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Frau Professorin Prelog, die Rede vom „Männerschnupfen“ lässt vermuten, dass Männer stärker unter einer Erkältung oder einer Grippe leiden. Was ist da dran?

Zum einen es hängt es mit einer unterschiedlichen Bewertung zusammen. Männer bewerten es subjektiv anders als Frauen, wenn sie etwa eine Erkältung oder eine Grippe haben, und bringen die Beschwerden oftmals stärker zum Ausdruck. Zudem wird es wohl von der Gesellschaft weniger akzeptiert, wenn sozusagen ein „gestandener“ Mann an einer Infektionskrankheit leidet. Zum anderen gibt es aber auch eine ganz objektive Grundlage. Männer werden leichter krank. Und sie sind tatsächlich oft mit der gleichen Infektionskrankheit schwerer krank als Frauen.

Das müssen Sie erklären.

Männer sind häufiger von Infektionskrankheiten betroffen als Frauen. Sie erkranken öfter als Frauen an Viruserkrankungen, bakteriellen Erkrankungen und Pilzerkrankungen. Und diese verlaufen bei Männern im Schnitt schwerer. Bei COVID-19 etwa landen Männer 1,7 mal häufiger auf der Intensivstation und ihre Sterblichkeit ist 1,3 mal höher als bei Frauen. Auch Hepatitis B und C-Infektionen verlaufen bei Männern schwerer.

Haben Männer also ein schlechteres Immunsystem als Frauen?

Es tickt anders. Zumindest bis zur Menopause haben Frauen ein deutlich besseres Immunsystem als Männer. Es arbeitet besser und es reagiert gegenüber Infektionserregern auch aggressiver, als wir es bei Männern beobachten. Auf der anderen Seite kommt es durch diese stärkeren Reaktionen bei Frauen häufiger als bei Männern zu überschießenden Immunreaktionen. Die Folge können Autoimmunerkrankungen und chronische Entzündungserkrankungen wie rheumatoide Arthritis sein, bei denen sich das Immunsystem gegen den eigenen Körper wendet.

Prof. Martina Prelog, Fach-Immunologin und Fachärztin für Kinder- und Jugendmedizin an der Uniklinik Würzburg

Prof. Martina Prelog, Fach-Immunologin und Fachärztin für Kinder- und Jugendmedizin an der Uniklinik Würzburg

Zeigen sich die Unterschiede auch bei Impfungen?

Hierzu gibt es leider relativ wenig Forschung. Was man aber bei Frauen im gebärfähigen Alter gesehen hat: Sie zeigen teilweise deutlich bessere Impfantworten, vor allem mehr Antikörper gegen Erreger. Hier ist wiederum doe Kehrseite, dass Frauen durch das stärker reagierende Immunsystem oftmals mehr Nebenwirkungen im Zusammenhang mit der Impfung haben als Männer.

Was sind die Gründe für die Unterschiede bei den Immunreaktionen?

Das hat zunächst einmal eine genetische Ursache. Männer haben ein X- und ein Y-Chromosom. Frauen hingegen verfügen über zwei X-Chromosome. Früher dachte man, dass das zweite X-Chromosom bei Frauen nicht aktiv ist. Heute weiß man: Bei vielen Frauen ist auch das zweite X-Chromosom zumindest teilweise aktiv. Und das macht den Unterschied. Denn auf dem X-Chromosom befinden sich viele Gene für Faktoren, die für das Immunsystem wichtig sind, etwa für das Erkennen von Viren. Die Beteiligung des zweiten X-Chromosoms erklärt die bessere Immunantwort und die besseren Abwehrmechanismen von Frauen.

Welchen Einfluss haben die Hormone?

Bei Frauen spielen die Östrogene eine wichtige Rolle. Sie führen zu einer besseren und stärkeren Immunantwort, indem sie etwa für mehr Antikörper sorgen und Entzündungsfaktoren und bestimmte Entzündungsbotenstoffe stimulieren. Entzündungsfaktoren brauchen wir für die Immunantwort, etwa um Fieber entwickeln zu können. Das männliche Sexualhormon Testosteron hingegen hemmt eher die Immunantwort. Es schränkt etwa die Funktion von Natürlichen Killerzellen ein – spezielle Abwehrzellen im Kampf gegen beispielsweise Viruserkrankungen. Der evolutionäre Hintergrund ist wohl der, dass Frauen durch Östrogene im gebärfähigen Alter so gestärkt werden, dass sie mit Schwangerschaften zurechtkommen und insgesamt gesund bleiben. Die Auswirkungen von zyklusbedingten Schwankungen und Hormonpräparaten auf die Immunantwort sind derzeit Gegenstand der Forschung.

Und wie sieht es bei Frauen ab der Menopause aus?

Ab der Menopause haben Frauen wesentlich niedrigere Hormonspiegel. Ab dieser Phase, im Alter von etwa 50 Jahren, nehmen Erkrankungen bei Frauen zu. Ihr Abwehrsystem funktioniert nicht mehr so gut. Ihr Körper kann sich nicht mehr so gut gegen Infektionskrankheiten wehren.

Könnte es auch am Lebensstil liegen, dass Männer ein schlechteres Immunsystem haben?

Ja, das ist ein ganz wesentlicher Faktor. Männer sind oft weniger gesundheitsbewusst als Frauen. Sie ernähren sich im Schnitt schlechter als Frauen, neigen mehr zu Alkohol und Rauchen. Es gibt sehr gute Studien, die klar zeigen: Rauchen beziehungsweise Nikotin schwächen das Immunsystem massiv. Abwehrzellen werden dadurch stark gehemmt. Alkohol wiederum setzt der Leber zu, die für Stoffwechselvorgänge wichtig ist. Das führt ebenfalls zu einer Schwächung des Immunsystems. Und dadurch haben Männer letztlich eine höhere Empfindlichkeit für Infektionen. Man darf aber auch nicht vergessen, dass Männer in typischen Männerberufen viel stärker bestimmten Umweltstoffen wie Feinstaubbelastung ausgesetzt sind. Sie können das Immunsystem schwächen.