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Manchmal reißt einen ein heftiger Schmerz aus dem Schlaf. Ein Krampf durchzuckt die Wade. Plötzlich und ohne es zu wollen, spannen sich die Muskeln an. Das kann wenige Sekunden, aber auch einige Minuten dauern – und extrem schmerzhaft sein. Ob im Schlaf oder beim Sport – fast jede und jeder hat es schon erlebt.

Muskelkrämpfe können viele Ursachen haben

Umso überraschender, dass sich der genaue Grund dafür nicht immer ausmachen lässt. „Es gibt extrem viele unterschiedliche Ursachen“, sagt Dr. Josef Tomasits vom Institut für Medizinische und Chemische Labordiagnostik am Universitätsklinikum Linz. Bei älteren Menschen liege es häufig an der Durchblutung: „Wenn die Gefäße verengt sind, gelangt unter Umständen nicht genügend Blut in den Muskel.“ Es kann dort zu einem Sauerstoffmangel kommen, das macht einen Krampf wahrscheinlicher. Auch Störungen im Salz-Wasser-Haushalt, Muskelerkrankungen und manche Medikamente, etwa Diuretika gegen Bluthochdruck, Statine gegen erhöhte Cholesterinwerte oder Abführmittel können zum Beispiel Krämpfe begünstigen.

Personen, die häufig Krämpfe haben, rät Tomasits daher, zum Hausarzt oder -ärztin zu gehen, sich beraten und gegebenenfalls zu einem Spezialisten oder einer Spezialistin überweisen zu lassen. Denn Krämpfe können auch ein Anzeichen für zugrundeliegende Nerven- oder Herz-Kreislauf-Erkrankungen sein. Unbehandelt kann eine Verkalkung der Gefäße (Arteriosklerose) beispielsweise zu einem Herzinfarkt oder einem Schlaganfall führen.

Magnesium bei Krämpfen?

Die meisten Menschen dehnen bei einem Krampf instinktiv die betroffene Muskelpartie. In der Regel hilft das, den Krampf zu unterbrechen. „Nimm Magnesium“ lautet ein anderer, häufiger Ratschlag. Es kann eventuell einen Versuch wert sein. Allerdings wirken solche Präparate vermutlich nur, wenn tatsächlich ein Magnesiummangel vorliegt. Mit einer ausgewogenen Ernährung lässt sich dem in der Regel gut vorbeugen. Besprechen Sie sich also besser mit Ihrem Hausarzt oder Ihrer Hausärztin, statt einfach zu einem Magnesium-Präparat zu greifen. Denn diese können auch Nebenwirkungen, zum Beispiel Durchfall, haben. Wer Medikamente schluckt oder bekannte Erkrankungen hat, sollte sich vor der Einnahme von Magnesium zumindest in der Apotheke beraten lassen. Es gibt Gründe, die gegen die Anwendung sprechen können, auch Wechselwirkungen sind möglich!

Michael Behringer, Professor für Sportmedizin und Leistungsphysiologie an der Goethe-Universität Frankfurt am Main meint: „Es gibt momentan so gut wie keine Evidenz dafür, dass Magnesium bei Muskelkrämpfen hilft. Trotzdem ist das fest in unseren Köpfen verankert – es ist ganz schwer rauszubekommen."

Wichtig: Ausreichend trinken

Richtig ist aber: Über den Schweiß verlieren wir Wasser und Mineralstoffe wie Natrium, Magnesium oder Kalium. Diese sind wichtig, damit die Weiterleitung von Impulsen vom Gehirn an den Muskel richtig funktioniert. Achten Sie also darauf, genügend zu trinken, am besten kalorienarme Getränke wie Mineralwasser oder eine Saftschorle.

Für die Theorie eines Flüssigkeits- oder Elektrolytmangels könnte die Studie eines irischen Forschers sprechen: Er schaute sich an, zu welcher Jahreszeit die Menschen im Internet am häufigsten nach dem Stichwort „Krämpfe“ suchen. Dabei kam heraus: im Sommer. Der Trend bestätigte sich auf der Südhalbkugel. Wenn bei uns Winter ist, ist in Australien Sommer – und die Menschen dort haben offenbar häufiger Krämpfe. Nicht selten mussten zum Beispiel schon Tennisprofis an heißen Tagen vom Platz gehen, weil sie vor lauter Krämpfen nicht mehr spielen konnten.

Gurkenwasser gegen Muskelkrämpfe?

Um einen Krampf zu stoppen, schwören manche Athletinnen und Athleten auf Gurkenwasser: jene salzige und essighaltige Flüssigkeit, in der Gurken eingelegt sind. Laut einer kleinen US-amerikanischen Studie könnte da etwas daran sein. Das Gebräu verkürzte die Krampfdauer bei Männern mit Flüssigkeitsmangel. Da die Wirkung nahezu sofort einsetzte, sei sie nicht dadurch erklärbar, dass Flüssigkeit oder Elektrolyte aufgefüllt werden, folgern die Autoren. Stattdessen müsse es etwas mit den Nerven zu tun haben.

Dieser Ansicht ist auch Michael Behringer. „Vermutlich stimuliert die Essigsäure bestimmte Rezeptoren im Mund-Rachenraum“, sagt er. Dieses Signal unterbricht offenbar den Krampf. Wie das im Detail funktioniert, ist noch nicht klar.

Beim Krampf kommt es zu einer Dauererregung

Die Entstehung eines Krampfs erklärt Behringer folgendermaßen: Die Nervenzellen im Rückenmark erhalten sowohl hemmende als auch aktivierende Signale. Bei einem Krampf geraten sie aus dem Gleichgewicht. Es kommt quasi zu einer Dauerregung. Das geschieht leichter, wenn der Muskel müde ist – etwa bei einem intensiven Training. Auch ein Flüssigkeits- oder Elektrolytmangel könnte insbesondere bei hohen Außentemperaturen dazu beitragen. Hier führen die unterschiedlichen Theorien also doch wieder zusammen.

Können Stromimpulse Muskelkrämpfe verhindern?

Sagt das Gehirn dem Muskel: Spann dich an, sendet es im Grunde nichts anderes als elektrische Impulse. Setzt man solche von außen, kann man absichtlich einen Krampf auslösen. Laut Behringer gibt es hierfür eine minimale Frequenz, eine „Krampfschwelle“, wie er es nennt. In einer Studie, bei der sein Team die Elektrostimulation bei Testpersonen (eigentlich mit einem anderen Ziel) anwandte, stellte es Überraschendes fest: Die übliche Frequenz reichte nicht mehr, um einen Krampf auszulösen. „Offenbar haben wir ihre Krampfschwelle erhöht.“

Inzwischen konnte sein Team in mehreren kleinen Studien Hinweise sammeln, dass ein Training mit elektrischen Impulsen Menschen helfen könnte, die häufig unter Krämpfen leiden: War ihre Krampfschwelle höher, krampften ihre Muskeln viel seltener. Die Methode muss aber noch weiter untersucht werden.

In schweren Fällen und wenn die Ursache der Krämpfe nicht behandelbar ist, kann der Arzt oder die Ärztin Chininsulfat verordnen. Dessen Wirksamkeit ist belegt, aber aufgrund der schweren Nebenwirkungen, die es auslösen kann, kommt das Medikament nur sehr vorsichtig und unter genauer Beachtung von möglichen Wechselwirkungen und Gegenanzeigen zum Einsatz.

Animation: Wie zieht sich ein Muskel im Normalfall zusammen?

Waden-muskel Isolier-schicht Nerv Rücken-mark Reiz Gehirn Nerv Synapse (Endstück des Nervs)

1. Gehirn sendet Reiz; dieser wird von Nerven weitergeleitet (Muskel noch entspannt)

2. Reiz errreicht Nervenende und geht auf Muskel über (Muskel zieht sich zusammen)

3. Reiz klingt wieder ab (Muskel entspannt wieder)

Fazit:

Ein gutes Mittel, um Krämpfe zu verhindern, gibt es leider noch nicht. Sinnvoll ist es aber, darauf zu achten, dass man genügend Flüssigkeit zu sich nimmt. Die gute Nachricht: So schnell wie er kommt, ist der Krampf meist vorbei. Dehnen kann helfen, den Krampf zu unterbrechen, viele empfehlen es auch vorbeugend. Ob Personen, die oft Dehnübungen machen, seltener Krämpfe bekommen, ist allerdings auch noch nicht endgültig geklärt.

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