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Herr Professor Rumpf, bis zu zwei kleine Gläser Bier täglich galten laut der Deutschen Hauptstelle für Suchtfragen (DHS) bisher als risikoarmer Alkoholkonsum. Nun haben die DHS und Sie als verantwortlicher Autor eine neue Empfehlung herausgegeben. Wie lautet sie?

Nach den neuesten Studien muss man sagen: Wer seine Gesundheit schützen möchte, sollte gar keinen Alkohol konsumieren.

Ein ziemlicher Umschwung...

Ich glaube, er ist deswegen so riesig, weil er in die Gewohnheiten von Menschen eingreift. Bislang hatten wir risikoarme Grenzmengen. Das hieß im Durchschnitt: ein kleines Getränk am Tag für Frauen, zwei für Männer. Jetzt müssen wir aber von neuen Befunden ausgehen. Die besagen, dass es zwischen Alkohol und vielen Erkrankungen einen linearen Zusammenhang gibt. Das heißt: Je mehr Alkohol getrunken wird, desto höher ist die Gefahr für bestimmte Erkrankungen wie zum Beispiel Bluthochdruck oder auch Brustkrebs. Das gilt auch schon bei kleinen Mengen.

Dass Alkoholkonsum verschiedene Krankheiten begünstigt, ist keine wirklich neue Erkenntnis.

Ja, aber wenn wir zurückschauen, gab es früher viel höhere Trinkmengen-Empfehlungen. Sie sind kontinuierlich gesunken. Das liegt daran, dass die Datenlage immer besser wird. Wir haben jetzt größere Untersuchungen und haben gesehen, dass es in der Vergangenheit auch einige Fehler bei Studien gab.

Ein Hauptfehler war: Man hat früher aufgrund der damaligen Datenlage gedacht, dass Menschen, die wenig Alkohol konsumieren, gesünder sind als Menschen, die gar keinen Alkohol trinken.

Wie kam es zu dieser Fehlannahme?

In der vermeintlich ungesünderen Gruppe der Nicht-Trinker hatten sich andere Gesundheitsrisiken verborgen: Zum Beispiel waren darin Personen eingeschlossen, die früher einmal alkoholabhängig oder drogenabhängig gewesen waren.

Hierzulande gibt es viele Wein- und Bierfeste, die Tradition des Feierabendbiers und der Stammtische. Wie vermittelt man den Deutschen, dass sie keinen Alkohol mehr trinken sollen?

Ich glaube, es braucht keine Verbotskultur. Besser appelliert man an die Bevölkerung, etwas für die eigene Gesundheit zu tun. Keinen Alkohol zu trinken, kann in manchen Situationen noch immer durchaus schwierig sein. Die Empfehlung reiht sich aber ein in einen aktuellen Kanon: sich regelmäßig bewegen und Sport treiben, auf die Ernährung achten und nicht rauchen. Die neue Alkohol-Empfehlung passt meiner Meinung nach in diese Welt, in der wir uns zunehmend um unsere Gesundheit kümmern.

Reicht alleine die Empfehlung aus, damit der Alkoholkonsum zurückgeht?

Der Alkoholkonsum ist über die letzten Jahre zwar gesunken, aber wir sind immer noch bei jährlich rund zehn Litern reinem Alkohol pro Kopf. Das ist eine sehr, sehr hohe Quote. Wir sind in Deutschland gescheitert, die Reduktion kontinuierlich und in großen Schritten voranzutreiben. Im Vergleich zu anderen Ländern gibt es sehr wenige politische Maßnahmen, die den Konsum kontrollieren. Stattdessen: konkurrenzlos günstige Preise, eine hohe Dichte an Verkaufsstellen, und, wohnt man nicht gerade weit draußen auf dem Land, eine 24/7-Verfügbarkeit. Hinzu kommt Alkoholwerbung, die zum Trinken verführt.

Was wünschen Sie sich konkret von der Politik?

Es sollte darüber nachgedacht werden, einen ähnlichen Weg wie beim Rauchen zu beschreiten. Die Nichtraucherschutzgesetze haben deutlich zu sinkenden Zahlen und zum Umdenken in der Bevölkerung beigetragen. Auch beim Alkohol sollten die Preise schrittweise erhöht und auf Werbung sollte verzichtet werden. Zudem sollten alkoholische Getränke nicht rund um die Uhr erhältlich sein. Das wären wichtige Schritte in die richtige Richtung.