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Ein Diabetes schützt vor dem zweiten? Leider nein. Menschen mit Typ-1-Diabetes können auch Typ-2-Diabetes entwickeln. Die beiden Diabetesformen haben verschiedene Auslöser und werden unterschiedlich behandelt.

Bei Typ-1-Diabetes zerstört das Immunsystem die Zellen, die Insulin produzieren. Die Betroffenen müssen sich das blutzuckersenkende Hormon spritzen oder per Pumpe verabreichen. Bei Typ 2 sorgt meist eine Kombi aus genetischer Veranlagung, ungesundem Lebensstil und Übergewicht dafür, dass die Körperzellen schlecht auf Insulin ansprechen. Gegen diese Insulinresistenz produziert der Körper anfangs mehr Insulin. Doch das reicht irgendwann nicht mehr, um genug Zucker aus dem Blut in die Zellen zu schleusen. Der Blutzucker steigt. Gesunde Ernährung, Sport und Medikamente können helfen.

Wie bemerkt man einen zusätzlichen Typ-2-Diabetes?

Wer Typ-1-Diabetes hat, bemerkt eine Insulinresistenz daran, dass er sich immer mehr Insulin verabreichen muss, um den Blutzucker ausreichend zu senken. „Einen zusätzlichen Typ-2-Diabetes diagnostizieren wir bei einem dauerhaft deutlich erhöhten Insulinbedarf“, sagt Diabetologe Professor Thomas Haak, Chefarzt am Diabetes Zen­trum Mergentheim. Dieser gehe oft einher mit starkem Übergewicht, Bluthochdruck, schlechten Blutfettwerten und einer Fettleber.

„Trifft Insulinmangel auf Insulinresistenz, kann das einen Teufelskreis in Gang setzen“, sagt Diabetologe Dr. Dietrich Tews aus Gelnhausen. Wegen der Resistenz steigt der Insulinbedarf. Hohe Insulinspiegel im Blut fördern die Gewichtszunahme. Denn Insulin ist auch am Fettaufbau beteiligt. Steigt das Gewicht, verstärkt sich die Resistenz. Noch mehr Insulin ist nötig. Abnehmen und gute Zuckerwerte zu erzielen, wird immer schwieriger.

Wie bekommt man den Doppel-Diabetes in den Griff?

Die beste Strategie: mit mehr Bewegung und einer gesünderen Ernährung gegensteuern. Die Kunst dabei ist, die Insulindosis möglichst präzise an Essen und Bewegung anzupassen, um häufige Unterzuckerungen zu vermeiden, gegen die man anessen muss. Das wiederum verstärkt nämlich die Gewichtsprobleme.

Wer sich bei der Dosisanpassung schwertut, bespricht sich mit Arzt oder Ärztin oder mit der Diabetesberaterin bzw. dem -berater. Es lohnt sich auch zu prüfen, ob die Therapie insgesamt noch passt. Um das Risiko für Gefäßschäden zu senken, ist es zudem wichtig, Blut­hochdruck und Fettstoffwechselstörungen zu behandeln.

Das können Sie selbst tun

1. Gesunde Ernährung

Wenig Lebensmittel essen, die viel Zucker oder stark verarbeitete Kohlenhydrate ent­halten, etwa Weißmehlprodukte. Besser: komplexe Kohlenhydrate. Diese stecken z. B. in Vollkornprodukten, Haferflocken und Gemüse. Auf zuckerhaltige Getränke verzichten (außer bei Unterzucker). Län­gere Pausen zwischen den Mahlzeiten. Insulindosis gut auf die Kohlenhydrat­ menge abstimmen.

2. Regelmäßige Bewegung

Mindestens 150 Minuten körperliche Ak­tivität pro Woche, verteilt auf mindestens drei Tage mit höchstens zwei Tagen Pause dazwischen. Um nicht zu unterzuckern, Insulindosis rechtzeitig senken. Evtl. kön­nen zusätzliche Kohlenhydrate nötig sein.

Helfen Medikamente dabei – wenn ja, welche?

„Ergänzend zur Insulintherapie könnten Menschen mit Doppel-
Diabetes möglicherweise auch von Antidiabetika profitieren, die der Arzt sonst nur bei alleinigem Typ 2 verordnet“, sagt Diabetologe Prof. Baptist Gallwitz, stellvertretender Ärztlicher Direktor am Uniklinikum Tübingen.

Für Typ 1 ist jedoch augenblicklich keines der Medikamente zugelassen. Verschreibt der Arzt sie trotzdem, muss er Patientinnen und Patienten informieren, dass es sich um eine Anwendung außerhalb der Zulassung („Off-Label-Use“) handelt. Und selbstverständlich sorgfältig und nachweisbar über die Risiken aufklären. „Nimmt der Patient Schaden, riskieren Ärzte, haftbar gemacht zu werden“, sagt Tews. Zudem zahlen die Kassen die Medikamente meist nicht.

Metformin

Schon lange im Einsatz bei Typ 2 sind Tabletten mit Metformin. Der Wirkstoff hemmt die Zuckerproduktion der Leber und macht die Zellen insulinempfindlicher. Haak rät bei sogenanntem Doppel-Diabetes zu einem Versuch damit: „Metformin kann den Insulinbedarf senken und die Zuckerwerte verbessern.“

SGLT-2-Hemmer

SGLT-2- Hemmer (Gliflozine) bewirken, dass mehr Zucker aus dem Blut mit dem Urin ausgeschieden wird. „Das kann die Zuckerverläufe glätten und beim Abnehmen helfen“, sagt Tews.

2019 wurde der SGLT-2-Hemmer Da­pa­gliflozin für übergewichtige Erwachsene mit Typ 1 zugelassen, die mit Insulin allein trotz optimaler Therapie keine guten Zuckerwerte haben. Weil Dapagliflozin bei Typ 1 das Risiko für gefährliche Stoffwechselentgleisungen (Keto­azi­dosen) erhöht, hat der Hersteller die Zulassung im Jahr 2021 zurückgezogen.

Blutdrucksenkendes Medikament

Medikamente gegen Typ-2-Diabetes: SGLT-2-Hemmer

Wirkstoffe wie Dapagliflozin und Empagliflozin gehören zur Gruppe der SGLT-2-Hemmer. Sie sorgen dafür, dass vermehrt Glukose mit dem Urin ausgeschieden wird. Dadurch sinkt der Blutzuckerspiegel zum Artikel

GLP-1-Analoga (Glutide)

„GLP-1-Analoga (Glutide) können im Einzelfall bei Doppel-Diabetes nützen“, sagt Gallwitz. Diese werden gespritzt. Sie verzögern die Magen­entleerung, fördern so die Sättigung und verringern Zuckerspitzen nach dem Essen. Zudem hemmen sie den Appetit. Abnehmen fällt leichter.­­

„Wünschenswert wären weitere Studien, um die Nutzen und die Risiken der Glutide bei Typ 1 besser beur­­teilen zu können“, sagt Gallwitz. Die Therapie mit Glutiden schlägt mit etwa 80 Euro im Monat zu Buche. Klar ist: Kein Mittel ersetzt einen gesunden Lebensstil, also eine gesunde Ernährung und viel Bewegung. Damit in die Gesundheit zu investieren — das zahlt sich immer aus.

Insulin-Pen

Pro und Kontra Insulin

Viele Menschen mit ­Diabetes Typ 2 brauchen ­irgendwann Insulin. Und fühlen sich ­wieder wohler, wenn die neue Therapie optimal passt. Aber es gibt auch andere Wege zu ­besseren Blutzuckerwerten zum Artikel


Quellen:

  • Prof. Dr. med. Baptist Gallwitz: Kombinationstherapien mit Insulin bei Typ-1-Diabetes. Die Diabetologie, Ausgabe 7/2021: https://www.springermedizin.de/... (Abgerufen am 22.11.2022)
  • Leitlinie der American Diabetes Association: Facilitating Behavior Change and Well-being to Improve Health Outcomes: Standards of Medical Care in Diabetes—2022. https://diabetesjournals.org/... (Abgerufen am 22.11.2022)
  • Zylka-Menhorn, Vera: Diabetes mellitus Typ 1: Add-on-Therapie zu Insulin im Blick. https://www.aerzteblatt.de/... (Abgerufen am 22.11.2022)
  • Ärzteblatt: Dapagliflozin darf nicht mehr bei Typ-1-Diabetes angewendet werden. Vor- und Nachteile von Metformin bei Patienten mit Typ-1-Diabetes: https://www.aerzteblatt.de/... (Abgerufen am 22.11.2022)
  • Dr. Andrea Wülker: Unphysiologische Insulingaben und häufige Snacks fördern Extra-Kilos. https://www.medical-tribune.de/... (Abgerufen am 22.11.2022)