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Im vergangenen Jahr kletterten die Temperaturen in Deutschland auf ein neues Rekordhoch. Eine Herausforderung für unsere Gesundheit. Denn nicht nur die Hitze ist für den Körper belastend, es steigt auch das Risiko, dass sich bestimmte infektiöse Krankheiten ausbreiten.

Mit den Folgen des Klimawandels für Europa beschäftigt sich der Lancet Countdown Europe. Hierbei handelt es sich um eine internationale, interdisziplinäre Forschungskooperation, an der rund 70 Wissenschaftler beteiligt sind. Kürzlich erschien der zweite Bericht mit den neuesten Forschungsergebnissen. Wissenschaftler der Universität Heidelberg sind maßgeblich an diesem Projekt beteiligt.

Europa erhitzt sich stärker als andere Regionen

Das wichtigste Ergebnis: Europa heizt sich im weltweiten Vergleich stärker auf als andere Regionen der Welt. Das wiederum fordert wohl Menschenleben. Innerhalb der vergangenen zehn Jahre stieg die Zahl der hitzebedingten Todesfälle in den meisten europäischen Ländern an, und zwar um durchschnittlich 17 Todesfälle pro 100.000 Einwohner. Klimamaßnahmen sind deswegen dringend erforderlich.

„Wir sehen eine doppelt so hohe Erwärmung in Europa im Vergleich zum Rest der Welt“, warnte der Epidemiologe Prof. Dr. Joacim Rocklöv aus Heidelberg, der an der Erstellung des Reports beteiligt war. „Es gibt in Europa geographische Unterschiede. Deutschland beispielsweise hat eine ziemlich hohe Übersterblichkeit aufgrund von Hitzewellen, vor allem unter Frauen.“

Frauen sterben etwa doppelt so oft während der heißen Tage. Das könnte unter anderem daran liegen, dass es vor allem die Hochbetagten sind, die unter den Temperaturen leiden. Frauen sind in dieser Altersgruppe deutlich überrepräsentiert sind.

Weniger Bewegung im Freien möglich

Über das Jahr gesehen haben sich die Stunden pro Tag, an denen man bedenkenlos Sport im Freien betreiben kann, deutlich reduziert. Das könnte auf Dauer dazuführen, dass die Menschen sich insgesamt weniger bewegen und damit zusätzlich ihrer Gesundheit schaden. Auch berufliche Tätigkeiten im Freien könnten in Zukunft nicht mehr im selben Umfang wie früher möglich sein.

Exotische Erreger und Überträger siedeln sich an

Ein weiteres Problem sind neu auftretende Infektionskrankheiten. Sowohl die Erreger selbst, als auch ihre Überträger können sich wegen der milderen Winter weiter in nördlicheren Regionen ausbreiten. Rocklöv dazu: „Die asiatische Tigermücke etwa verbreitet sich am Rhein entlang.“ Diese aggressive Stechmückenart vermiest nicht nur den Aufenthalt im Freien, sie kann auch tropische Krankheitserreger wie Dengue-, Chikungunya- und Zika-Viren übertragen. Verschiedene Gemeinden empfehlen bereits, das Auftreten von Tigermücken zu melden, damit die Tiere beseitigt werden können.

Auch die Sandmücke breitet sich aus – und damit weitere Krankheitserreger. „In den letzten 20 Jahren haben sich außerdem die Regionen in Europa, in denen es zu Infektionen mit Leishmaniose kommt, deutlich ausgeweitet“, erläuterte Angelina Taylor vom Robert-Koch-Institut aus Berlin. Diese Infektionskrankheit kommt zum Beispiel in den Regionen des Mittelmeers vor und wird von Urlaubern nach Deutschland importiert.

West-Nil-Viren in Berlin und im Südwesten

„Auch das West-Nil-Virus verbreitet sich zunehmend in Deutschland und wird hier zu einer Gefahr. In und um Berlin, am Rhein entlang und in Teilen Baden-Württembergs ist das Virus bereits endemisch“, so der Epidemiologe. Das West-Nil-Virus wird von Mücken übertragen und erzeugt Fieber. Vor allem ältere Menschen und Personen mit einer Vorerkrankung des Herz-Kreislauf-Systems oder einem geschwächten Immunsystem sind gefährdet, schwere Verläufe zu entwickeln oder sogar zu versterben.

Eine Folge der Klimaerwärmung mit milden Wintern ist auch, dass auf der Deutschlandkarte immer mehr Landkreise zu FSME-Risikogebieten werden, weil sich Zecken dort besser vermehren können. Auch Infektionen mit dem Erreger von Borreliose, einer Krankheit, die ebenfalls durch Zecken übertragen wird, könnten in den kommenden Jahren zunehmen.

Hitzeaktionstag am 5. Juni 2024

Der Vorstandsvorsitzende der Deutschen Allianz Klimawandel und Gesundheit (KLUG) und Arzt Dr. Martin Herrmann warnt: „Wir sind auf einen Katastrophenfall im Bereich Hitze wie einer Hitzeglocke über Deutschland nicht vorbereitet. Dabei spitzt sich die Lage zu. Die Ergebnisse des Reports müssen wir ernst nehmen. Die Daten sind die Einladung an uns alle, endlich zu handeln.“ Schon vor einiger Zeit hatte der Lancet-Report die flächendeckende Einführung von Hitzeaktionsplänen empfohlen. Diesbezüglich sei bislang viel zu wenig unternommen worden, monierte Herrmann.

Der Mediziner stellte in diesem Zusammenhang den Hitzeaktionstag vor, der am 5. Juni 2024 stattfindet und unter anderem von KLUG organisiert wird. Das Motto lautet: Deutschland hitzeresilient machen – wir übernehmen Verantwortung. Im Rahmen dieser Aktion sollen die Menschen im Land informiert werden, wie sie sich vor Hitze schützen können. „Wir müssen die Gefahren von Hitze ernst nehmen“, so Herrmann.

Cool bleiben in Freizeit, Arbeit und mit chronischen Erkrankungen.

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Bevölkerung besser schützen

Auch die Städte und Kommunen sind aufgerufen, tätig zu werden und die Bevölkerung vor Hitze zu schützen, forderte Sabine Lachenicht vom Amt für Umweltschutz, Gewerbeaufsicht und Energie der Stadt Heidelberg. So habe Heidelberg zum Beispiel einen Hitzeaktionsplan erstellt. Dazu gehört ein Stadtplan, auf dem kühle Orte und Stellen eingezeichnet sind, an denen es kostenlos Trinkwasser gibt.


Quellen:

  • Van Daalen K , Tonne C, Semenza J et al.: The 2024 Europe report of the Lancet Countdown on health and climate change: unprecedented warming demands unprecedented action. Online: https://www.thelancet.com/... (Abgerufen am 23.05.2024)
  • Robert Koch Institut: Sachstandsbericht Klimawandel und Gesundheit . Online: https://www.rki.de/... (Abgerufen am 24.05.2024)
  • KLUG: „Deutschland hitzeresilient machen – wir übernehmen Verantwortung“. Online: https://hitzeaktionstag.de (Abgerufen am 24.05.2024)
  • Stadt Heidelberg: Klimawandelanpassung: Heidelberg wappnet sich gegen die Hitze. Online: https://www.heidelberg.de/... (Abgerufen am 23.05.2024)