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Wenn Karl Möhrmanns Frau in eine manische Phase kommt, ist sie auf einmal ganz anders: „Sie wird aggressiv gegenüber dem Menschen, den sie eigentlich liebt. Das war für mich anfangs sehr schwer zu verstehen“, erzählt Möhrmann. Mittlerweile habe er gelernt, mit der bipolaren Störung seiner Frau umzugehen, und engagiert sich als Vorstandsvorsitzender des Landesverbands Bayern der Angehörigen psychisch Kranker in der Selbsthilfe.

Überlasteten Angehörigen empfiehlt er, sich beraten zu lassen, etwa beim sozialpsychiatrischen Dienst, oder an Selbsthilfegruppen teilzunehmen. In akuten Krisen helfen psychiatrische Krisendienste. Entlasten kann auch eine vom Arzt verordnete psychiatrische häusliche Krankenpflege, die Erkrankte dabei unterstützt, selbstständig zu leben.

Leider seien nicht alle Angebote überall verfügbar, so Möhrmann. Möhrmann rät vor allem dazu, sich jeden Tag selbst etwas Gutes zu tun: „Wenn es den Angehörigen schlecht geht, können sie für den Betroffenen nichts mehr tun, dann ist gar niemandem geholfen.“ Psychische Erkrankungen können sich auf vielfältige Weise zeigen.

Wie reagiert man …

… bei aggressivem Verhalten?

Aggressives Verhalten kommt bei Menschen mit psychischen Erkrankungen häufiger vor als in der Allgemeinbevölkerung. Das bedeutet aber nicht, dass jeder psychisch Erkrankte aggressiv wird. Kommt es doch zu einer solchen Situation, sollte man als Erstes sich selbst schützen, betont Gabi Grund, Krankenpflegerin und Fachkraft für sozialpsychiatrische Betreuung aus Eschwege.

Man kann versuchen zu deeskalieren. „Aussagen wie ‚Beruhige dich‘ verursachen oft das Gegenteil“, so Grund. Stattdessen einfach feststellen: „Ich merke, du bist wütend.“ Die Person fühle sich in ihrer Situation dann wahr- und ernstgenommen. Man könne auch, wenn die Situation dies zulässt, nach der Ursache für die Aggression fragen und eventuell Lösungen suchen.

Vor allem dürfe man Wutausbrüche nicht persönlich nehmen, betont Grund. Eine Deeskalation hilft aber nicht immer. „Wenn Patienten eine Wahnvorstellung haben, kommen sie da nicht so einfach raus. Sie sind dann wie in einer anderen Welt“, so Christa Roth-Sackenheim, Vorsitzende des Berufsverbands Deutscher Psychiater.

Ist die Situation nicht mehr zu beherrschen oder gefährlich, müssen Angehörige die Polizei rufen. Wichtig: Aggressives Verhalten kann auch auf körperliche Leiden zurückzuführen sein. Diabetiker etwa können bei starker Unterzuckerung aggressiv werden.

… in manischen Phasen?

Es gibt auch Erkrankungen, bei denen der Antrieb gesteigert ist, etwa bei der bipolaren Störung. Phasen der Depression wechseln hier mit sogenannten manischen Phasen ab, in denen die Person überschwänglich, reizbar oder auch unruhig ist. Betroffene können sich überschätzen oder rücksichtslos verhalten.

Dass sie krank sind, sehen manische Personen nicht ein. „Der gesteigerte Antrieb ist für soziale Beziehungen oft noch schädlicher als eine Depression und oft auch zerstörerischer“, so Roth-Sackenheim. Mitunter geben Betroffene in Phasen der Manie große Geldsummen aus, gehen viele sexuelle Beziehungen ein oder nehmen Drogen. Menschen mit bipolarer Störung müssen dringend in psychiatrische Behandlung!

„Angehörige dürfen sich in manischen Phasen nicht provozieren lassen“, rät Krankenpflegerin Grund. Man solle Betroffenen zwar in Gesprächen die Gelegenheit zum Reden lassen, ihnen aber auch Grenzen aufzeigen.

Der Landesverband Bayern der Angehörigen psychisch Kranker empfiehlt, auch über eine Vorsorgevollmacht nachzudenken, da Betroffene in manischen Phasen durchaus geschäftsunfähig sein können. Auch eine Schweigepflichtsentbindung könne ratsam sein, um zum Beispiel bei Einweisung in eine Klinik Informationen über den Zustand des Erkrankten zu bekommen.

… wenn jeder Antrieb fehlt?

Antriebslosigkeit kann Anzeichen einer Depression sein. Betroffene ziehen sich zurück, bleiben lange im Bett liegen oder vernachlässigen ihre Körperhygiene. „Mit Äußerungen wie ‚Reiß dich zusammen‘ oder ‚Du stinkst‘ kommt man dem nicht bei“, sagt Roth-Sackenheim. Hier ist professionelle Hilfe gefragt. Betroffene brauchen in der Regel eine psychotherapeutische und medikamentöse Behandlung. Zu Letzterer gehören antriebssteigernde Antidepressiva, mit denen – darauf sollte man achten – zu Beginn das Suizidrisiko zunehmen kann.

Angehörige sollten den psychisch Erkrankten nicht zu sehr in eine hilflose Rolle drängen und ihn etwa versuchen zu waschen, so die Neurologin und Psychiaterin. „Das kann vielleicht noch sinnvoll sein, wenn die Person in einer so schweren depressiven Phase ist, dass sie wirklich nicht mehr aufstehen kann; aber das ist in der Regel nur vorübergehend.“

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Gabi Grund empfiehlt Angehörigen, den Betroffenen zu motivieren, ohne ihn dabei zu überfordern. Man könne nachfragen, was an Unterstützung gebraucht wird. Erfolge sollten wertgeschätzt, Vorwürfe, aber auch gut gemeinte Ratschläge („Ein Bad tut dir bestimmt gut“) vermieden werden.

„Die Symptome einer Depression sind morgens in der Regel am stärksten“, erklärt Krankenpflegerin Gabi Grund. Das könne man bei der Planung von Tätigkeiten berücksichtigen.

… bei Angst?

Angststörungen sind die häufigsten psychischen Erkrankungen. Es gibt verschiedene Formen. Eine davon ist die Panikstörung. Hier tritt die Angst plötzlich auf; entweder in einer beängstigenden Situation, etwa in einer großen Menschenmenge, oder aber scheinbar aus heiterem Himmel. Körperliche Symptome wie Herzrasen, Luftnot, Brustenge oder Schweißausbrüche begleiten die Attacke.

„Panikattacken fluten an, flauen dann aber auch wieder ab“, so Roth-Sackenheim. Die Betroffenen müssen versuchen, durch diese Situation zu kommen. Helfen können dabei Rituale: „Man kann als Angehöriger mit dem Betroffenen zusammen atmen: einatmen, bis vier zählen – ausatmen, bis vier zählen“, rät die Psychiaterin. Das gleichmäßige Atmen sollte der Patient außerhalb der Panikattacken üben.

Symbolbild Angst

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Leiden Menschen unter Phobien, also der Angst vor bestimmten Situationen oder Tieren, sollten Angehörige ein Vermeidungsverhalten nicht weiter unterstützen. „Bleiben Sie nicht zu Hause, wenn etwa Ihr Partner sagt, er könne nicht alleine bleiben, oder übernehmen Sie nicht alle Aufgaben, wenn die Person nicht aus dem Haus gehen will“, so Roth-Sackenheim.

Auch eine Depression kann oft mit Ängsten einhergehen. Angsterkrankungen sind meist gut medikamentös und psychotherapeutisch behandelbar. Dies können auch Angehörige als Argument nutzen, um Betroffene zu einer Therapie zu motivieren, rät Roth-Sackenheim.

… wenn sich jemand das Leben nehmen will?

Es gibt verschiedene Gründe, warum Menschen ihrem Leben ein Ende setzen wollen. Patienten mit schwerer Depression sind zum Beispiel oft davon überzeugt, wertlos zu sein und anderen zur Last zu fallen, erklärt Neurologin und Psychiaterin Christa Roth-Sackenheim. Auch andere psychische Leiden oder körperliche Erkrankungen wie chronischer Schmerz können das Suizidrisiko erhöhen.

Manchmal wird der Wunsch konkret ausgesprochen. Aber auch wenn Betroffene auf einmal Wertsachen verschenken, beginnen Schulden abzubezahlen oder sich zu verabschieden, sollte man wachsam sein. Wichtig ist es, Warnsignale ernst zu nehmen. Die Deutsche Gesellschaft für Suizidprävention rät dazu, die Suizidgedanken direkt anzusprechen, das entlaste Betroffene.

Daneben sollte man für den suizidgefährdeten Menschen da sein, ihn unterstützen, indem man ihm zum Beispiel anbietet, gemeinsam zum Arzt zu gehen. Zusätzliche Hilfe gibt es bei anonymen Telefon- und Onlineangeboten, den psychosozialen Krisendiensten oder in Kliniken. Bei akuter Gefahr Rettungsdienst oder Polizei verständigen!

… wenn jemand Stimmen hört?

Halluzinationen, also das Wahrnehmen von Bildern, Geräuschen oder Gerüchen, die eigentlich nicht da sind, und auch Wahnvorstellungen, zum Beispiel die feste Überzeugung, verfolgt oder abgehört zu werden, können Symptome einer Schizophrenie sein. Sie können aber auch körperliche Ursachen haben und bei hohem Fieber, Flüssigkeitsmangel, Vergiftungen oder Drogenmissbrauch auftreten – vor allem auch, wenn sie im höheren Lebensalter vorkommen. Wichtig ist die ärztliche Abklärung.

Nimmt der Betroffene aufgrund seiner psychischen Erkrankung zum Beispiel Stimmen wahr oder fühlt er sich verfolgt, sollte man zuhören und seine Sorgen wahrnehmen, aber nicht mit ihm diskutieren („Da ist doch gar nichts“) oder sogar die Wahnvorstellung in irgendeiner Weise bestätigen („Was können wir denn tun, damit du nicht abgehört wirst?“), so Gabi Grund.

Auch Roth-Sackenheim rät, Halluzinationen oder Wahnvorstellungen nicht zu ignorieren, sondern anzusprechen. Man könne etwa nachfragen, was die Stimmen sagen. Man sollte aber auch klarstellen, dass die Stimmen ein Krankheitssymptom sind und von anderen Menschen nicht wahrgenommen werden.

Wo finde ich Hilfe?

  • Beim Bundesverband der Angehörigen psychisch erkrankter Menschen (BAPK) und seinen Landesverbänden (www.bapk.de)
  • Bei der Depressionshilfe auf www.deutsche-depressionshilfe.de
  • Bei der TelefonSeelsorge®: Unterstützung telefonisch, online, per App („Krisenkompass“) und vor Ort. Weitere Informationen unter www.telefonseelsorge.de

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