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Goethe nannte sie „Glück ohne Ruh“. Rilke ein „Leuchten mit unerschöpflichem Öle“. Und Platon, der griechische Philosoph der Antike, etwas weniger romantisch „eine Geisteskrankheit“. Die Liebe ließ und lässt Dichter wie Denker nicht los. Und damit sind sie nicht allein.

Für die Liebe muss die Chemie stimmen

Die Mehrheit der Deutschen glaubt an die große Liebe. Sogar mehr als die Hälfte der Singles ist davon überzeugt, dass es den ­einen Menschen für sie gibt. Diese eine Person, mit der sie Glück und Freude ein Leben lang teilen können – und wollen. Doch damit es dazu kommt, reicht nicht ­allein der Wille oder ein attraktives Gegenüber. Die Chemie muss stimmen, wenn sich zwei Menschen finden sollen. Genauer gesagt: Die Botenstoffe müssen tanzen!

Zusammenspiel von Hormonen führt zur Liebe

Zu diesen Boten gehören die Hormone und Neurotransmitter. Wer dabei jetzt an Sex und deshalb an Testosteron und Östrogen denkt, liegt nicht ganz falsch. Sexualhor­mone sind unentbehrlich für die Entwicklung des Körpers und wichtig für die Lust in der Liebe. Aber Liebe ist mehr als Sex.

Sie ist Hochgefühl, Kribbeln, Leidenschaft, Vertrauen – und nicht nur sprichwörtlich auch eine Sucht. Unter den Botenstoffen, die all das bewerkstelligen, spielen Dopamin, Oxytocin und Serotonin eine zentrale Rolle. Dazu kommen Stresshormone wie Cortisol und Adrenalin. Manche Substanzen sind klein und kommen nur im Nervensystem vor. Dort vermitteln sie als Boten zwischen den Nervenzellen. Sie heißen Neurotransmitter. Und es gibt die Hormone, die an ­Organen im ganzen Körper wirken und zu denen natürlich auch Testosteron und ­Östrogen gehören.

Professor Andreas Bartels erforscht am Werner Reichardt Centrum für Integrative Neurowissenschaften der Uni Tübingen unter anderem, wie Gesichter Gefühle auslösen.

Professor Andreas Bartels erforscht am Werner Reichardt Centrum für Integrative Neurowissenschaften der Uni Tübingen unter anderem, wie Gesichter Gefühle auslösen.

Aber was machen diese Stoffe, wann ­machen sie es – und was ist ihre Wirkung jenseits der Gefühle? Zu Botenstoffen als Körperreglern wird seit Jahrzehnten geforscht. Es ist Menschen wie Professor ­Andreas Bartels zu verdanken, dass wir heute genauer wissen, wie Liebe und Chemie zusammenhängen. Der Neurowissenschaftler war einer der ersten, der am University College London in die Gehirne von Verliebten schaute – gemeinsam mit seinem Kollegen Samir Zeki. „Ich war wirklich erstaunt, wie klar die Ergebnisse waren, das hätte ich so nicht erwartet“, sagt ­Bartels, der mittlerweile an der Universität Tübingen forscht.

Oxytocin lässt das Herz Verliebter höher schlagen

Bartels und Zeki hatten Paare gebeten, sich für die Forschung in einen Magnetresonanztomographen zu legen. Die Auswahl der Teilnehmerteams erfolgte nach der ­Intensität der Liebe. Durchschnittlich zweieinhalb Jahre waren die Paare zum Zeitpunkt der Untersuchung zusammen.

Während ihre Gehirne durchleuchtet wurden, bekamen sie ein Foto der oder des Liebsten zu sehen. Das Bild reichte aus, um im ­Gehirn Areale zu aktivieren, die für die ­Produktion eines chemischen Wohlfühlcocktails zuständig sind. Zu den bekanntesten Zutaten dieses Cocktails gehört Oxytocin. Ein wahres Feuerwerk zündete in den betreffenden Gehirnregionen der Liebenden. Die Aktivierung ließ die Produktion von Botenstoffen in die Höhe schnellen. Da war sie also, eine Erklärung für die Hoch­gefühle, die Verliebte erleben.

Ob romantische Liebe oder die Liebe einer Mutter zu ihrem Kind: Die Biologie sorgt dafür, dass sich zwei Menschen aneinander binden

Biologie sorgt für Liebe, ob zu Partner oder Kind

Solche Empfindungen sind aber kein Privileg von Verliebten. Mütter, die Fotos ihrer Kleinkinder ansehen, zeigten in Bartels’ Versuchsanordnung die gleichen Reaktionen. Die neuronalen Netzwerke feuerten wie bei den Verliebten und stimulierten die Produktion von Oxytocin und einem weiteren Botenstoff, dem Vasopressin.

Für den Neurowissenschaftler der Beweis, einen generellen Bindungsmechanismus entdeckt zu haben: „Ob die romantische Liebe zum Partner oder die zum eigenen Kind – hier sorgt die Biologie dafür, dass sich zwei Individuen aneinander binden.“ Das mag fast nüchtern klingen, aber so meint Bartels das gar nicht. Liebe hält er immer noch für ­„etwas Magisches“.

Komplimente aktivieren Emotionszentrum im Gehirn

In Heidelberg ist Beate Ditzen, Professorin für medizinische Psychologie, den Zutaten dieser Magie auf der Spur. Besonders überzeugend findet sie Komplimente. Ihnen bescheinigt die Forscherin „einen ganz wunderbaren Effekt“. Die Erkenntnis basiert auf einer Studie, für die die Wissenschaft­lerin einen Fragenkatalog erarbeitete, der unterschiedliche Facetten des Beziehungslebens einer Partnerschaft umfasste – etwa Alltag, Freizeit, Finanzen, Sex. Die Paare wurden gebeten, sich zu überlegen, was sie einander zu all diesen Rubriken Positives sagen könnten.

Wie zuvor schon Andreas Bartels hat Beate Ditzen das Spiel der Botenstoffe mithilfe ­eines bildgebenden Verfahrens untersucht, der funktionellen Magnetresonanztomo­graphie (fMRI). Sie zeigt, welche Bereiche des Gehirns besonders gut durchblutet und deshalb auch besonders aktiv sind. Für die Kompliment-Studie wurden die Paare jeweils parallel untersucht, während eine Person der anderen Lob aussprach.

Professorin Beate Ditzen leitet das Institut für Medizinische Psychologie am Uniklinikum Heidelberg. Die Psychologin forscht intensiv zum Zusammenhang von Beziehungen, Hormonen und Gesundheit.

Professorin Beate Ditzen leitet das Institut für Medizinische Psychologie am Uniklinikum Heidelberg. Die Psychologin forscht intensiv zum Zusammenhang von Beziehungen, Hormonen und Gesundheit.

„Das Resultat war beeindruckend“, erinnert sich die Forscherin. Die lobenden Sätze ließen Teile des Gehirns leuchten, die zum limbischen System gehören – einem Zentrum für Emotionen. Interessanterweise war das nicht nur im Gehirn jener der Fall, die Komplimente erhielten, sondern genauso bei den Lobenden selbst. „Offenbar tut es nicht nur gut, Lob zu bekommen, sondern auch, es auszusprechen“, sagt Ditzen. Komplimente, vermutet die Professorin, könnten in allen sozialen Beziehungen positive Wirkungen entfalten. „Voraussetzung ist ­allerdings, dass sie nicht als Floskel daherkommen, sondern glaubwürdig sind.“

Dopamin, Serotonin und Oxytocin sorgen für Zufriedenheit

Auch ganz ohne Romantik lässt sich die körpereigene Apotheke des Glücks akti­vieren. Alles, was Begeisterung auslöst, setzt im Gehirn Regelkreisläufe in Gang, die nicht nur Hochgefühle bescheren, sondern auch Gesundheit. Für Abenteurer mag es die steinige Mountainbike-Tour sein, für Chormitglieder der große gemeinsame Auftritt, für Großeltern das Spiel mit den Enkeln – die Vorgänge im Körper ähneln sich.

Dopamin entsteht dabei schon in Erwartung der guten Gefühle; wenn das Erhoffte eintritt, kommen auch Serotonin und Oxytocin hinzu. Zusätzlich kann der Körper Cannabinoide und Endorphine bilden, schmerzstillende, teils beruhigende, teils euphorisierende Stoffe, die aus tiefer Zufriedenheit über das Erreichte entstehen. All diese verschiedenen Botenstoffe wirken in einem dynamischen, vernetzten System zusammen. Wie in einem Musikstück mit verschiedenen Instrumenten übernimmt ­jeder Stoff seinen Part.

Liebe fördert die Gesundheit und wirkt gegen Stress

Das Schöne an der Liebe ist: Sie fördert ­Lebenslust und Freude. Und sie hat ein Geschenk im Gepäck: Gesundheit. Denn die neurobiologischen Mechanismen, die sie in Gang setzt, wirken sich positiv auf das körperliche und psychische Wohlbefinden aus. Daran hat auch ein weiterer Botenstoff ­Anteil: Stickstoffmonoxid, eine kleine chemische Verbindung, die Gefäße weitet, den Blutdruck senkt, das Herz-Kreislauf-System entlastet, überreizte Nerven beruhigt und im ganzen Körper für Entspannung sorgt.

Es tut nicht nur gut, Lob zu bekommen. Es ist auch beglückend, anderen Komplimente zu machen

Positive Gefühle sind deshalb schon für sich genommen ein Mechanismus, mit dem wir Stress abbauen und wieder in Balance kommen. Emotionales Wohlergehen, das beobachteten Expertinnen und Experten wiederholt, geht mit einem geringeren Ri­siko für kardiovaskuläre Erkrankungen einher. Die Schlafqualität verbessert sich, die Stresshormone sinken und die Chance auf ein längeres Leben wächst.

Forschung setzt Oxytocin in Medikamenten ein

Das Wissen um den gesundheitlichen Nutzen der Wohlfühl-Chemikalien machen sich auch die pharmazeutische Industrie und die Medizin zunutze. Die meisten modernen Antidepressiva ­zielen darauf ab, die Konzentration des ­Botenstoffs Serotonin an den Kontakt­-stellen der Nervenzellen im Gehirn wieder anzuheben. Zur Kreislaufstabilisierung werden Medikamente eingesetzt, die den Dopaminspiegel erhöhen.

Oxytocin wird genutzt, um Wehen einzuleiten oder zu verstärken. Inzwischen versucht die Forschung allerdings, mit dem Bindungshormon noch deutlich mehr anzufangen. Psychische Leiden, die von sozialen Defiziten geprägt sind, stehen dabei im Mittelpunkt: Menschen mit Autismus, Borderline-Persönlichkeits­störung und Schizophrenie soll das Kuschelhormon helfen, mit anderen mit­zufühlen oder angstfrei Kontakte zu knüpfen.

Appliziert werden kann Oxytocin dabei als Nasenspray. Dutzende Studien haben aber vor allem nahegelegt, dass es schwierig werden dürfte, das fein abgestimmte ­Zusammenspiel des Hormons mit anderen Botenstoffen durch die tägliche Gabe eines Sprühstoßes in die Nase nachzuahmen. ­

Erste kleinere Untersuchungen mit solchen Oxytocin-Gaben zeigten zwar, dass etwa Menschen mit Autismus profitieren und ­sozial besser mit anderen in Austausch ­treten könnten. Längst haben große Studien diese Hoffnung jedoch enttäuscht. So konnte eine öffentlich finanzierte Untersuchung an fast 280 Kindern mit Autismus keinen Unterschied in der Wirkung von Oxytocin und einem Scheinmedikament feststellen. Dennoch wird das Hormon als Medikament im sogenannten Off-Label-Use nach wie vor für die Behandlung von Autismus ein­gesetzt.

Oxytocin kann negative Auswirkungen haben

Bereits vor mehr als zehn Jahren gab es die ersten Bedenken, dass die Wirkung von Oxytocin womöglich zu einseitig betrachtet wird – nämlich durchweg positiv. Was aber, wenn das Kuschelhormon auch eine dunkle Seite besitzt?

Psychologische Tests an gesunden Männern wiesen darauf hin, dass Oxytocin zwar die Bindung zur eigenen sozialen Gruppe verstärkt. Das ist die „prosoziale“ Seite. Gleichzeitig, und das kam dann doch un­erwartet, erhöht das Hormon aber die Bereitschaft, Außenstehende zurückzuweisen oder ihnen aggressiv zu begegnen. Und auch als Medikament zeigte sich das Hormon überraschend zweischneidig: Bei ­Menschen mit einer Borderline-Persönlichkeitsstörung ergab eine Untersuchung, dass das Hormon anstelle von sozialer ­Annäherung das Gegenteil auslösen kann: Die Verlustängste der Betroffenen verstärkten sich sogar noch.

Alles was Spaß macht, erzeugt Glückshormone

Obgleich das Kuschelhormon in der Forschung auch von Professorin Ditzen weiter untersucht wird: Für den Selbstversuch ist es keineswegs geeignet, nicht umsonst ist es rezeptpflichtig. Für Gesunde sei es ohnehin einfacher, auf ganz natürliche Weise in den Genuss des Wohlfühlstoffs zu kommen, sagt Ditzen. Ob allein oder gemeinsam, in Partnerschaft oder Freundschaft, schon ­eine schöne Unternehmung, die Spaß macht, kann die Bildung nicht nur des Kusche­lhormons, sondern auch all der anderen Wohlfühlhormone anregen. Denn sie entstehen immer dann, wenn wir uns gut fühlen, Freude oder Überraschungen er­leben.

Kurzum: Alles, was Spaß macht, erzeugt auch Glückshormone – siehe Infokasten unten. Das Level wie bei schwer Verliebten werden sie vielleicht nicht erreichen. Doch je fantasievoller und überraschender die Ideen sind, umso größer die Chance auf ­gute Gefühle.

Was gute Gefühle macht - und gesund ist

Hund & Katz: Weiches Fell, treuer Blick – der Mensch liebt seine Tiere. Die Basis für diese Liebe bildet der gleiche Stoff, der Mütter und Babys zusammenhält. An Hunden konnte gezeigt werden, dass schon der Anblick, aber auch Berührungen und Streicheln bei den Besitzerinnen und Besitzern die Produktion von Oxytocin ankurbeln. Vergleichbares gilt vermutlich für Katzen und andere Haustiere. Der Stress lässt nach, der Blutdruck sinkt; und wer fleißig Gassi mit dem Vierbeiner geht, tut sowieso etwas für die Gesundheit.

Meditation: Ob Achtsamkeit, Body Scan oder klassische Meditation: Mentales Training kann Stress nachhaltig reduzieren. Haaranalysen belegen, dass das Level des Stresshormons Cortisol durch regelmäßige Übungen dauerhaft sinkt. Man fühlt sich wohler und ausgeglichener. Mit dem Stress sinkt das Risiko für Depressionen, Herz-Kreislauf-Erkrankungen und Diabetes.

Kochen: Man kann es gemeinsam tun oder sich selbst etwas gönnen. Ein mit Freude gekochtes Essen ist generell beglückend. Kocht man mit Hühnchen, Soja, Avocado oder anderen Tryptophan-haltigen Lebensmitteln, liefert man seinem Körper den Grundstoff für das Glückshormon Serotonin gleich mit. Fett, Zucker und Stärke treiben den Serotoninspiegel hoch. Aber Achtung: So viel Genuss ist nur in Maßen gesund.

Draußen arbeiten: Manchmal reicht es, das Staudenbeet vom Unkraut zu befreien. An anderen Tagen ist es der Bau eines Gartenhäuschens oder das Bäumefällen. Im Freien zu arbeiten ist befriedigend und manchmal sogar aufregend. Es bringt den Kreislauf in Schwung und die Seele ins Gleichgewicht.

Inspiration für solche Erlebnisse findet man nicht zuletzt in der Forschung. Die Psychologin Beate Ditzen empfiehlt zum Beispiel einen Blick auf das Hänge­brücken-Experiment von 1974. Darin zeigten die amerikanischen Psychologen Donald ­Dutton und Art Aron anhand eines Expe­riments auf zwei Fußgängerbrücken über dem Capilano Canyon in North Vancouver, Kanada, dass gemeinsam erlebter Nervenkitzel die Anziehungskraft des Gegenübers stärkt.

Auf einer ­wackeligen Hängebrücke, die in 70 Metern Höhe über Felsbrocken im Sturm schwankte, wurde eine Frau viel ­attraktiver wahr­genommen als auf einer langweiligen, ­stabilen Brücke in niedriger Höhe. „Wer um jemanden werben will, könnte sich zu einer gemeinsamen Kletterpartie aufmachen“, sagt Beate Ditzen und lacht. Die Kombination aus Adrenalin und gemeinsamem Spaß könnte das besondere Extra schaffen.

Blickkontakt sorgt für Gefühl der Liebe

Es geht aber auch etwas weniger waghalsig. „Das ­effektivste Mittel, um ein Gefühl von Liebe auszulösen, ist Blickkontakt“, sagt Professo­rin Judith Mangelsdorf von der Deutschen Hochschule für Gesundheit und Sport in Berlin. Dieser Effekt des Blick­kontakts sei nicht allein für verliebte Paare spürbar. „Lie­be ist der kurze Moment der Ver­bun­denheit, den wir mit jedem Menschen spüren können, selbst wenn er uns eigentlich fremd ist“, so die Expertin für ­Positive Psychologie. Jede Begegnung sei dafür geeignet – ob mit Freunden, Kollegen oder der Kassiererin im Supermarkt.

Während man sich ansieht, entsteht ein besonderes Gefühl von Verbunden­heit. „Es ist ein faszinierender Mechanismus“, sagt Mangelsdorf. Die Botenstoffe im Kopf schaffen für einen Augenblick eine Syner­gie. Dann ist es egal, ob Romantik im Spiel ist oder nur der kurze Moment ­einer Gemeinsamkeit. „Das Glück der Liebe ruht immer im Wir.“

Die Moleküle der Gefühle

Sie durchströmen den Körper oder wirken im Gehirn: die Boten von Liebe und Freude im Porträt:

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Quellen:

  • A. Bartels, S. Zeki: The neural Basis of romantic Love, Originalstudie. In: NeuroReport 27.11.2000, 11-17: 3928-34
  • M.Eckstein, G. Stößel, ....B. Ditzen: Neural responses to instructed positive couple interaction: an fMRI study on compliment sharing, Originalstudie. In: Social Cognitive and Affective Neuroscience 01.01.2023, 18-1: 1-9