Schilddrüsenkrebs (Schilddrüsenkarzinom)
Was ist Schilddrüsenkrebs?
Als Schilddrüsenkrebs bezeichnen Ärzte bösartige Tumoren des Drüsengewebes der Schilddrüse.
Es gibt verschiedene Schilddrüsenkrebs-Typen, die von unterschiedlichen Zellen der Schilddrüse ausgehen. Das papilläre Karzinom ist der häufigste bösartige Schilddrüsentumor, gefolgt vom follikulären Karzinom. Beide zusammen werden auch als differenzierte Schilddrüsentumore bezeichnet.
Das sogenannte anaplastische Karzinom tritt deutlich seltener auf. Wie die beiden differenzierten Schilddrüsentumore geht es von den Schilddrüsenhormon-bildenden Zellen der Drüse aus. Das ebenfalls seltene medulläre oder C-Zellkarzinom hat seinen Ursprung in den Calcitonin bildenden C-Zellen. Die Unterscheidung der Krebstypen ist durch eine feingewebliche Untersuchung möglich. Ein erhöhter Calcitonin-Spiegel kann zudem auf ein C-Zellkarzinom hinweisen.
Insgesamt ist Schilddrüsenkrebs selten. Jedes Jahr erkranken daran etwa 7.000 Menschen in Deutschland.
Ursachen und Risikofaktoren
Schilddrüsenkrebs entsteht meistens zwischen dem fünften und sechsten Lebensjahrzehnt. Frauen sind mehr als doppelt so häufig betroffen wie Männer. Die genauen Ursachen sind bislang noch nicht eindeutig geklärt. Es gibt jedoch Risikofaktoren, die die Bildung eines Schilddrüsenkarzinoms begünstigen können.
- Risikofaktor Gene
Etwa ein Viertel der medullären Schilddrüsenkarzinome beruht auf einer erblichen Genveränderung. Wenn auch bestimmte andere seltene Krankheiten, zum Beispiel der Nebenniere, damit verbunden sind, bezeichnet man dies als sogenannte multiple endokrine Neoplasie (MEN) vom Typ 2.
- Risikofaktor Strahlung
Wer vermehrt Röntgenstrahlung im Kopf- und Halsbereich ausgesetzt war – zum Beispiel durch eine Strahlentherapie – hat ein höheres Risiko an Schilddrüsenkrebs zu erkranken. Dies ist bislang der einzige gesicherte umweltbezogene Risikofaktor für ein Schilddrüsenkarzinom.
- Risikofaktor Schilddrüsenerkrankungen
Sogenannte kalte Knoten in der Schilddrüse können sich in sehr seltenen Fällen bösartig verändern. Kalte Knoten sind ein Befund, der mit einer Szintigrafie festgestellt wird. Die Szintigrafie ist eine radiologische Untersuchung der Schilddrüse. Die Knoten heißen so, weil sie – wenn sie bildlich dargestellt werden – in kalten Farben (blau und violett) erscheinen. Kalte Knoten weisen auf eine herabgesetzte Schilddrüsenfunktion in einem Bereich des Organs hin. Auch ein Kropf, der über einen längeren Zeitraum unbehandelt fortbesteht, kann unter Umständen ein Schilddrüsenkarzinom begünstigen.
Wie äußert sich Schilddrüsenkrebs?
Die Symptome eines Schilddrüsenkarzinoms machen sich in der Regel erst spät bemerkbar. Vergrößert sich die Schilddrüse innerhalb weniger Wochen oder liegt bereits ein Kropf (Struma) vor, sollte dies unbedingt ein Arzt untersuchen. Nicht immer steckt jedoch Krebs dahinter: Eine Schilddrüsenvergrößerung kommt zum Beispiel auch bei einer Schilddrüsenüber- oder –unterfunktion sowie bei gutartigen Zysten vor.
Ist der Schilddrüsenkrebs bereits so groß, dass er auf die Luftröhre oder die Speiseröhre drückt, kann dies zu Luftnot und Schluckbeschwerden führen. Auch geschwollene Lymphknoten am Hals, Husten und Heiserkeit können Anzeichen eines Schilddrüsenkarzinoms sein. Viel öfter liegen diesen Symptomen jedoch harmlose Ursachen zugrunde, zum Beispiel eine Erkältung.
Diagnose
Besteht der Verdacht auf Schilddrüsenkrebs, tastet der Arzt zunächst Hals, Schilddrüse und Lymphknoten ab und befragt den Patienten nach möglichen Risiken zum Beispiel Schilddrüsenkrebs in der Familie.
Danach schließt sich üblicherweise eine Blutentnahme an. Unterscht wird unter anderem das sogenannte Thyroidea stimulierende Hormon (abgekürzt TSH) und Calcitonin. Der Calcitonin-Wert kann auf ein medulläres Schilddrüsenkarzinom hinweisen.
Durch eine Ultraschall-Untersuchung (Sonografie) kann der Arzt Lage und Größe der Schilddrüse begutachten sowie Veränderungen im Aufbau der Drüse, zum Beispiel Zysten und Knoten, sichtbar machen. Er untersucht mit dem Ultraschallgerät auch die Lymphknoten am Hals.
Um die Schilddrüsenfunktion zu überprüfen, eignet sich die Szintigrafie. Bei diesem Verfahren verabreicht der Arzt dem Patienten eine radioaktiv markierte Jodverbindung, die in der Schilddrüse gespeichert wird. Da sich das radioaktive Jod nur im funktionierenden, also hormonproduzierenden Schilddrüsengewebe anreichert, sind nicht vollständig aktive oder funktionslose Bereiche zu erkennen. Solche "kalten Knoten" können auf einen bösartigen Schilddrüsentumor hindeuten.
Bei verdächtigen Veränderungen, die größer als ein bis zwei Zentimeter sind, führt der Arzt eine Feinnadelpunktion (Feinnadelbiopsie) der Schilddrüse durch, um festzustellen, ob es sich um einen Tumor handelt. Mit einer feinen Nadel entnimmt er Zellen aus dem veränderten Drüsenbereich. Diese werden dann unter dem Mikroskop untersucht.
Bestätigt sich der Verdacht, dass ein Schilddrüsenkarzinom vorliegt, folgen weitere Schritte, um zu klären, ob und wie weit sich der Krebs im Körper ausgebreitet hat. Wichtig ist unter anderem, ob sich Tochtergeschwülste (Metastasen) gebildet haben. Zur Dignostik gehören eine Ultraschalluntersuchung der Halslymphknoten, eine Rötgenuntersuchung des Brustbereichs sowie eine Kehlkopfspiegelung zur Beurteilung der Stimmbandbeweglichkeit. Weitere bildgebende Verfahren wie Computertomographie (CT), Kernspintomografie oder Magnetresonanztomographie (MRT) sowie Positronenemissionstomografie (PET) kommen ebenfalls unter bestimmten Umständen zum Einsatz.
Schilddrüsenkrebs-Stadieneinteilung
Die Schilddrüsenkrebs-Stadien werden nach der internationalen TNM-Klassifikation eingeteilt. Der Buchstabe T steht für Tumor, N für benachbarte Lymphknotenmetastasen und M für Fernmetastasen (Tochtergeschwülste in anderen Organen):
• T1: Der Tumor hat einen Umfang von bis zu zwei Zentimetern und ist auf die Schilddrüse begrenzt.
• T2: Der Tumor ist zwischen zwei und vier Zentimeter groß und auf die Schilddrüse begrenzt.
• T3: Der Tumor besitzt einen Umfang von mehr als vier Zentimetern mit höchstens minimaler Ausbreitung in die Umgebung.
• T4: Der Tumor hat sich außerhalb der Schilddrüse ausgedehnt und ist in umliegende Gewebe oder Organe eingewachsen.
• N0: Kein Anhalt für regionäre Lymphknoten-Metastasen
• N1: Der Schilddrüsenkrebs hat sich in regionale Lymphknoten abgesiedelt (Lymphknotenmetastasen).
• N1a: Die Lymphknotenmetastasen befinden sich in den Lymphknoten in der Halsmitte.
• N1b: Die Lymphknotenmetastasen können sich sowohl im Halsbereich als auch bereits im oberen Brustkorbbereich befinden.
• M1: Der Schilddrüsenkrebs hat sich in weitere Körperbereiche abgesiedelt und Fernmetastasen gebildet.
Behandlung
Operation
In seltenen Fällen wird der Tumor so frühzeitig entdeckt, dass die Schilddrüse nicht vollständig entfernt werden muss. Meist muss ein Chirurg aber die gesamte Schilddrüse und gegebenenfalls die örtlichen Lymphknoten am Hals herausnehmen. Menschen können ohne Schilddrüse leben, wenn sie das Schilddrüsenhormon L-Thyroxin als Tablette einnehmen.
Radiojodtherapie
Liegt ein papilläres oder follikuläres Karzinom vor, schließt sich an die Operation häufig eine Radiojodtherapie an, eine Art innere Bestrahlung. Durch die Gabe von radioaktivem Jod sollen noch vorhandene Krebszellen und Reste von Schilddrüsengewebe beseitigt werden. Da Patienten während der Radiojodtherapie Strahlung absondern, die zum Beispiel für Schwangere in ihrer Umgebung problematisch sein könnte, wird die Behandlung in Krankenhausabteilungen mit speziellem Strahlenschutz durchgeführt. Die Patienten bleiben dort für einige Tage, dürfen in dieser Zeit aber keinen Besuch erhalten.
Strahlentherapie
Diese Behandlung kann auch kombiniert mit einer Strahlentherapie von außen durch die Haut erfolgen, was jedoch nur selten erforderlich ist. Die Bestrahlung von außen kommt überwiegend bei anaplastischen Schilddrüsenkarzinomen zum Einsatz, da hier eine Radiojodtherapie meistens nicht wirkt. Die stark veränderten Tumorzellen haben die Fähigkeit verloren, das radioaktive Jod aufzunehmen.
Eine Chemotherapie wird bei der Behandlung von Schilddrüsenkrebs normalerweise nicht durchgeführt. Bei dieser Art von Krebs scheint eine Chemotherapie nicht ausreichend wirksam zu sein. Einige Therapieverfahren sind jedoch für Fälle in Erprobung, in denen der Tumor nicht komplett durch eine Operation entfernt werden kann.
Beim medullären Schilddrüsenkarzinom ist eine Operation das einzige Therapieverfahren, das zur Heilung führen kann. Anders als die übrigen Zellen der Schilddrüse haben die C-Zellen keinen Jodstoffwechsel. Die Radiojodtherapie spielt in der Behandlung deshalb keine Rolle. Eine Strahlentherapie von außen durch die Haut kann in besonderen Situationen zusätzlich zur Operation sinnvoll sein.
Therapie nach Schilddrüsenentfernung
Nach einer kompletten Schilddrüsenentfernung muss der Patient lebenslang Schilddrüsenhormone einnehmen. Wichtig ist dabei die korrekte Dosierung, die der Arzt durch regelmäßige Blutuntersuchungen überprüft.
Heilungschancen
Wird der Tumor frühzeitig erkannt und behandelt, sind die Heilungschancen in den meisten Fällen gut. Die feingewebliche Unterart des Tumors spielt eine Rolle dabei. Etwa 90 Prozent aller an einem follikulären oder papillären Schilddrüsenkrebs Erkrankten überleben mindestens die nächsten fünf Jahre nach dem Zeitpunkt der Diagnosestellung. Beim medullären Schilddrüsenkrebs sind es immerhin mehr als 80 Prozent.
Die Prognose beim selten vorkommenden undifferenzierten (anaplastischen) Karzinom ist hingegen schlechter, da dieser Krebs meist erst in einem fortgeschrittenen Stadium erkannt wird und dann schwer zu behandeln ist.
Kann man vorbeugen?
In seltenen Fällen kann ein gutartiger Kropf ein Schilddrüsenkarzinom begünstigen. Ursache für den Kropf ist meist ein Jodmangel. Ob alleiniger Jodmangel ohne Kropfentwicklung ein Risikofaktor für Schilddrüsenkrebs ist, ist noch nicht abschließend geklärt. Da Jod oft nicht ausreichend in der Nahrung vorkommt, für die Funktion der Schilddrüse aber unerlässlich ist, sollten Speisen mit jodiertem Salz gewürzt werden.
Menschen, die an einer Schilddrüsenüberfunktion oder -unterfunktion leiden, sollten diese behandeln lassen und regelmäßig zu ärztlichen Kontrolluntersuchungen gehen. Bei der familiären Variante des C-Zell-Karzinoms kann ein Gentest darüber Aufschluss geben, ob ein Familienmitglied ein erhöhtes Risiko hat. Bei einem positiven Befund raten Ärzte, die Schilddrüse bereits im Kindesalter zu entfernen.
Beratende Experten
Dieser Text entstand mit freundlicher Unterstützung des Krebsinformationsdienstes (KID) des Deutschen Krebsforschungszentrums Heidelberg.
Kostenlose Hotline: 0800 - 420 30 40 täglich von 8 bis 20 Uhr
Internet: www.krebsinformationsdienst.de
Wichtiger Hinweis: Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder –behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen. Die Beantwortung individueller Fragen durch unsere Experten ist leider nicht möglich.