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„Am Anfang hat man Bienen, dann haben die Bienen einen“, sagt Professor Karsten Münstedt. Der Chefarzt für Gynäkologie am Ortenau Klinikum Offenburg-Kehl ist seit über 40 Jahren Imker. „Es gibt für mich nichts Schöneres, als vor einem offenen Bienenkasten zu stehen, sich umsummen zu lassen und zu sehen, dass es den Bienen gut geht.“

Ab und zu hat der Mediziner auch in seinem Berufsalltag mit Bienen zu tun. Natürlich schwirren die Sechsbeiner nicht durch den OP-Saal, ihr Honig aber kommt bei manchen Patientinnen und Patienten zum Einsatz. Mittlerweile gilt als bewiesen: Honig wirkt effektiv in der Wundbehandlung

Honig in der Wundbehandlung

Frauenarzt Münstedt erinnert sich noch gut daran, als er in einer anderen Klinik Honig als Therapiemittel zum ersten Mal verwendete. Damals behandelte er eine Patientin, die weit fortgeschritten an Brustkrebs erkrankt war. Bei der Patientin bildete sich eine Tumorwunde, die einen unangenehmen Geruch verbreitete. Zwar wurde die Wunde täglich mit verschiedenen Lösungen ausgespült, doch der Geruch blieb. Für die Patientin eine starke Belastung.

„Damals hatte ich gerade eine Studie über Honig in der Wundversorgung gelesen und vorgeschlagen, es zu probieren“, erzählt Münstedt. Anfangs belächelten manche Kolleginnen und Kollegen die Idee, doch nur zwei Tage später zeigte sie Wirkung: „Der Honig hat die Wundflüssigkeit aufgesaugt. Die Bakterien, die den Gestank produzierten, waren weg.“ Den Krebs konnte die Patientin nicht besiegen, doch ihre Lebensqualität stieg, sie konnte ihre Verwandten wieder empfangen.

Zucker und Säure greifen Bakterien an

Mittlerweile ist Honig in der Wundbehandlung etabliert, seine antibakterielle Wirkung belegt. Dabei spielen verschiedene Mechanismen eine Rolle. „Honig besteht zu 80 Prozent aus Zucker. Er entzieht der Wunde und den darin befindlichen Bakterien das Wasser. Sie trocknen aus und sterben ab“, erklärt der Experte. Dasselbe Prinzip komme bei Marmelade zum Einsatz. „Man kippt so viel Zucker zu den Früchten, dass die Bakterien es darin nicht aushalten. Deshalb wird Marmelade nicht schlecht.“

Chemisch gesehen ist Honig eine Säure. In diesem sauren Milieu wachsen keine Bakterien.

Hinzu komme eine weitere wichtige Eigenschaft von Honig, sagt Dr. Birgit Lichtenberg-Kraag, Leiterin der Abteilung für Honig­analyse am Länderinstitut für Bienenkunde Hohen Neuendorf bei Berlin. „Chemisch gesehen ist Honig eine Säure“, erklärt die Expertin. Man merke dies nicht wegen seines hohen Zuckergehalts. Sein pH-Wert liege jedoch zwischen 3,5 und 4,5. In diesem sauren Milieu würden keine Bakterien wachsen.

Zudem enthielten bestimmte Honigsorten eine große Menge des Enzyms Glukose-Oxidase. In Verbindung mit der Wundflüssigkeit wandle es Glukose – einen der Hauptzucker im Honig – in Glukonsäure um. „Dabei wird Wasserstoffperoxid freigesetzt, das wie ein Desinfektionsmittel wirkt“, erklärt Lichtenberg-Kraag.

Rund 200 Sustanzen im Honig

Dass Honig Bakterien bekämpft, gelte für jede Sorte. In der Wundbehandlung eingesetzt werden darf jedoch nur medizinischer Honig: speziell aufbereiteter Manuka-Honig aus Neuseeland. Er enthält im Vergleich zu anderen Honigsorten einen weiteren Inhaltsstoff: Methylglyoxal. „Er unterstützt die antibakterielle Wirkung“, erklärt Lichtenberg-Kraag.

Darüber hinaus biete Honig in der Wundbehandlung einen weiteren Vorteil: Er sorge dafür, dass die Wunde sanfter verheilt und keine großen Narben entstehen. „Durch die Säure im Honig werden bestimmte Enzymaktivitäten von Bakterien gestoppt, sodass weniger Gewebe abstirbt.“

Insgesamt enthält Honig rund 200 verschiedene Substanzen. Darunter sekundäre Pflanzenstoffe wie etwa Flavonoide, die heilungsfördernd und entzündungshemmend wirken. In welcher Kombination die Substanzen vorkommen, ist von Honig zu Honig verschieden. „Daher entwickeln Bakterien bislang keine Widerstandskraft, also Resistenzen, gegen Honig“, erklärt die Expertin. Ein großer Vorteil gegenüber Antibiotika.

Honig bei Husten und Erkältungen

In der Wundbehandlung ist Honig also ein wirksames Mittel. Doch wie sieht es bei Erkältungen aus? Milch mit Honig etwa gilt als Hausmittel gegen Kratzen im Rachen. „Hierzu gibt es kaum aussagekräftige Studien“, sagt Mediziner Münstedt.

Der Honig legt sich wie ein Film auf die Schleimhäute im Rachen und wirkt dort gegen Entzündungen.

Geht es dagegen um Honig allein, sei die Studienlage besser – zumindest bei Kindern. „Eine Metastudie zeigt, dass erkältete Kinder etwas weniger husteten und besser schliefen, wenn sie abends einen Löffel Honig zu sich nahmen“, so Münstedt. Der Honig lege sich wie ein Film auf die Schleimhäute im Rachen und wirke dort gegen Entzündungen. Konsumiere man Honig auf Brot oder verdünnt im Tee, gehe dieser Effekt aber verloren.

Da Honig hauptsächlich aus Zucker besteht, sollte man ihn nur in geringen Mengen verzehren. Sonst steigt das Risiko für Übergewicht und sich daraus entwickelnde Erkrankungen. Für Kinder unter einem Jahr ist Honig ganz tabu. Er kann zwar keine Bakterien, dafür aber Sporen von ihnen enthalten. Da das Immunsystem von Babys noch unreif ist, können die Sporen auskeimen und die von den Bakterien produzierten Stoffe daraufhin schwere Vergiftungen auslösen.

Vorsicht bei übertriebenen Heilsversprechen

Münstedt warnt vor übertriebenen Heilsversprechen – 2020 veröffentlichte etwa das Fachmagazin BMJ Evidence-Based Medicine eine Übersichtarbeit von Forschern der Universität Oxford. Demnach wirke Honig bei Entzündungen der oberen Atemwege besser als Medikamente. Viele Medien griffen diese Nachricht auf, in der Fachwelt wurde die Studie jedoch wegen Verzerrungen, falscher Berechnungen und Vergleiche zerrissen. „Diese Studie ist völlig unse­riös“, sagt auch Mediziner Münstedt.

Lichtenberg-Kraag ist in Bezug auf die Wirkung von Honig generell zurückhaltend: „Es ist möglich, dass seine vielen Inhaltsstoffe auch positiv bei einer Erkältung wirken.“ So enthalte zum Beispiel Lindenhonig Anteile ätherischer Öle. Bewiesen sei die Wirkung von Honig jedoch nur in der Wundbehandlung.

Allergiegefahr bei Honiggemischen

Imker dürften zum Beispiel für einen gesundheitsfördernden Effekt ihres Produkts nicht werben. „Per Definition ist Honig ein Lebensmittel und keine Arznei“, erklärt die Expertin. Auf den Etiketten stünden jedoch teils abenteuerliche Sachen. Vorsicht sei zudem bei selbst gemischten Honigkreationen geboten. Ihnen werden teils andere Bienenerzeugnisse wie etwa Propolis beigemischt. Darauf würden viele Menschen allergisch reagieren, so Lichtenberg-Kraag.

Allergien gegen puren Honig seien dagegen sehr selten: „Der Pollenanteil im Honig beträgt nur etwa 0,02 bis 0,05 Prozent der Inhaltsstoffe.“ Von Heuschnupfen Geplagte haben also nichts zu befürchten.

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