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Kurz erklärt: Was ist Gicht?

  • Gicht ist eine Stoffwechselstörung. Es sammelt sich zu viel Harnsäure im Körper an. Dadurch bilden sich Harnsäurekristalle. Sie lagern sich insbesondere in den Gelenken ab. Eine mögliche Folge sind schmerzhafte Gelenkentzündungen. Der erste Gichtanfall betrifft oft die große Zehe, genauer das Großzehen-Grundgelenk.
  • Ohne geeignete Therapie können sich Harnsäurekristalle in Gelenken, Schleimbeuteln, Sehnen, in der Haut und im Ohrknorpel ablagern und Gelenkschäden entstehen. Auch in der Niere setzen sich die Kristalle ab. Nierensteine und Nierenschäden sind mögliche Folgen.
  • Oft besteht eine angeborene Neigung zu einem erhöhten Harnsäurespiegel. Verschiedene Auslöser begünstigen den Ausbruch der Gicht, darunter Krankheiten, Medikamente, aber auch eine ungesunde Ernährung, Bewegungsmangel und Übergewicht.
  • Männer haben häufiger Gicht als Frauen. Sie bekommen eine Gicht üblicherweise nicht vor Einsetzen der Wechseljahre. Vermutlich bieten die weiblichen Geschlechtshormone bis zu diesem Zeitpunkt einen gewissen Schutz.
  • In Blutuntersuchungen lassen sich erhöhte Harnsäurespiegel aufdecken. Allerdings schließen normale Spiegel eine Gicht nicht aus. Umgekehrt haben mäßig erhöhte Harnsäurewerte nicht immer Gichtanfälle zur Folge.
  • Eine geeignete Ernährung, eine gesunde Lebensweise und Medikamente helfen, Gichtattacken vorzubeugen und Komplikationen zu vermeiden.

Ursachen: Wie kommt es zur Gicht?

Die Voraussetzung dafür, dass sich überhaupt eine Gicht entwickeln kann, ist ein Zuviel an Harnsäure im Blut – medizinisch heißt das Hyperurikämie. Eine Hyperurikämie stellt sich immer dann ein, wenn das Gleichgewicht zwischen Bildung und Ausscheidung der Harnsäure im Körper gestört wird. Harnsäure wird vor allem über die Nieren, und nur zu einem kleinen Teil über den Darm ausgeschieden.

Harnsäure entsteht im Körper aus dem Abbau von Purinen. Diese wiederum stammen aus zwei Quellen:

  • Zum einem stecken Purine in der Nahrung. Besonders purinreich sind beispielsweise Innereien, Fleisch und Wurst.
  • Zum anderen sind Purine ein normaler Baustein von Körperzellen. Purine werden daher im Organismus auch stets beim Abbau oder beim Zerfall von Zellen frei.

Für einen Harnsäureüberschuss im Blut gibt es im Wesentlichen drei mögliche Ursachen:

  1. Im täglichen Essen stecken zu viele Purine. Sie werden zu Harnsäure abgebaut.
  2. Im Körper entsteht verstärkt Harnsäure, zum Beispiel weil viele Zellen zerfallen.
  3. Die Nieren scheiden zu wenig Harnsäure aus.

Häufig finden sich Kombinationen der genannten Ursachen. Genetische Veränderungen spielen bei der Entstehung der Gicht eine Rolle. So finden sich bei Verwandten von Gichtkranken oft ebenfalls erhöhte Harnsäurespiegel.

Fachleute unterscheiden verschiedene Formen der Gicht:

Primäre Form: Ursache der Hyperurikämie ist ein angeborener Stoffwechseldefekt. Fast immer scheidet die Niere weniger Harnsäure aus als nötig wäre. Nur in sehr seltenen Fällen ist ein Enzymdefekt schuld daran, dass der Körper zu viel Harnsäure herstellt.

Sekundäre Form: Die Hyperurikämie wird durch andere Krankheiten oder Störungen hervorgerufen. Eine sekundäre Gicht entsteht beispielsweise als Folge von Leukämie oder anderen Blutkrankheiten, bei denen viele Zellen abgebaut werden, bei Nierenerkrankungen, oder manchmal bei der Einnahme von bestimmten Medikamenten, zum Beispiel wassertreibenden Arzneimitteln (Diuretika).

Was kann Gichtanfälle auslösen?

Besteht bereits eine versteckte Neigung zu Gicht, wirken äußere Faktoren krankheitsfördernd oder anfallsauslösend. Zu diesen Faktoren gehören vor allem purinreiche Lebensmittel und alkoholische Getränke, aber auch Stoffwechselschwankungen, wie sie bei strengen Diäten oder manchmal bei Diabetes mellitus (Zuckerkrankheit) vorkommen. Auch körperlicher Stress – zum Beispiel durch Verletzungen, ungewöhnliche Anstrengungen oder Infektionen – kann eine akute Gichtattacke provozieren.

Symptome: Was sind Anzeichen einer Gicht?

Der erste Gichtanfall zeigt sich meistens an einem einzigen Gelenk (akute Gichtarthritis). Sehr häufig handelt es sich dabei um das Grundgelenk der großen Zehe. Diese Form der Gicht wird auch Podagra genannt. Andere Gelenke, die ebenfalls oft befallen werden, sind Mittelfußgelenke, Sprung- und Kniegelenke, sowie Daumengrundgelenke.

Gichtanfall: Das Fingergelenk ist rot und geschwollen

Gichtanfall: Das Fingergelenk ist rot und geschwollen

Wie macht sich ein Gichtanfall bemerkbar?

Tückischer Weise tritt ein akuter Gichtanfall fast immer ohne Vorwarnung bei scheinbar völlig gesunden Menschen auf. Die Betroffenen werden meist nachts oder in den frühen Morgenstunden ganz plötzlich von einer sehr schweren Schmerzattacke überfallen. Typischerweise ist das kranke Gelenk extrem berührungsempfindlich und bewegungsschmerzhaft, es ist außerdem teigig geschwollen, gerötet oder bläulich verfärbt und heiß. Der Anfall wird vielfach auch von Fieber begleitet.

Der akute Zustand kann mehrere Stunden und sogar Tage lang andauern, wenn keine geeignete Therapie erfolgt. Ohne Behandlung können sich die akuten Attacken wiederholen, in kürzeren Abständen auftreten, länger anhalten sowie auf andere Gelenke übergreifen.

Was sind Gicht-Tophi?

Harnsäurekristalle können sich in Gelenken, Schleimbeuteln, Sehnen, Haut, Ohrknorpel und Nieren ablagern. Als mögliche Folge bilden sich Knötchen, sogenannte Gicht-Tophi. Das sind größere Verklumpungen von Harnsäurekristallen. Dank moderner Therapiemethoden kommen Tophi heutzutage nur noch selten vor.

Wird die Krankheit nicht ausreichend behandelt, führt sie zu ernsten Komplikationen: dazu gehören chronische Gelenkentzündungen und –deformierungen mit Knochenschäden, Schleimbeutelentzündungen, Nierensteine und eine Nierenschwäche bis hin zum Nierenversagen (Gichtniere). Bei dieser chronischen Gicht leiden Betroffene oft unter anhaltenden Gelenkschmerzen oder Gelenkschwellungen.

Eine geeignete Therapie hilft, solche schweren Folgen zu vermeiden.

Diagnose: Wie stellen Ärztinnen und Ärzte eine Gicht fest?

Die Beschwerden und Zeichen des akuten Gichtanfalls sind oft sehr charakteristisch, so dass in der Regel die richtige Verdachtsdiagnose gestellt werden kann.

Sollten die Symptome nicht eindeutig sein, können weitere Untersuchungen sinnvoll sein.

Mit einer Blutuntersuchung lässt sich der aktuelle Harnsäurewert feststellen. Gerade während eines Anfalls werden aber bei Betroffenen oft niedrigere Harnsäurewerte als vor oder nach dem Anfall gemessen. Somit können selten Gichtanfälle auftreten, obwohl keine hohen Harnsäurewerte vorliegen. Und umgekehrt bedeuten leicht erhöhte Harnsäurewerte nicht, dass zwingend Gichtanfälle folgen müssen. Aussagekräftiger als einzelne Messungen sind wiederholte Harnsäure-Untersuchungen.

Oft finden sich beim Gichtanfall deutliche Entzündungszeichen im Blut.

In unklaren Fällen hilft eine Gelenkpunktion mit Untersuchung der Gelenkflüssigkeit, die Diagnose zu sichern. Unter dem Mikroskop sind darin Harnsäurekristalle zu sehen.

Bei fortgeschrittener Gicht zeigt das Röntgenbild eventuell typische Gelenkveränderungen.

Menschen, die an Gicht leiden, haben überdurchschnittlich häufig auch Übergewicht, Bluthochdruck, ungünstige Blutfettwerte und Diabetes mellitus (Zuckerkrankheit) vier wichtige Risikofaktoren für Herz- und Kreislaufkrankheiten, die unter dem Begriff metabolisches Syndrom zusammengefasst werden. Die Ärztin oder der Arzt wird in der Regel auch untersuchen, ob die genannten Risiken vorliegen und behandelt werden sollten

Therapie: Was hilft gegen Gicht?

Gegen den akuten Gichtanfall verschreibt die Ärztin oder der Arzt Medikamente. Infrage kommen:

  • bestimmte entzündungshemmende kortisonfreie Antirheumatika (zum Beispiel Naproxen, Diclofenac, Ibuprofen)
  • Kortisonpräparate, meist als Tabletten
  • Colchicin

Eventuell empfiehlt die Ärztin oder der Arzt zusätzlich Allgemeinmaßnahmen wie

  • das betroffene Gelenk hochlagern
  • gegebenenfalls vorübergehende Bettruhe
  • die Bettdecke vom empfindlichen Gelenk fernhalten
  • kühlende Umschläge
  • leichte, purinarme Kost
  • ausreichend trinken.

Nach der Akutphase zielt die Dauerbehandlung der Gicht darauf ab, zu verhindern, dass wiederholt Gichtanfälle auftreten.

Betroffene sollten mit ihren behandelnden Ärztinnen und Ärzten besprechen, welche Lebensstiländerungen für sie von Vorteil sind. Folgende Punkte gehören meistens dazu:

  • Übergewicht langsam reduzieren – durch gesunde Ernährung und viel Bewegung. Auf "Radikaldiäten" aber verzichten.
  • körperlich aktiv sein, falls aus medizinischer Sicht nichts dagegen spricht.

Ernährung bei Gicht

Die allgemeinen Grundsätze für eine ausgewogene und gesunde Ernährung gelten auch für Menschen mit Gicht. Sie sollten allerdings zusätzlich darauf achten, purinreiche Lebensmittel zu meiden. Denn aus Purinen in der Nahrung bildet der Körper Harnsäure. Nährstofftabellen, die den Harnsäuregehalt von Lebensmitteln angeben, können im Alltag helfen. Eventuell macht eine Ernährungsberatung Sinn. Ärztin oder Arzt können dazu beraten. Die passende Ernährung hilft, weiteren Anfällen vorzubeugen.

Allgemeine Ratschläge lauten:

  • sehr purinreiche Lebensmittel meiden (vor allem Fleisch, Innereien, fette Wurst, Muscheln, Krebse)
  • Alkohol meiden (vor allem Bier und Hochprozentiges)
  • mit Zucker oder Fruchtzucker gesüßte Getränke meiden
  • keine Extreme - also keine sehr üppigen Mahlzeiten, aber auch keine Fasten- oder Durstphasen
  • etwa zwei Liter Flüssigkeit am Tag trinken, sofern aus medizinischer Sicht nichts dagegen spricht

Mehr zum Thema Ernährung bei Gicht lesen Sie hier:

Gichtanfällen vorbeugen: Medikamente

Ob nach dem ersten Gichtanfall bereits eine Dauertherapie mit Medikamenten sinnvoll ist, sollten Betroffene mit ihren Ärztinnen oder Ärzten individuell klären. Die vorliegenden Befunde, der zu erwartende Nutzen der Therapie, mögliche Neben- und Wechselwirkungen sowie die Patientenwünsche finden hier Berücksichtigung. Spätestens, wenn Gichtanfälle häufiger auftreten (beispielsweise zweimal pro Jahr), oder bei Folgen wie Gichtknoten oder Nierensteinen raten Experten üblicherweise zu einer vorbeugenden Medikamenten-Therapie.

Dabei kommt in der Regel der Wirkstoff Allopurinol zum Einsatz: Dieses Medikament (ein sogenanntes Urikostatikum) unterdrückt die Bildung der Harnsäure. Alternativ gibt es den Wirkstoff Febuxostat. Daneben existieren weitere Medikamente, zum Beispiel Benzbromaron. Es fördert die Ausscheidung von Harnsäure.

Gerade wenn eine Behandlung mit harnsäuresenkenden Medikamenten neu gestartet wird, beginnen Ablagerungen, sich aufzulösen. In der Folge kann die Neigung zu Gichtanfällen vorübergehend ansteigen. Daher kann für die ersten Monate zusätzlich eine vorbeugende Behandlung mit Colchicin in geringer Dosis sinnvoll sein.

Ob vorbeugende Medikamente nach einer längeren Therapiedauer eventuell wieder abgesetzt werden können, sollten Betroffene mit ihrer Ärztin oder ihrem Arzt individuell klären.

Professor Dr. med. Bernhard Manger

Professor Dr. med. Bernhard Manger

Beratender Experte, Quellen

Professor Dr. med. Bernhard Manger ist Facharzt für Innere Medizin mit den Teilgebieten Rheumatologie und Hämatologie. Seit 1988 arbeitet er als Oberarzt und Stellvertretender Klinikdirektor an der Medizinischen Klinik III mit Schwerpunkten Rheumatologie, Klinische Immunologie und Allergologie der Universität Erlangen. Seine Forschungsschwerpunkte sind Entstehung, Diagnose und Therapie entzündlich-rheumatischer Erkrankungen.

Quellen:

https://www.medizin3.uk-erlangen.de/patienten/krankheitsbilder/gicht/ (Abgerufen im März 2022)

https://www.rheuma-liga.de/rheuma/krankheitsbilder/gicht (Abgerufen im März 2022)

https://www.gesundheitsinformation.de/gicht.html (Abgerufen im März 2022)

Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin: "Häufige Gichtanfälle und Chronische Gicht", Erstveröffentlichung 09/2013, Stand 03/2019 (Abgerufen im März 2022), https://www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/053-032a.html

Patientenleitlinie der Deutschen Gesellschaft für Allgemeinmedizin und Familienmedizin: "Gicht", Stand 2018 (Abgerufen im März 2022), https://www.awmf.org/leitlinien/detail/ll/053-032b.html

Wichtiger Hinweis:

Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann eine ärztliche Beratung nicht ersetzen. Bitte haben Sie Verständnis, dass wir keine individuellen Fragen beantworten

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