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Kann man einer Infektion mit SARS-CoV-2 durch Gurgeln vorbeugen? Dass Gurgeln dazu etwas beitragen kann, davon geht zumindest die Deutsche Gesellschaft für Krankenhaushygiene (DGKH) aus. Sie hat ihre Empfehlung im April aktualisiert, der zufolge Gurgeln und Nasenspray mit einer virentötenden Wirkung die bekannten Schutzmaßnahmen gegen COVID-19 wie Impfen, Mund-Nasen-Schutz tragen und Abstand halten noch ergänzen könnte.

Gurgeln gegen COVID-19: Wie ist die Studienlage?

„Es gibt für die Wirksamkeit von viruzidem Gurgeln – also Gurgeln mit Gurgellösungen, die Viren abtöten – mittlerweile eine Reihe von wissenschaftlichen Belegen“, sagt Dr. Peter Walger, Infektiologe und Teil des Vorstands der Deutschen Gesellschaft für Krankenhaushygiene (DGKH). Er ist Mitautor der Empfehlung der DGKH. „Die Weltgesundheitsorganisation hatte das Gurgeln schon 2020 für die besonders gefährdeten Mitarbeiter im Gesundheitswesen empfohlen. Es wurde höchste Zeit, dass wir mit einer solchen Empfehlung an die Öffentlichkeit gehen.“

Tatsächlich gibt es eine Reihe von Untersuchungen, die zeigen, dass Gurgeln ein Stück weit gegen SARS-CoV-2 wirkt. So kamen etwa spanische Wissenschaftler in einer sehr kleinen Testreihe – nicht im Labor, sondern mit Patienten – zu dem Ergebnis, dass eine Mundspülung mit einer einprozentigen Povidon-Jod-­Lösung für drei Stunden die Menge an Viren im Nasen-Rachen-Raum senken kann. In einer anderen Studie wurden gegen Viren wirkende Mundspülungen mit der Mundspülung mit Wasser verglichen. Hier zeigte sich eine signifikant größere Senkung der Viruslast von SARS-CoV-2 bei den Mundspüllösungen für sechs Stunden.

Was bedeutet das nun für die tatsächliche Wirkung? „Wir haben bisher eigentlich zu wenige Studien zum Thema, um eine verlässliche Aussage darüber machen zu können, wie groß die Schutzwirkung ist. Gerade angesichts der zahlreichen umfassenden Untersuchungen über die Wirkung von Impfstoffen und auch von Masken kann man sagen, dass Nasensprays und Mundspülung bei den Schutzmaßnahmen – wenn überhaupt – nur eine eher kleine Rolle spielen sollten“, sagt Professor Michael Pietsch. Er ist Leiter der Abteilung für Hygiene und Infektionsprävention an der Universitätsmedizin Mainz. Das Robert Koch-Instiut erwähnt Gurgeln und Nasensprays nicht zur Vorbeugung vor einer SARS-CoV-2-Infektion.

Hilft Nasenspray gegen SARS-CoV-2?

Bei Nasensprays ist die Wirkung noch fraglicher. Verschiedene Nasensprays wurden im Labor untersucht, unter anderem Kochsalz-Nasenspray oder abschwellende Nasensprays. Hier war keine Wirkung nachweisbar.

In den Untersuchungen zeigte sich, dass Carragelose SARS-Cov-2 zwar nicht inaktiviert, aber dass es sehr wohl die Vermehrung des Virus hemmt. Carragelose ist ein natürlicher, antiviraler Wirkstoff, der aus Algen gewonnen wird. Er ist Bestandteil von Nasensprays gegen Erkältungen. Diese Nasensprays könnten möglicherweise also lokal einen leicht schützenden Effekt haben. Wissenschaftlich belegt ist dies aber bisher nicht.

Welche Rolle können Gurgeln und Nasensprays beim Schutz vor COVID-19 spielen?

„Eine untergeordnete – wenn überhaupt.“ So formuliert es Pietsch aus Mainz. Natürlich spreche nichts gegen das Gurgeln in Maßen, sagt er. Aber: „Mit dem Gurgeln erreicht man nicht alle Bereiche des Mund-Nasen-Raumes. Man sollte sich deshalb nicht in falscher Sicherheit wiegen und auf andere Maßnahmen verzichten.“

AHA+L sollte laut Pietsch weiterhin im Zentrum stehen. Das bedeutet: Abstand halten, Hygieneregeln beachten – unter anderem gründliches Händewaschen, Niesen in ein Taschentuch oder in die Armbeuge –; im Alltag eine Mund-Nasen-bedeckung tragen; regelmäßig Lüften. Wichtig ist auch die Impfung. Auch bei neueren Varianten des Virus wie der Omikron-Variante, die sich schneller ausbreiten, schützt eine Impfung noch recht gut vor einem schweren Verlauf.

Auch Walger sagt: „Es geht nicht darum, dass etwa Gurgeln und Nasensprays mit den anderen Schutzmaßnahmen gegen SARS-CoV-2 konkurrieren sollen. Gurgeln und Nasensprays sollen und können vielmehr eine wirkungsvolle Ergänzung sein.“

In welchen Situationen kann Gurgeln sinnvoll sein?

Bei einer Grundsituation mit eher akuter Ansteckungsgefahr – das kann auch eine Pandemie sein mit hohen Erkrankungszahlen – empfiehlt er, Gurgeln mit Jodlösung und Nasenspray mit Carragelose als zusätzliche Schutzmaßnahme. Dabei muss nicht über Monate täglich zwei bis drei Mal gegurgelt und gesprayt werden. Das könnte nämlich eventuell sogar Nebenwirkungen haben. Sondern man sollte den Einsatz gezielt von der individuellen Gefahrenlage abhängig machen. So kann man zum Beispiel an Tagen während einer Pandemie, wo man besonders viel engen Kontakt hatte mit anderen, entsprechende Gurgellösungen anwenden.

Besteht eher geringe Gefährdung, braucht es Walger zufolge auch keine Jodlösung, es reichen dann Lösungen mit Kochsalz, grünem oder Salbeitee, Aronia-, Granatapfelsaft oder ätherischen Ölen. Beim Nasenspray empfiehlt er bei geringem Infektionsrisiko Kochsalzlösung oder Carragelose-Spray.

Viele Zahnärzte lassen ihre Patienten am Anfang eines Besuchs zunächst einmal Gurgeln. Diese Praxis hat sich seit Ausbruch der Pandemie noch weiter verbreitet. „Das ist sinnvoll, vor allem für den Schutz des medizinischen Personals“, sagt Bärbel Christiansen, Leiterin der Zentralen Einrichtung Interne Krankenhaushygiene und der Zentralen Einrichtung Medizinaluntersuchungsamt und Hygiene am Universitätsklinikum Schleswig-Holstein in Kiel.

Aufkommende Infektion in Schach halten

Auch in anderen Situationen hält sie Gurgeln durchaus für sinnvoll. Zum Beispiel wenn man einem erhöhten Risiko einer Ansteckung ausgesetzt war, könne es nicht schaden, einmal zu Gurgeln – das gehe auch zeitnah im Nachhinein noch. „Wird man etwa im Bus angehustet, kann man, wenn nicht Stunden vergehen und man bald danach zu Hause ist, mit drei Mal täglichem Gurgeln über mehrere Tage wahrscheinlich eine Infektion verhindern“, sagt Christiansen.

Selbst wenn schon wenige Viren in die Zellen eingedrungen seien, so könnte das erste Gurgeln nach dem Zwischenfall doch noch einige Viren auf der Schleimhaut abtöten. Gurgelt man, wie von Christiansen geraten, gar über ein paar Tage hinereinander weg, dann kann damit eine aufkommende Infektion in manchen Fällen vielleicht sogar in Schach gehalten werden oder die Viruslast im Rachen zumindest verringert werden. Deshalb könnte Gurgeln auch für Menschen sinnvoll sein, die in Quarantäne oder Isolierung sind – ob sie nun selbst oder Angehörige infiziert sind.

Weil in Deutschland käufliche Fertig-Lösungen mit der entsprechend niedrigen Povidon-Jod-Dosierung nicht erhältlich sind, gibt die Deutsche Gesellschaft für Krankenhaushygiene in ihrer Empfehlung konkrete Tipps, wie man eine solche Lösung unkompliziert herstellen kann.

Fragen Sie in der Apotheke nach entsprechenden Antiseptika auf Jodbasis und wie sie diese verdünnen müssen, um eine passende Lösung entsprechend den Empfehlungen der DGKH zu erhalten. Wer an Schilddrüsenerkrankungen leidet, fragt bevor er eine Jodlösung nutzt sicherheitshalber den Arzt oder Apotheker, ob und wie lange er Sie anwenden darf.

Wirken antivirale Lutschpastillen gegen SARS-CoV-2?

Es gibt auch eine Reihe von Lutschpastillen, die mit einer antiviralen Wirkung beworben werden. Grundsätzlich wirken manche der Inhaltsstoffe tatsächlich leicht gegen Viren.

Wie groß die Wirkung allerdings ist – vor allem auch gegen SARS-CoV-2 – das ist bislang noch nicht ausreichend erforscht. Entsprechend kritisch sollte man die Werbeversprechen von manchen der Pastillen bewerten. Wird zum Beispiel mit Studien geworben, ohne dass es eine Quellenangabe dazu gibt, sollte man den Behauptungen erst einmal nicht zu viel Gewicht zuschreiben.

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