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Kurz erklärt: Was ist eine bipolare Störung?

  • Die bipolare Störung ist eine psychische Erkrankung. Bis zu vier von hundert Menschen sind im Laufe ihres Lebens betroffen.
  • Hauptsymptom sind unkontrollierbare Stimmungsschwankungen: Betroffene erleben einerseits manische Episoden mit auffällig guter oder gereizter Stimmung und deutlich gesteigertem Antrieb - andererseits depressive Phasen mit tiefster Traurigkeit und verringertem Antrieb.
  • Um eine bipolare Störung zu therapieren, kommen Medikamente zum Einsatz, die akute Symptome dämpfen und weiteren Episoden vorbeugen. Psychotherapie ist eine wichtige Säule der Behandlung.
  • Bei früher Diagnostik und Therapie gelingt es meist, die Krankheit in den Griff zu bekommen.

Was sind Symptome und Warnzeichen einer bipolaren Störung?

„Unkontrollierbare Stimmungsschwankungen und eine Stimmungsinstabilität sind die klassischen Symptome“, erklärt Professorin Dr. Kneginja Richter, Professorin an der Technischen Hochschule Nürnberg. Mehr oder weniger stark ausgeprägt wechseln sich sogenannte manische mit depressiven Phasen ab, weshalb man früher auch von einem manisch-depressiven Krankheitsbild sprach.

Welche Symptome können auf eine manische Phase hindeuten?

  • Auffällig gehobene Stimmung, Euphorie, Gereiztheit
  • Unruhe, deutlich verstärkte Aktivität, verstärkter Antrieb
  • Konzentrationsstörungen, Ablenkbarkeit
  • verstärktes Mitteilungsbedürfnis
  • vermindertes Schlafbedürfnis
  • Gesteigertes Selbstbewusstsein, Selbstüberschätzung, Größenwahn
  • Distanzlosigkeit, Hemmungslosigkeit, Risikobereitschaft
  • gesteigertes sexuelles Interesse

Welche Symptome können auf eine depressive Phase hindeuten?

  • Niedergeschlagenheit, gedrückte Stimmung
  • Interesselosigkeit
  • verringerter Antrieb
  • Selbstzweifel, vermehrtes Grübeln, Selbsttötungsgedanken
  • Schlafstörungen, Appetitmangel

Die einzelnen Symptome sind nicht spezifisch und müssen auch nicht alle vorhanden sein. Sie können auch andere Ursachen haben. Depressive Beschwerden allein kommen zum Beispiel bei der unipolaren Depression vor.

Die manischen und depressiven Phasen bei einer bipolaren Störung können unbehandelt Wochen oder Monate andauern. Wechseln sich die Phasen besonders schnell ab – treten zum Beispiel mindestens vier Episoden innerhalb eines Jahres auf – sprechen Fachärztinnen und Fachärzte für Psychiatrie von „Rapid Cycling“. Die Episoden können sich sogar innerhalb eines Tages abwechseln. Auch Mischformen kommen vor.

Fachleute unterscheiden zwei Typen einer bipolaren Störung:

  • Bipolar-I-Störung: Weil die Symptome in manischen und depressiven Phasen stark ausgeprägt sind, ist dieser Typ leichter zu erkennen. „Vor allem in manischen Phasen verhalten sich Betroffene extrem auffällig“, so Richter. „Sie sind distanzlos, leicht reizbar und übermäßig aktiv.“ Sie schlafen wenig und vergessen sogar zu essen und zu trinken, weil sie alles Mögliche erledigen. „Zudem sind sie kritikunfähig und zeigen wenig Einsicht“, so die Nürnberger Psychiaterin. „Sie geben oft zu viel Geld aus, manche verschulden sich.“ In einer depressiven Phase passiere sozusagen das Gegenteil: „Die Menschen ziehen sich zurück, vernachlässigen Haushalt und Körperhygiene und sind tieftraurig.“
  • Bipolar-II-Störung: Bei dieser Form sind die manischen Phasen deutlich weniger ausgeprägt als bei Typ I. „Wir Psychiater sprechen von Hypomanie“, erklärt Richter. Dieser Typ sei nicht so einfach zu erkennen, „schließlich sind wir alle gern von Menschen mit sehr guter Laune umgeben“. Ob eine Störung vorliegt, entscheide daher vor allem der Leidensdruck, so die Psychiaterin: „Entweder leiden die Betroffenen selbst oder ihre Angehörigen.“

Wer an einer bipolaren Störung erkrankt sei, schlafe manchmal tagelang nicht, sagt Richter, die auch Chefärztin der CuraMed Tagesklinik Nürnberg ist. „Die Schlaflosigkeit verstärkt die Reizbarkeit noch.“ In depressiven Phasen seien sie Betroffene dagegen ständig übermüdet und bräuchten viel Schlaf. „Die bipolare Störung ist eine Störung der Extreme“, sagt die Ärztin.

Meist tritt die Erkrankung im Jugend- oder jungen Erwachsenenalter erstmals auf, „kann aber jederzeit im Leben ausbrechen“, so Richter. Die Krankheit betrifft beide Geschlechter, Typ II kommt bei Frauen etwas häufiger vor. Bei den meisten beginnt eine bipolare Störung mit einer depressiven Episode. Oft kündigt sich die Erkrankung mit ausgeprägten Schlafstörungen an: „Der Tag-Nacht-Rhythmus gerät oft schon vorher aus den Fugen“, so Richter.

Was sind die Ursachen?

Warum manche Menschen eine manisch-depressive Störung entwickeln, ist noch nicht vollständig geklärt. Wie bei vielen psychischen Erkrankungen seien die Gründe „bio-psycho-sozial“, so Psychiaterin Kneginja Richter. Das bedeutet, dass verschiedene Faktoren ursächlich sind: biologische wie eine gewisse genetische Veranlagung oder ein Ungleichgewicht der Botenstoffe im Gehirn, psychologische wie Belastungen oder Traumata in der Kindheit sowie soziale wie finanzielle Sorgen oder der Tod einer nahestehenden Person.

Entwickelt jemand eine bipolare Störung, liegen psychische Erkrankungen oft in der Familie. „Traten Depressionen oder Schizophrenie schon bei den Eltern oder Großeltern auf, vergrößert das für ihre Enkel und Kinder das Risiko einer bipolaren Störung“, erklärt Richter. Zudem seien Betroffene oft sehr sensibel und ließen Stress und die Herausforderungen des Lebens leicht an sich herankommen. „Missbrauch, Traumata oder emotionale Vernachlässigung in der Kindheit erhöhen das Risiko“, erklärt die Professorin.

Richter empfiehlt bei der Erstdiagnose allerdings immer eine Kernspin-Untersuchung des Schädels, um organische Ursachen für die Symptome wie eine Gehirnentzündung oder einen Tumor auszuschließen. Drogen, Alkohol, manche Medikamente, Stress und Schlafentzug triggern manische oder depressive Episoden.

Welcher Arzt / welche Ärztin stellt die Diagnose?

Wer den Verdacht hat, betroffen zu sein, sollte nicht zögern, ärztliche Hilfe in Anspruch zu nehmen. Manche Betroffene wenden sich zunächst an ihre Hausarztpraxis. Sie wird an eine Fachärztin oder einen Facharzt für Psychiatrie und Psychotherapie überweisen. „Da es oft schwierig ist, einen Termin zu bekommen, können sich Betroffene im Notfall auch an die psychiatrische Institutsambulanz einer Klinik wenden“, rät Professor Dr. Andreas Reif, Direktor der Klinik für Psychiatrie, Psychosomatik und Psychotherapie am Universitätsklinikum Frankfurt.

Bei einer bipolaren Störung ist das Suizidrisiko erhöht. Wenn Sie als Betroffener oder Angehöriger merken, dass die Situation kritisch wird, sollten Sie sich unbedingt Hilfe holen. Wenn Sie Ihre ärztliche Praxis nicht erreichen, können Sie zum Beispiel den ärztlichen Bereitschaftsdienst unter der Nummer 116 117 rufen. Er ist dafür da, Ihnen auch mitten in der Nacht zu helfen. Oder Sie wählen direkt den Notruf unter 112.

Zeichnung von zwei Figuren, die Rücken an Rücken stehen. Eine Figur ist dunkel, eine Figur ist hell.

Bipolare Störung

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Depressionen

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Eine manische Phase sei für Fachleute einfach zu diagnostizieren. „Eine depressive Phase unterscheidet sich jedoch oft nicht von einer normalen Depression“, so Reif, der seit mehr als zehn Jahren Vorstandsmitglied der Deutschen Gesellschaft für Bipolare Störungen ist. Vor allem die Hypomanie des bipolaren Typs II werde oft übersehen. „Da es keine Bluttests oder bildgebende Verfahren gibt, um eine bipolare Störung festzustellen, handelt es sich um eine klinische Diagnose“, so der Psychiater. Dennoch seien diese Untersuchungen wichtig, um andere Erkrankungen auszuschließen. Entscheidend sei zudem, „die Vorgeschichte mit dem Patienten und am besten auch Angehörigen gründlich zu erfassen.“

Wie kann man eine bipolare Störung behandeln?

Die Behandlung einer bipolaren Störung basiert auf drei Säulen: Medikamenten, Psychotherapie und Vorbeugung. „Je nach Phase behandeln wir zunächst die akuten Symptome“, so Reif. Zum Einsatz kommen verschiedene Stimmungsstabilisierer, Antidepressiva und Antipsychotika. Zudem helfen Psychotherapie und Wissensvermittlung (Psychoedukation) den Betroffenen, mit ihrer Erkrankung umzugehen und Trigger wie Schlafmangel auszumachen. „Das hilft, Rückfälle zu verhindern“, sagt Reif, der nach einer akuten Episode eine kognitive Verhaltenstherapie von 20 bis 40 Stunden empfiehlt. Welches Psychotherapieverfahren im individuellen Fall am besten passt, sollten Betroffene mit den behandelnden Fachleuten besprechen.

Um weitere manische oder depressive Episoden zu verhindern, haben sich ebenfalls Medikamente bewährt. „Der Goldstandard ist Lithium“, erklärt der Frankfurter Psychiater. Der Wirkstoff schaltet die Krankheit bei einem Drittel der Betroffenen komplett aus. Ein zweites Drittel benötigt zusätzlich weitere Medikamente. Ein Drittel der Betroffenen reagiere gar nicht auf Lithium. Doch auch bei ihnen könne man die Erkrankung in den Griff bekommen, so Reif: „Wir haben verschiedene Wirkstoffe zur Auswahl, die man durchprobieren und individuell auswählen muss.“ Meist sei eine dauerhafte Einnahme erforderlich.

Wenngleich viele Patientinnen und Patienten zwischen den manischen und depressiven Episoden völlig gesund sind: Eine bipolare Störung ist nicht heilbar und 10 bis 20 Prozent der Erkrankten müssen trotz Therapie mit dauerhaften Einschränkungen leben. Doch bei vielen, so Psychiater Reif, ließe sich die Krankheit gut kontrollieren, „mit Disziplin seitens der Patienten und ihrer Angehörigen“.

Bei einer bipolaren Störung gilt wie bei vielen gesundheitlichen Problemen: Je früher die Krankheit entdeckt und fachmedizinisch behandelt wird, desto besser ist die Prognose. Reif empfiehlt Betroffenen zudem eine „sichere Anlaufstelle, die sie ein- bis zweimal im Quartal aufsuchen, um den Verlauf überwachen zu lassen“. Eine kontinuierliche Betreuung sei wichtig, „um Patientinnen und Patienten zu Experten ihrer Krankheit zu machen“. Auch die gegenseitige Unterstützung in Selbsthilfegruppen kann hilfreich sein.

Wie sollten sich Angehörige verhalten?

Wie Betroffene selbst werden am besten auch Angehörige zu Experten der Erkrankung. „Sie sollten genauso Bescheid wissen über die bipolare Störung“, rät Psychiater Reif. „Es ist auch deshalb enorm wichtig, sie bei der Therapie mit ins Boot zu holen, weil sie Ängste, Sorgen und Konflikte hinter sich haben.“ Der Frankfurter Facharzt empfiehlt Angehörigen, sich eine Selbsthilfegruppe zu suchen. Entsprechende Seminare bietet auch die Deutsche Gesellschaft für Bipolare Störungen an.

Wichtiger Hinweis:

Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder -behandlung verwendet werden. Er kann eine ärztliche Beratung nicht ersetzen. Bitte haben Sie Verständnis, dass wir keine individuellen Fragen beantworten.

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Quellen: