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Mikrobiom-Was ist das überhaupt?

Sie wohnen in unserem Darm und sind doch Fremde: Tausende von Millionen von Mikroben, das sogenannte Mikrobiom, auch Darmflora genannt. Es besteht aus Pilzen, Hefen, Viren und Bakterien. Sein Gewicht wird auf bis zu drei Kilo geschätzt. Tag und Nacht tragen wir es mit uns herum. Das Mikrobiom jedes Menschen ist wie ein Fingerabdruck einzigartig, kann sich aber ändern. Medikamente wie Antibiotika beeinflussen es. Welche Faktoren es noch verändern, wird erforscht.

Die winzigen Organismen helfen nicht nur bei der Verdauung, sie stehen auch über Botenstoffe mit dem Körper in Kontakt. Ob und wie das Mikro­biom mit Krankheiten zusammenhängt, sie auslöst oder vor ihnen schützt — damit beschäftigt sich die Wissenschaft. Viele Hinweise gibt es für einen Zusammenhang zwischen Diabetes und den Untermietern im Darm. „Es kristallisiert sich immer mehr heraus, dass es eine direkte Verbindung zwischen dem Mikrobiom und Typ-2-Diabetes gibt“, sagt Dirk Haller, Professor für Ernährung und Immunologie an der Technischen Universität München.

Wie groß ist der Einfluss auf den Diabetes?

Fest steht: Das Mikrobiom im Darm spielt eine Rolle dabei, wie wir unsere Nahrung verwerten und wie viel Energie aus dem Essen gewonnen wird. Das hat Einfluss auf unser Körpergewicht. Und Übergewicht zählt zu den Hauptrisikofaktoren für Typ-2-­Diabetes. Wichtig scheint auch zu sein, welche Bakterien im Darm vorherrschen. So zeigt eine Studie aus den USA, dass Menschen mit mehr sogenannten Coprococcus-Bakterien besser auf Insulin reagieren als jene, bei denen viele Flavonifractor-Bakterien im Darm leben.

Typisch für Typ-2-Diabetes: Der Körper reagiert nicht mehr so gut auf Insulin. Noch ist aber unklar, ob alle Menschen mit vielen Flavonifractor-Bakterien Diabetes entwickeln. Auch können bei allen Menschen bei der Anzahl der Darmbakterien tageszeitliche Schwankungen auftreten, das zeigt eine Studie von Professor Haller. Auffällig oft ist dieser Rhythmus bei Menschen mit Typ-2-Diabetes verändert. Auch bei Typ-1-Diabetes steht das Mikrobiom in Verdacht, etwas mit der Krankheit zu tun zu haben oder sie sogar auslösen zu können. Besonders das Darmbakterium Parabacteroides distasonis könnte die Autoimmunreaktion gegen die insulinbildenden Betazellen mit auslösen.

Was bringt eine Mikrobiomanalyse?

Es wäre schön, wenn all diese Erkenntnisse dazu führten, dass die Entstehung von Diabetes verhindert oder der Krankheitsverlauf positiv beeinflusst werden kann. Doch Dirk Haller bremst: „Wir würden uns alle wünschen, in Bezug auf das jeweils individuelle Mikrobiom verlässlichere Vorhersagen machen zu können — inwiefern es etwa einen Typ-2-Diabetes beeinflusst —, aber so weit ist die Wissenschaft leider noch nicht.“

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Doch wäre es nicht trotzdem hilfreich, wenn man die Zusammensetzung des eigenen Mikrobioms kennen würde? Darauf setzen Anbieter von sogenannten Mikro­biomanalysen. Dabei stellt man eine oder mehrere Stuhlproben zur Verfügung, bei denen dann die Menge bestimmter „guter“ oder „schlechter“ Bakterien ermittelt wird. Manchmal erhält man auch eine Aufstellung der Verteilung der einzelnen Bakterienarten. Wirklich nützliche Erkenntnisse lassen sich laut Haller daraus bislang aber noch nicht gewinnen: „Die Ergebnisse solcher Analysen kann man noch nicht individuell bewerten. Wir wissen noch zu wenig darüber, welche Verteilung an Bakterienstämmen für wen gesund ist.“

Was kann man für seine Darmflora tun?

Je vielfältiger das Mikrobiom, umso besser, das zeigen Studien. Wichtig für unseren Darm sind eine vielseitige Ernährung und Bewegung. Worauf es beim Essen ankommt? „Hochverarbeitete Lebensmittel wie weißes Toastbrot, Wurst oder Kartoffelchips meiden, denn diese sind ungesund und haben kaum Ballaststoffe, die für ein gesundes Mikrobiom aber enorm wichtig sind“, sagt Haller. Besser: Gemüse, Obst, Vollkornprodukte.

Und Joghurt? Als Probiotikum ist er voll von sogenannten Milchsäurebakterien. „Die darin ­enthaltenen Organismen kommen auch im normalen Darm-Mikrobiom nur in kleiner Zahl vor, daher sollte die Wirkung von Joghurt nicht überbewertet werden. Aber regelmäßig ­Joghurt zu essen, ist sicher nicht verkehrt“, sagt Haller.

Schlecht für die Darmflora: Zucker. Davon enthalten industriell gefertigte Lebensmittel und Softdrinks besonders viel. Vor Zuckerersatzstoffen wie Süßstoff warnt Peter Schwarz, Professor für Prävention und Versorgung des Diabetes in Dresden: „Zuckerersatzstoffe bewirken eine drastische Veränderung des Mikrobioms schon nach kurzer Zeit.“ Ungünstige Bakterien würden sich ausbreiten und nützlichere Stämme verdrängen.

Selbst etwas für das Mikrobiom zu tun und es vielfältiger zu machen, erfordert Geduld: „Es kann Wochen und Monate dauern, um auch nur kleinere positive Veränderungen herbeizuführen. Und wenn der Ernährungswandel nicht nachhaltig ist, dann wird meist auch das Mikrobiom nicht nachhaltig anders“, sagt Schwarz.

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Quellen:

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