Nierenzellkrebs
Was ist Nierenzellkrebs?
Das Nierenzellkarzinom ist mit fast 90 Prozent die häufigste bösartige Tumorerkrankung der Niere. Zehn Prozent der bösartigen Erkrankungen der Niere sind hingegen Urothelkarzinome – das heißt, sie gehen nicht von der Niere selbst, sondern von den Schleimhäuten des Urin-Sammelsystems aus. Nierenzellkarzinome stellen etwa drei Prozent, gemessen an der Gesamtheit aller Krebsfälle. Dabei sind Männer etwa doppelt so häufig wie Frauen von Nierenkrebs betroffen.
In Deutschland erkranken jährlich etwa 6.000 Frauen und 10.000 Männer neu an einem Nierenzellkrebs. Meist wird der Krebs im Alter zwischen 60 und 70 Jahren entdeckt. In 96,5 Prozent ist nur eine Niere tumorartig verändert. Unterteilt wird das Nierenzellkarzinom noch in weitere Unterarten wobei das klarzellige Nierenzellkarzinom mit etwa 75 Prozent die häufigste Variante ist. Gefolgt wird es vom papillären und chromophoben Karzinom.
Wird Nierenzellkrebs früh genug behandelt, ist seine Prognose sehr gut und eine Heilung möglich.
Nierenzellkarzinome gehen meist von den Zellen der Nierenkanälchen oder -tubuli aus. In diesem System von vielen Tausenden von kleinsten Schläuchen wird der im Nierenkörperchen gefilterte Urin erst durch Resorption und Sekretion von chemischen Stoffen in seiner Zusammensetzung geändert und später konzentriert. Bei Nierenzellkrebs verlieren einige Nierenzellen ihre ursprüngliche Funktion. Sie teilen sich unkontrolliert und es bildet sich eine Geschwulst (Tumor) aus. Lösen sich Krebszellen aus dem Tumor, können sie über das Gewebswasser (Lymphe) oder das Blut in andere Organe streuen (Metastasen).
Ursachen und Risikofaktoren
Die Ursachen für Nierenzellkrebs sind noch nicht genau erforscht. Wie bei fast allen Krebsarten spielen mehrere Faktoren bei der Entstehung des Tumors eine Rolle. Rauchen, Übergewicht (Adipositas), nicht ausreichend behandelter Bluthochdruck und zunehmendes Alter scheinen Nierenzellkrebs zu begünstigen.
Zudem können petrochemische Substanzen und Lösemittel zur Reinigung von Blechen (Toluole) berufsbedingte Auslöser der Nierenzellkarzinome sein. Außerdem können Umwelteinflüsse wie Gifte und Schadstoffe (Arsen, Asbest, Blei, Cadmium, Teer) Krebs auslösen. Bei Verdacht auf Nierenkrebs als Berufskrankheit sollte unbedingt die Berufsgenossenschaft informiert werden.
Bei Schmerzmittelmissbrauch, chronischer Nierenschwäche, familiärer Veranlagung und seltenen Erbkrankheiten wie zum Beispiel von Hippel-Lindau-Krankheit, Birt-Hogg-Dubé-Syndrom, familiäres papilläres Nierenzellkarnzinom (HPRCC) oder tuberöse Sklerose tritt Nierenkrebs ebenfalls häufiger als gewöhnlich auf.
Symptome bei Nierenzellkrebs
Nierenzellkrebs verursacht sehr lange keine Beschwerden. Daher können Nierentumore sehr groß werden ohne dass Schmerzen oder andere Probleme auf sie hinweisen. In den meisten Fällen entdecken Ärzte Nierenkrebs zufällig bei einer Routineuntersuchung. Ist der Tumor allerdings weit fortgeschritten, können folgende Symptome auftreten:
- Schmerzen in der Flanke
- eine tastbare Geschwulst
- Blut im Urin
- Koliken
- Blutarmut
- Fieber
- Gewichtsverlust
Liegen Tochtergeschwülste (Metastasen) vor, können je nach befallenem Körperorgan und Größe der Metastase zusätzliche Symptome auftreten. So verursachen Knochenmetastasen häufig sehr starke Schmerzen, während bei Hirnmetastasen Kopfschmerzen, Übelkeit und Erbrechen auftreten können.
Zudem können Nierenzellkarzinome unspezifische Veränderungen fast aller Blutwerte verursachen, ohne dass es einen spezifischen Tumormarker geben würde.
Diagnose
Typische Symptome, die in einem frühen Stadium auf Nierenzellkrebs hinweisen gibt es leider praktisch nicht. Nierenzellkrebs lässt sich mit bildgebenden Verfahren nachweisen. Das sind Untersuchungen die Bilder vom Körperinneren erzeugen. Glücklicherweise führt die Zunahme von bildgebenden Untersuchungsmethoden, wie Ultraschalluntersuchungen zu einer Entdeckung von Nierenkarzinomen in frühen Stadien, in denen noch eine vollständige Heilung möglich ist. Etwa 50 bis 70 Prozent der diagnostizierten Nierenzellkarzinome sind solche Zufallsbefunde.
Die Verdachtsdiagnose wird meistens im Rahmen einer Ultraschalluntersuchung gestellt. Dabei fallen Unregelmäßigkeiten im Nierengewebe auf und die gewöhnlich glatte Nierenkontur erscheint verändert. Auch ist die betroffene Niere teilweise schon vergrößert. Mit der Ultraschalluntersuchung können bereits kleine Geschwulste erkannt werden, die noch keine Symptome hervorrufen.
An die Ultraschalluntersuchung schließt sich eine Computertomografie mit Kontrastmittelgabe an. Manchmal wird statt der Computertomografie eine Kernspintomografie durchgeführt. Nur in Ausnahmefällen, etwa wenn nicht feststeht, ob es sich um einen Nierentumor oder um eine Tochtergeschwulst einer anderen Krebsart handelt, entnimmt der Arzt eine Gewebeprobe (Biopsie).
Im Wesentlichen wird das lokalisierte vom fortgeschrittenen Nierenzellkarzinom unterschieden. Bei lokalisierten Nierenzellkarzinomen ist der Tumor auf die Niere beschränkt und kann, wenn auch mit erhöhtem Aufwand, meist nierenerhaltend operiert werden. Nur in Ausnahmefällen muss die ganze Niere entfernt werden. Dies kann dann eventuell minimal-invasiv erfolgen (siehe Kapitel Therapie).
In fortgeschrittenen Tumorstadien sind entweder bereits Metastasen entstanden (Lymphknoten, Lunge, Leber, etc.) oder der Nierentumor ist in die Gefäße (Nierenvene, große Hohlvene) oder Nachbarorgane eingewachsen. Meist kann der Nierentumor dann aber immer noch mittels einer deutlich aufwändigeren und schwierigen Operation entfernt werden. Dies geschieht am besten in spezialisierten Zentren.
Therapie des Nierenzellkarzinoms
Je früher der Nierenzellkrebs erkannt wird, desto wahrscheinlicher ist eine Heilung durch die Behandlung. Die Therapie des Nierenzellkarzinoms hängt neben dem allgemeinen Gesundheitszustand vor allem davon ab, wie weit sich der Tumor im Körper ausgebreitet hat. Das Ausmaß und das Stadium der Krebserkrankung werden durch bildgebende Verfahren wie die Computertomographie des Brust- und Bauchraumes (Staginguntersuchung) erfasst.
Welche Prognose eine bestimmte Art von Nierenzellkrebs hat, hängt von seinem Stadium ab. Für die Stadien-Einteilung von Nierenzellkrebs wird geprüft, wie groß der Tumor ist. Weiterhin spielt eine Rolle, ob sich die Geschwulst allein auf Nierengewebe beschränkt oder bereits über die Niere hinaus gewachsen ist. Wichtig für die Prognose ist der Befall der Lymphknoten oder von anderen Organen, zum Beispiel der Leber oder der Lunge. Am besten ist die Prognose bei früh entdecktem Nierenzellkrebs. Die Tumoren sind dann meist klein und haben noch nicht gestreut.
In frühen Stadien von Nierenzellkrebs wird der Arzt fast immer zur Operation raten. Dabei entfernt der Operateur in den meisten Fällen nur den Tumor und belässt den nicht befallenen Nierenanteil (partielle Tumornephrektomie). Nur noch bei sehr großen Tumoren, bei denen der größte Teil der Niere befallen ist, wird die gesamte Niere mitsamt dem umgebenden Gewebe entfernt (radikale Tumornephrektomie). Grundsätzlich können sowohl für die partielle als auch für die radikale Tumornephrektomie die offene oder die minimal-invasive Operation durchgeführt werden.
Bei der offenen Operation werden abhängig von der Lage und der Größe des Tumors verschiedene Schnitte angewendet: über den Bauch, die Flanke oder die Zwischenrippenräume.
Bei der so genannten minimal-invasiven Operationsmethode (auch Laparoskopie, Videochirurgie oder Knopflochchirurgie genannt) erfolgt die Operation über drei bis fünf kleine Hautschnitte mit circa fünf bis zehn Millimeter Größe, über welche die Operationsinstrumente und eine Kamera eingebracht werden. An spezialisierten Zentren kann die minimal-invasive Methode mit Unterstützung eines Operationsroboters angewandt werden.
Lässt sich der Krebs aufgrund des fortgeschrittenen Stadiums nicht mehr entfernen, ist eine Behandlung mit Medikamenten möglich. Die alleinige klassische Chemotherapie oder die Strahlentherapie sind beim Nierenzellkarzinom allerdings wirkungslos. Während eine vollständige Heilung in diesem Fall nur in einzelnen Fällen erzielt werden kann, können so genannte Target-Therapien dazu beitragen das Fortschreiten der Erkrankung zu bremsen und/oder die Überlebenszeit bei möglichst hoher Lebensqualität zu verlängern. Bei diesen Krebsmedikamenten erfolgt die Einnahme lebenslang begleitend.
Als neuer Therapieansatz wurden bei fortgeschrittenem Nierenkrebs kürzlich auch Immuntherapeutika zugelassen. Ziel der Immuntherapie ist es, das Immunsystem des Patienten im Kampf gegen den Krebs zu stärken beziehungsweise zu unterstützen. Die Ergebnisse aus aktuellen wissenschaftlichen Studien sind sehr vielversprechend und zeigen, dass die Krankheit über einen längeren Zeitraum kontrolliert werden kann. Dies bedeutet für Patienten eine therapiefreie Zeit ohne Medikamenteneinnahme und Nebenwirkungen.
Nachsorge nach Nierenzellkrebs
Wer an Nierenkrebs erkrankt ist, erhält nach der Behandlung eine Nachsorge. Das bedeutet, dass der zuständige Arzt nach einer Operation zunächst den Heilungsverlauf überprüft. Bei Nierenkrebs können sich auch nach der vorläufigen Heilung später erneut Tumore ausbilden (Rezidive). Um einen solchen Rückfall rechtzeitig zu erkennen, stehen regelmäßige Untersuchungen in bestimmten Abständen auf dem Plan. Zur Nachsorge bei Nierenkrebs werden eine körperliche Untersuchung sowie Ultraschall- und bildgebende Untersuchungen mittels Computertomografie oder Kernspintomografie in regelmäßigen Abständen vorgenommen.
Nierenkrebs vorbeugen
Nierenkrebs lässt sich nur bedingt vorbeugen. Was genau den Nierenkrebs verursacht hat, ist im Einzelfall meist nicht klar erkennbar. Doch gibt es allgemeine Regeln, um einer Krebserkrankung vorzubeugen. Dazu zählt eine gesunde Lebensweise mit einer abwechslungsreichen Ernährung und viel Bewegung.
Sonnenlicht und eine Vielzahl chemischer Substanzen schädigen das Erbgut von Zellen und können Krebs auslösen. Vermeiden Sie Übergewicht und ein Übermaß an Alkohol. Auch auf Zigaretten sollten Sie verzichten: Durch Rauchen nehmen Sie stark krebserregende Stoffe auf, die ebenfalls Ihr Erbgut verändern und Krebs auslösen können. Falls Sie an Bluthochdruck leiden, lassen Sie diesen behandeln. Nicht nur, aber auch Ihren Nieren zuliebe.
Beratende Experten
Professor Dr. Christian Stief ist Facharzt für Urologie. Er habilitierte sich 1991 an der Medizinischen Hochschule Hannover. Seit 2004 steht er als Direktor der Urologischen Klinik des Klinikums der Universität München vor. Er ist Herausgeber mehrerer deutsch- und englischsprachiger wissenschaftlicher Bücher und war von 2006 bis 2012 Mitherausgeber der Fachzeitschrift European Urology. Seit 2018 ist er Mitglied des Medizinausschusses des Wissenschaftsrates der Bundesregierung und der Bundesländer.
Dr. Jozefina Casuscelli ist Fachärztin für Urologie an der Ludwig-Maximilians-Universität (LMU) München und Leiterin der Uro-onkologischen Tagesstation. Hier behandelt sie Patienten mit fortgeschrittenen urologischen Tumoren. 2014 bis 2016 absolvierte sie einen Forschungsaufenthalt am Memorial Sloan Kettering Cancer Center in New York. Ihr Forschungsschwerpunkt sind die genetischen Hintergründe des Nierenzellkarzinoms und die Implentierung personalisierter Medizin in der Uro-Onkologie.