Was hilft gegen Flugangst?
Angst vorm Fliegen ist weitverbreitet und breit gefächert. Während manche Menschen entspannt in den Urlaub fliegen, wird für andere die Reise in der Luft zur Qual. "Nach Umfragen betritt jeder dritte Passagier ein Flugzeug mit einem unguten Gefühl. 15 Prozent klagen sogar über deutliche Angst vorm Fliegen", erzählt Oberarzt Dr. Thomas Schulz vom Martin-Luther-Krankenhaus in Berlin.
"Betroffen sein kann jeder, aber statistisch sind es die 20- bis 50-jähigen, die auch am häufigsten per Flieger unterwegs sind", sagt der Internist, der selbst begeisterter Hobbypilot ist.
Angst vor dem Ausgeliefertsein
In einer Umfrage des Deutschen Flugangstzentrums gaben die Befragten überwiegend die Angst vor dem Ausgeliefertsein, vor einem Absturz sowie vor Turbulenzen an. "Angst ist ein Informationsdefizit. Es ist die Ungewissheit dessen, was passieren könnte", erklärt Schulz.
Flugangst entsteht, auch wenn wir uns ganz einfach ausrechnen können, dass der Passagierflieger das sicherste Verkehrsmittel ist. Fast 80 Prozent gaben in der Umfrage an, dass ihre Angst übertrieben und unangebracht ist. "Die Flugangst fragt also nicht nach logischen Argumenten", fügt Schulz hinzu.
"Auslöser war vielleicht ein als ungut empfundenes Erlebnis bei Start oder Landung, vielleicht ein Film, die Angst von Eltern, die sich auf Kinder überträgt oder auch die Angst vor Höhe, Enge, Kontrollverlust und ähnlichem", erklärt der Internist. Bei anderen sind es Wissenslücken oder Fehlinformationen bezüglich Technik, Flugzeugwartung und Pilotenausbildung, die Katastrophenfantasien schüren.
Flugangst – eine Form der Phobie
Die Angst vorm Fliegen ist also keine klassische Phobie, wie zum Beispiel die Angst vor Spinnen, die sich nur auf ein Objekt bezieht, sondern ist aus verschiedenen Ängsten zusammengesetzt. Ärzte sprechen daher bei der Flugangst von einer spezifischen, situationsbezogen Phobie. (Mehr zu Ursachen und weiteren Formen der Phobie lesen Sie in unserem Ratgeber Phobie).
"Ursachenforschung ist nicht immer ganz einfach, da viele innere Konflikte und Ängste eher unbewusst gesteuert werden, zumal auch Menschen betroffen sind, die erstmals fliegen oder auch noch nie geflogen sind", erklärt der Notfallmediziner.
Stresssymptome in der Luft
Die Symptome sind abhängig von der Stärke der Flugangst. Laut Schulz kann sie in besonders ausgeprägten Formen schon Wochen und Tage vor Abflug beginnen. Sie äußert sich oft in Schlaflosigkeit, Albträumen und allgemeinem Stressempfinden. Die Angst versetzt den Körper in einen Erregungszustand. "Nahezu alle Menschen mit Flugangst haben körperliche Symptome wie Schweißausbrüche, Übelkeit, Herzrasen, flache Atmung, Schwindel, Kopfschmerzen, Magen- und Darmkrämpfe", erklärt Schulz. "Das kann sich bis zum Zusammenbruch oder Panikattacken steigern."
Wichtig: Hinter den genannten Symptomen stecken manchmal auch andere Ursachen. Wer sich die Beschwerden also nicht eindeutig durch die Angst vorm Fliegen erklären kann, sollte sich vorsichtshalber vom Arzt untersuchen lassen. Das gilt besonders bei Vorerkrankungen oder dann, wenn die Symptome sehr ausgeprägt sind – oder wenn sie auch in ganz anderen Situationen auftreten.
Mittel gegen die Angst
Viele Aviophobiker vermeiden es zu fliegen. "Zum Problem wird es vor allem dann, wenn das private oder berufliche Leben extrem eingeschränkt wird", sagt Schulz.
"Wer Flugangst hat, sollte nicht unvorbereitet einen Flug antreten", rät der Experte. Bequeme Kleidung, rechtzeitiges Erscheinen am Terminal, die Lieblingsmusik im Kopfhörer und der richtige Platz im Flugzeug helfen, sich zu entspannen. An den Sitzplätzen über den Tragflächen sind die Bewegungen des Flugzeugs am geringsten zu spüren. Plätze am Gang geben zumindest unbewusst das Gefühl nicht so eingesperrt zu sein.
Das wichtigste Mittel gegen die Angst ist aber Wissen: Informieren Sie sich vor dem Flug über die Sicherheit von Flugreisen und die Routine an Bord. "Wer als Passagier weiß, dass Sicherheit beim Fliegen an erster Stelle steht, wie gut ausgebildet das Personal ist und welche Checks Maschinen unterzogen werden, hat schon einen großen Vorteil", sagt der Hobbypilot und Arzt.
Schulz gibt noch zu bedenken, dass Alkohol und Tabletten keine empfehlenswerte Lösung sind. Statt sich der Angst zu stellen und sie so zu reduzieren, wird sie nur betäubt und eventuell noch größer.
Wer sehr stark unter Angstsymptomen leidet, sollte sich nicht scheuen, seinen Arzt um Rat zu fragen – insbesondere dann, wenn er bemerkt, dass sich die Angst auf andere Lebenssituationen auszubreiten droht, also zum Beispiel auch auf Zug- oder Autofahrten. Der Arzt kann klären, ob womöglich eine behandlungsbedürftige Angststörung oder eine psychische Krankheit vorliegt. Ist das nicht der Fall, können Betroffene trotzdem aktiv gegen ihre Flugangst vorgehen.
Konfrontation
"Es gibt unterschiedliche Therapieformen", erzählt der Internist. Bei den meisten geht es darum, die Entstehung von Angst zu verhindern, im Ansatz schon auszublenden oder aktiv zu bewältigen. Therapeuten lehren dem Betroffenen Entspannungsmethoden und Bewältigungsstrategien. "Bewährt haben sich auch Konfrontationstherapien in einem Flugsimulator", sagt Schulz. Wer das oft genug macht, kann lernen, seine Angst Stück für Stück zu bewältigen um irgendwann deutlich entspannter ein Flugzeug zu besteigen.
Weiterhin bieten viele Fluggesellschaften professionelle Flugangstseminare an, die meist einen Teil zum technischen Hintergrund des Fliegens und einen psychologischen Teil zu Erklärung der Angstmechanismen enthalten. Am Ende des Kurses kann auch ein begleiteter Flug mit einem Therapeuten durchgeführt werden. Schulz empfiehlt nach überwundener Flugangst dann auch regelmäßig zu fliegen: "So bleibt man im Training."
Wichtiger Hinweis: Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder –behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen. Die Beantwortung individueller Fragen durch unsere Experten ist leider nicht möglich.