Stuhltransplantation: Für wen sinnvoll?
Heilsversprechen zur Stuhltransplantation gibt es viele, vor allem im Internet. Zum Beispiel: Sie beseitigt chronische Darmentzündungen. Das entspricht so leider nicht der Wahrheit. Bei welchen Erkrankungen die Methode helfen könnte, wird aktuell intensiv erforscht. Bei zwei Darmleiden gibt es in der Tat gute Erfolge: bei wiederkehrenden Clostridioides-difficile-Infektionen (CDI) und bei Colitis ulcerosa, einer chronischen Entzündung des Dickdarms.
Übertragung von Darmbewohnern
Aber was ist eigentlich eine Stuhltransplantation, auch fäkaler Mikrobiomtransfer (FMT) genannt? Der gefilterte Stuhl von gesunden Spenderinnen oder Spendern – und damit deren Darmbewohner (Bakterien, Viren, Pilze) – wird in den Darm der Patientin oder des Patienten übertragen. Etwa bei den erwähnten Clostridioides-difficile-Infektionen. Sterben natürliche Darmbakterien etwa durch eine Antibiotika-Therapie ab, kann sich das Bakterium Clostridioides difficile (CD) breitmachen.
Die Folge: eine potenziell lebensgefährliche Darmentzündung mit wässrigem Durchfall, Fieber und Bauchschmerzen. Klingt paradox: Behandelt wird diese mit den wenigen Antibiotika, die gegen CD wirken. Doch etwa jede und jeder fünfte Betroffene erleidet einen Rückfall, oft mehrfach. Dann ist FMT eine Option.
Hohe Erfolgsrate
Übertragen wird der filtrierte Stuhl zum Beispiel mit dem Gerät, das auch bei einer Darmspiegelung verwendet wird (Koloskop), oder durch das Schlucken von Kapseln. „Betroffene bekommen zuerst Antibiotika, bis der Darm wieder zur Ruhe kommt. Im Anschluss schlucken sie die Kapseln.
Da im Darm dann bakterienmäßig nicht viel los ist, können sich die Bakterien des gesunden Spenders in den freien Nischen des Darms ansiedeln“, sagt Professorin Maria Vehreschild, Leiterin des Schwerpunktes Infektiologie an der Medizinischen Klinik II des Universitätsklinikums Frankfurt am Main. Die Darmflora baut sich neu auf. Was unappetitlich klingt, funktioniert: Die Erfolgsrate beträgt nach einer Stuhltransplantation 80 bis 90 Prozent.
Kaum Nebenwirkungen nachgewiesen
Auch bei der Colitis ulcerosa ist das Mikrobiom verändert. „Bestimmte Risikogene bei den Patienten erhöhen die Anfälligkeit dafür, dass Bakterien Entzündungen im Darm auslösen und in Gang halten können“, sagt Professor Andreas Stallmach, Direktor der Klinik für Innere Medizin IV der Uniklinik Jena. Studien zeigen, dass der FMT bei Betroffenen mit akutem Schub ähnlich gut wirkt wie moderne Medikamente – und weniger Nebenwirkungen hat. „Die Evidenz ist schon gut“, sagt Stallmach, dessen Arbeitsgruppe derzeit eine Behandlungsstudie mit FMT bei Colitis-ulcerosa-Patientinnen und -Patienten durchführt.
Auch wenn der FMT relativ nebenwirkungsarm ist, ist fraglich, ob er je den Stellenwert einer medikamentösen Therapie bekommt. Das größte Nadelöhr: das Suchen und Finden von Spenderinnen und Spendern. „Das ist irre aufwendig und kostenintensiv“, sagt Vehreschild. Eine gesunde Person muss umfangreiche Auflagen erfüllen, um spenden zu können. Das dient unter anderem dazu, Infektionen auszuschließen. Stallmach: „Für unsere Studie bei Colitis ulcerosa haben wir 300 junge Interessenten geprüft. Am Ende kamen lediglich fünf davon infrage.“
Keine langanhaltende Wirkung
Hinzu kommt: Colitis ulcerosa ist eine chronische Erkrankung. „Wenn die Stuhltransplantation hilft, dann heißt das nicht, dass die Wirkung für immer bleibt“, sagt Vehreschild. So sieht es auch Stallmach: „Bei der Colitis ulcerosa ist häufig eine Behandlung über viele Jahre nötig. Die Stuhltransplantation mit Kapseln ist hier die einzig sinnvolle Strategie.“ Letztendlich ist der FMT laut Stallmach eine Übergangslösung. Forscherinnen und Forscher versuchen derzeit herauszufinden, was genau im fäkalen Mikrobiom die positiven Effekte vermittelt. Wenn das geklärt ist, könnte ein künstlicher Stuhl hergestellt und verabreicht werden.
Quellen:
- Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte: Fäkale Mikrobiota-Transplantation (FMT, Stuhltransplantation): Risiko für die Übertragung von multiresistenten Erregern. Online: https://www.bfarm.de/... (Abgerufen am 30.01.2023)
- Borody TJ et al. : Fecal microbiota transplantation for treatment of Clostridioides difficile infection. UpToDate: www.uptodate.com (Abgerufen am 12.01.2023)
- Cohen RD et al. : Management of moderate to severe ulcerative colitis in adults. UpToDate: www.uptodate.com (Abgerufen am 12.01.2023)
- Baum Dahl SM et al. : Faecal microbiota transplantation for first or second Clostridioides difficile infection (EarlyFMT): a randomised, double-blind, placebo-controlled trial. The Lancet Gastroenterology and Hepatology: https://doi.org/... (Abgerufen am 30.01.2023)