Mythos Mücke: Sieben Irrtümer über die lästigen Blutsauger

Im Sommer entkommt man ihnen kaum: Doch haben es wirklich alle Mücken auf unser Blut abgesehen?
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Ihr Surren kann einen um den Schlaf bringen. Denn es bedeutet: Eine Stechmücke ist auf der Jagd und will unser Blut. Aber warum stechen die Insekten überhaupt? Haben Sie vor allem bestimmte Opfer im Blick? Und stimmt es, dass sie vom Blut alkoholisierter Menschen betrunken werden? Wir klären insgesamt sieben weit verbreitete Mythen über die kleinen Blutsauger.
Mythos 1 – Stechmücken ernähren sich von Blut
Eines scheint klar zu sein: Mücken ernähren sich von Blut. Wieso sonst sollten sie Menschen stechen? Doch ist das ein verbreiteter Irrtum: „Eigentlich decken Mücken ihren Energiebedarf mit Nektar- und Pflanzensäften“, erklärt Dr. Doreen Werner vom Leibniz-Zentrum für Agrarlandschaftsforschung in Müncheberg. Dort befasst man sich in Forschungsprojekten auch mit der heimischen Stechmückenfauna. „Die Weibchen benötigen allerdings Eiweiße, um Eier bilden zu können“, sagt Werner. Diese bekommen sie durch die Blutmahlzeit.
Mythos 2 - Beim Stechen können Mücken betrunken werden
Trinkt man Alkohol, gelangt dieser schnell ins Blut. Jeder kennt daher die Blutalkoholkonzentration, die in Promille angegeben wird. Was aber passiert, wenn Mücken Menschen stechen, die ein paar Gläschen zu viel getrunken haben?
Direkte Untersuchungen dazu gibt es nicht. Doch weiß man, dass Fruchtfliegen nach dem Verzehr von vergorenen Früchten einen Schwips bekommen können. Dass Mücken beim Stechen ebenfalls betrunken werden, wäre also durchaus möglich.
Selbst bei einem hohen Blutalkoholgehalt von zwei Promille dürfte ein Stich aber kaum Auswirkungen auf die Mücke haben. Davon geht zumindest der amerikanische Insektenforscher Professor Coby Schal von der Universität von Massachusetts aus. Die aufgenommene Nahrung wird nämlich in einer Art Vormagen gesammelt und dort schon teilweise von Enzymen zersetzt. Wahrscheinlich wird der Alkohol also bereits neutralisiert, bevor er sich auf das Nervensystem der Stechmücke auswirken kann.
Wer daher meint, den Stechmücken mit ein paar Bierchen übel mitspielen zu können, der irrt. Das Trinken von Alkohol kann sogar die Wahrscheinlichkeit erhöhen, gestochen zu werden: „Wenn wir Alkohol trinken, werden wir attraktiver für Mücken. Die Durchblutung erhöht sich, die Venen weiten sich und wir schwitzen mehr, zusätzlich steigt die Körpertemperatur. Beides lockt Mücken an“, warnt Werner.
Mythos 3 – Menschen mit „süßem Blut“ werden besonders oft gestochen
Angeblich haben bevorzugte Mückenopfer besonders süßes Blut. Doch das ist Unsinn. Was allerdings stimmt: Manche Menschen werden häufiger gestochen als andere. Doch woran liegt das? Drei Dinge ziehen Mücken generell an: Kohlenstoffdioxid (CO2), Wärme und bestimmte Gerüche. „CO2 ist das Lockmittel Nummer eins“, erklärt Werner. Mücken könnten ihre Opfer also anhand ihres Atems erschnuppern. Bevorzugte Opfer sind daher auch Schwangere oder Menschen mit größerem Körpergewicht und höherer Körpertemperatur, da sie mehr CO2 ausatmen.
Sind mehrere potenzielle Blutwirte in der Nähe, so suchen Stechmücken ihr Opfer nach der stärksten Attraktivität aus. Hierbei kommt unser Körpergeruch ins Spiel. Dieser entsteht, wenn Mikroorganismen auf unserer Haut Schweiß abbauen. „Damit ist aber nicht unbedingt starker Schweißgeruch gemeint“, erklärt Werner. Teilweise geht es auch um sehr feine Duftnuancen, die wir Menschen nicht unbedingt wahrnehmen. „Unsere Nase funktioniert da anders als der Geruchssinn der Mücken.“ So wird zum Beispiel die Malaria-Mücke Anopheles gambiae von bestimmten Carbonsäuren im Körpergeruch angelockt. An ihr zeigt sich, dass auch sehr starke Gerüche die Lästlinge anziehen können: In einem Experiment flogen die Anopheles-Mücken zum Beispiel auf Limburger Käse und getragene Socken.
Ein Mythos ist übrigens auch, dass Stechmücken von Licht angelockt werden. Lässt man bei offenem Fenster das Licht an, führt das allerdings dazu, dass schnell Motten und andere Insekten herumfliegen.
Mythos 4 – Stechmücken in Deutschland sind lästig, aber harmlos
In tropischen Ländern kann ein Mückenstich schnell zur Gesundheitsgefahr werden. Dort können die Tiere mit ihrem Stich Krankheiten wie Malaria und das Dengue-Fieber übertragen. Doch auch hierzulande sind Mücken nicht völlig harmlos: „Vor allem das West-Nil-Virus ist längst in Deutschland angekommen“, sagt Dr. Stephanie Thomas vom Lehrstuhl für Biogeografie an der Universität Bayreuth. Betroffen ist besonders der Osten Deutschlands.
Eine wichtige Rolle bei der Verbreitung spielen Vögel, die ebenfalls oft von Mücken gestochen werden. Als eine mögliche Überträgerin gilt Culex pipiens, die hierzulande sehr verbreitete Gemeine Stechmücke. 2020 wurden in Deutschland insgesamt etwa 20 Fälle von West-Nil-Fieber registriert. Die Dunkelziffer liegt allerdings deutlich höher, da viele Infektionen nur zu milden Beschwerden führen.
Dennoch: Angst vor Mückenstichen zu haben, ist hierzulande eher unbegründet. Das war nicht immer so. Die Malaria, auch Wechselfieber genannt, war in Deutschland früher durchaus heimisch. So gab es im Jahr 1783 in Mannheim eine Malaria-Epidemie, an der auch Friedrich Schiller erkrankte, der dort gerade zu Besuch war. Erst 1974 wurde die Krankheit in Europa für ausgerottet erklärt.
Könnte sie durch die Klimaerwärmung zurückkehren? Mückenexpertin Doreen Werner hält das für eher unwahrscheinlich: „Die europäische Variante der Malaria wurde ausgerottet. Die tropischen Erreger passen nicht optimal zu den einheimischen Mücken.“ Denn das Zusammenspiel zwischen Mücke und Erreger ist von der Temperatur abhängig. Und die ist für Malaria noch zu niedrig. Die zunehmende Hitze begünstigt allerdings die Verbreitung von Mücken. Das erhöht die Wahrscheinlichkeit, dass sich Erreger wie das West-Nil-, Zika- oder Dengue-Virus ausbreiten. In Urlaubsländern wie Italien und Spanien kam es bereits zu einzelnen Übertragungen von Dengue, bei Chikungunya sogar zu Ausbrüchen mit über 200 Infizierten.
Mythos 5 – Knoblauch und ätherische Öle halten Mücken fern
Mücken werden gern als fliegende Vampire bezeichnet. Genauso wie Graf Dracula laben sie sich nämlich an Blut. Und sie haben noch eine Gemeinsamkeit: Angeblich verabscheuen beide Knoblauch. Bei der Mücke stimmt das offenbar zumindest teilweise. Knoblauch zu essen, hilft allerdings nicht. Knoblauch-Öl aber kann für sehr kurze Zeit Mücken fernhalten. Wird ein Baumwollstoff mit einer Knoblauch-Pfefferminz-Mixtur behandelt, schreckt das Mücken ebenfalls ab.
Deutlich weniger mögen die Plagegeister allerdings Zimt- und Nelkenöl, wie eine Studie jüngst zeigte. „Was Duftkerzen, Pflanzen & Co. angeht, kann man persönlich ein wenig herumexperimentieren“, rät Werner. So kann es durchaus sein, dass die Mückenart vor Ort einen bestimmten Duftstoff überhaupt nicht mag.
Über ihren Duft wirken auch Insektenschutzmittel, sogenannte Repellents. In Deutschland genügen oft pflanzliche Wirkstoffe, wie zum Beispiel Zitronen-Eukalyptus oder auch der Wirkstoff EBAAP, um die Mücken zu verschrecken. Geht es in die Tropen, sollte man auf DEET oder Icaridin zurückgreifen. Die Wirkstoffe halten die kleinen Vampire noch zuverlässiger fern. Lassen Sie sich dazu in der Apotheke oder in der Arztpraxis beraten - nicht jeder Wirkstoff ist beispielsweise für jedes Alter oder aber bei Schwangerschaft geeignet.
Mythos 6 – Ultraschall vertreibt die Plagegeister
Ein gutes Mittel gegen Stechmücken soll angeblich hochfrequenter Schall sein. Auf dem Markt sind zahlreiche Geräte und sogar Handy-Apps, die versprechen, die Blutsauger zu verscheuchen. Doch ist das nur Geldmacherei. Verschiedene Studien haben gezeigt, dass Schallgeräte Stechmücken nicht fernhalten können. Manchmal steigt durch den Einsatz von Schallgeräten sogar die Wahrscheinlichkeit, gestochen zu werden.
Eine bessere Wahl, um Mücken fernzuhalten, sind dagegen Verdampfer, die Insektengifte in der Luft verteilen. Das Problem: Die Giftstoffe befinden sich dann in der Atemluft. Das Umweltbundesamt empfiehlt daher: „Von einem Dauereinsatz oder dem Gebrauch in schlecht belüfteten Räumen ist abzuraten.“ Auch UV-Lampen, die Mücken anlocken und töten sollen, sind keine gute Idee. Die Blutsauger lassen sich von dem Licht kaum ködern. Allerdings tötet man damit andere Insekten, darunter auch gefährdete Arten. Deshalb darf eine solche Mückenfalle nur im Innenbereich angebracht werden.
Doch was hilft wirklich? Eine effektive Abwehrmaßnahme gegen Mücken im Haus ist noch immer ein Fliegengitter vor dem Fenster. „Es kann auch helfen, öfter die Bettwäsche zu wechseln“, empfiehlt Werner. In dieser befinden sich nämlich Schweißrückstände, die Mücken anlocken. Im Freien sollte man auf Insektenschutzmittel zurückgreifen. Außerdem gibt es laut Thomas einen einfachen Schutz, den man nicht unterschätzen sollte: Das Tragen langer Kleidung.
Mythos 7 – Spucke hilft gegen das Jucken
Haben alle Abwehrmittel nichts geholfen, ist er da, der Mückenstich. Und er juckt. Das kommt vom Speichel der Mücke: Dieser verhindert beim Stechen, dass das Blut gerinnt und den Stechrüssel verstopft. Dadurch wird jedoch auch eine Abwehrreaktion des menschlichen Körpers ausgelöst. Immunzellen schütten Histamin aus – der Stich beginnt zu jucken und schwillt an. Spucke lindert den Juckreiz bestenfalls ein wenig, da die verdunstende Flüssigkeit die Haut kühlt. Zugleich besteht aber das Risiko, dass sich der Stich infiziert, falls Keime aus der Spucke in eine offene Hautstelle eindringen. Eiswürfel oder Kühlakkus funktionieren schon besser. Doch sollte man sie dazu in ein Tuch wickeln, um zu große Kälte zu vermeiden.
Auch Hitze kann helfen: Spezielle Hitzestifte sollen mit dem dosierten Einsatz von etwa 50 Grad Celsius Enzyme aus dem Mückenspeichel im Stichbereich zerstören. Doch Vorsicht: Mit den Stiften kann man sich schon mal leicht verbrennen.
Kurzzeitig kann man zudem Antihistaminika und Kortisoncremes aus der Apotheke auftragen. Auch wenn es fürchterlich juckt: Aufkratzen sollte man den Stich auf keinen Fall, da sonst Infektionen drohen. Falls der Stich nicht abschwillt oder sich stark entzündet, sucht man am besten eine Arztpraxis auf. Ebenso falls Fieber oder andere Krankheitszeichen auftreten sollten.
Quellen:
- Sass T, MacPhreson L et. al.: High-Throughput Method for Measuring Alcohol Sedation Time of Individual Drosophila melanogaster. Journal of Visualized Experiments: https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/... (Abgerufen am 10.07.2023)
- Shrai O, Tsuda T et. al.: Alcohol ingestion stimulates mosquito attraction . Journal of the American Mosquito Control Association: https://www.biodiversitylibrary.org/... (Abgerufen am 10.07.2023)
- Giraldo D, Rankin-Turner S et. al.: Human scent guides mosquito thermotaxis and host selection under naturalistic conditions. Current biology: https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/... (Abgerufen am 10.07.2023)
- Merlot J: Ziehen manche Menschen Mücken magisch an?. Der Spiegel: https://www.spiegel.de/... (Abgerufen am 10.07.2023)
- Knols B G, De Jong R: Limburger cheese as an attractant for the malaria mosquito Anopheles gambiae s.s . Parasitology today: https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/... (Abgerufen am 10.07.2023)
- wbr/dpa: Stinkesocken-Attrappe fängt Moskitos ein. Der Spiegel: https://www.spiegel.de/... (Abgerufen am 10.07.2023)