wie bei einer Darmspiegelung eingespritzt. Oder: 30 Kapseln über zwei Tage schlucken.

Stuhltransplantation: Aufbereiteter Stuhl von Gesunden wird als Suspension mit dem gleichen Gerät wie bei einer Darmspiegelung eingespritzt. Oder: 30 Kapseln über zwei Tage schlucken.

Hohe Erfolgsrate

Übertragen wird der filtrierte Stuhl zum Beispiel mit dem Gerät, das auch bei einer Darmspiegelung verwendet wird (Koloskop), oder durch das Schlucken von Kapseln. „Betroffene bekommen zuerst Antibiotika, bis der Darm wieder zur Ruhe kommt. Im Anschluss schlucken sie die Kapseln.

Da im Darm dann bakterienmäßig nicht viel los ist, können sich die Bakterien des gesunden Spenders in den freien Nischen des Darms ansiedeln“, sagt Professorin Maria Vehreschild, Leiterin des Schwerpunktes Infektiologie an der Medizinischen Klinik II des Universitätsklinikums Frankfurt am Main. Die Darmflora baut sich neu auf. Was unappetitlich klingt, funktioniert: Die Erfolgsrate beträgt nach einer Stuhltransplantation 80 bis 90 Prozent.

FMT ist keine Kassenleistung

• Ärzte können einen begründeten Antrag zur Übernahme der Kosten bei der Kasse stellen (vor allem bei CD-Infektionen)

• Möglich: FMT im Rahmen von Behandlungsstudien, wenn man die Studienbedingungen erfüllt (zum Beispiel bei Colitis ulcerosa)

• Bei anderen Krankheiten: privat zahlen. Auf unseriöse Heilsversprechen achten!

Kaum Nebenwirkungen nachgewiesen

Auch bei der Colitis ulcerosa ist das Mikrobiom verändert. „Bestimmte Risikogene bei den Patienten erhöhen die Anfälligkeit dafür, dass Bakterien Entzündungen im Darm auslösen und in Gang halten können“, sagt Professor Andreas Stallmach, Direktor der Klinik für Innere Medizin IV der Uniklinik Jena. Studien zeigen, dass der FMT bei Betroffenen mit akutem Schub ähnlich gut wirkt wie moderne Medikamente – und weniger Nebenwirkungen hat. „Die Evidenz ist schon gut“, sagt Stallmach, dessen Arbeitsgruppe derzeit eine Behandlungsstudie mit FMT bei Colitis-ulcerosa-Patientinnen und -Patienten durchführt.

Auch wenn der FMT relativ nebenwirkungsarm ist, ist fraglich, ob er je den Stellenwert einer medikamentösen Therapie bekommt. Das größte Nadelöhr: das Suchen und Finden von Spenderinnen und Spendern. „Das ist irre aufwendig und kostenintensiv“, sagt Vehreschild. Eine gesunde Person muss umfangreiche Auflagen erfüllen, um spenden zu können. Das dient unter anderem dazu, Infektionen auszuschließen. Stallmach: „Für unsere Studie bei Colitis ulcerosa haben wir 300 junge Interessenten geprüft. Am Ende kamen lediglich fünf davon infrage.“

Keine langanhaltende Wirkung

Hinzu kommt: Colitis ulcerosa ist eine chronische Erkrankung. „Wenn die Stuhltransplantation hilft, dann heißt das nicht, dass die Wirkung für immer bleibt“, sagt Vehreschild. So sieht es auch Stallmach: „Bei der Colitis ulcerosa ist häufig eine Behandlung über viele Jahre nötig. Die Stuhltransplantation mit Kapseln ist hier die einzig sinnvolle Strategie.“ Letztendlich ist der FMT laut Stallmach eine Übergangslösung. Forscherinnen und Forscher versuchen derzeit herauszufinden, was genau im fäkalen Mikrobiom die positiven Effekte vermittelt. Wenn das geklärt ist, könnte ein künstlicher Stuhl hergestellt und verabreicht werden.

Toilettenpapier Rolle

Stuhlgang: Was die Ausscheidungen verraten

Der Stuhl (auch Kot, medizinisch: Fäzes) ist das Ausscheidungsprodukt des Verdauungstraktes. Seine Beschaffenheit, die Farbe und auch der Geruch können auf Krankheiten hinweisen zum Artikel

Stuhlproben

Stuhluntersuchungen: Zur Magen-Darm-Diagnostik

„Wir lassen mal den Stuhl untersuchen“, sagt der Arzt, wenn schon länger unklare Beschwerden bestehen wie Bauchkrämpfe, Erbrechen, Durchfall oder Verstopfung. Doch was ist damit gemeint? zum Artikel

18938237_13d8cbaa76.IRWUBPROD_5SG2.jpeg

Sanierungsbedarf?

Spülungen sollen giftige Schlacken aus dem Darm entfernen. Belege für einen Nutzen der sogenannten Colon-Hydro-Therapie gibt es nicht zum Artikel


Quellen:

  • Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte: Fäkale Mikrobiota-Transplantation (FMT, Stuhltransplantation): Risiko für die Übertragung von multiresistenten Erregern. Online: https://www.bfarm.de/... (Abgerufen am 30.01.2023)
  • Borody TJ et al. : Fecal microbiota transplantation for treatment of Clostridioides difficile infection. UpToDate: www.uptodate.com (Abgerufen am 12.01.2023)
  • Cohen RD et al. : Management of moderate to severe ulcerative colitis in adults. UpToDate: www.uptodate.com (Abgerufen am 12.01.2023)
  • Baum Dahl SM et al. : Faecal microbiota transplantation for first or second Clostridioides difficile infection (EarlyFMT): a randomised, double-blind, placebo-controlled trial. The Lancet Gastroenterology and Hepatology: https://doi.org/... (Abgerufen am 30.01.2023)