Omikron-Subtyp BA.5 ist dominant
Anmerkung der Redaktion: Dieser Artikel wird fortlaufend mit den neuesten Zahlen aktualisiert.
Die nächsten Coronavirusvarianten breiten sich in Deutschland aus und sind neu und vertraut zugleich. BA.4 und BA.5 heißen die Varianten, die seit April in Deutschland zunehmend Fuß fassen und mittlerweile das Infektionsgeschehen dominieren. Sie sind Unterformen der Omikron-Variante, die bereits seit Anfang des Jahres vorherrscht.
Wie verbreitet sind BA.4 und BA.5 in Deutschland?
Laut dem Covid-19-Wochenbericht des Robert Koch-Instituts (RKI) vom 18. August ist die Untervariante BA.5 in Deutschland vorherrschend. Der Anteil an Neuinfektionen mit BA.5 lag im Zeitraum vom 1. bis 7. August bei 95,2 Prozent. Die vorher monatelang dominante Untervariante BA.2 nimmt weiter ab. Ihr Anteil lag im genannten Zeitraum bei nur noch 1,1 Prozent. Die Neuinfektionen mit der Untervariante BA.4 liegen bei 3,7 Prozent. Insgesamt kommen BA.4 und BA.5 also auf 98,9 Prozent. Zwei Wochen zuvor lag der Anteil der beiden Varianten noch bei rund 92 Prozent, zwei weitere Wochen zuvor waren es rund 87 Prozent.
Die Omikron-Varianten im Raum München
Die große süddeutsche Laborgemeinschaft Becker verfügt bereits über aktuellere Daten: Im Zeitraum vom 08. August bis 14. August lag demnach der Anteil an Neuinfektionen mit BA.5 im Raum München bei 84,9 Prozent und der Anteil von BA.4 bei 4,3 Prozent. Insgesamt kommen die beiden Varianten somit auf 89,2 Prozent.
Dass die bayerische Laborgemeinschaft der Analyse des RKI zeitlich etwas voraus ist, liegt unter anderem daran, dass das Labor eine bestimmte Kombination von Tests anwendet, die relativ schnell Ergebnisse liefern. Dabei wird nicht zeitaufwändig das ganze Virusgenom analysiert, sondern es werden jeweils nur solche Stellen im Genom untersucht, die für die jeweiligen Varianten charakteristisch sind. Hinzu kommt, dass die Daten alle aus den Laboren von Becker stammen und nicht erst von vielen unterschiedlichen Laboren gemeldet werden müssen.
Was sind Gründe für die starke Verbreitung?
Die Variante BA.5 hat laut dem European Centre for Disease Prevention and Control (ECDC) einen Verbreitungsvorteil gegenüber der BA.2-Variante von 13 Prozent. Dieser Vorteil bei der Ausbreitung ist dem ECDC zufolge aller Wahrscheinlichkeit nach auf einen besseren Fluchtmechanismus gegenüber den Schutzmechanismen des menschlichen Immunsystems zurückzuführen. Vermutlich können BA.4 und BA.5 vor allem effizient den Immunschutz umgehen, den eine alleinige vorangegangene BA.1-Infektion gebracht hat.
Der Wachstumsvorteil war Grund genug, dass viele wichtige Gesundheitsbehörden, darunter die Weltgesundheitsorganisation (WHO), die britische UK Health Security Agency (UKHSA) und auch die ECDC empfehlen, die neuen Varianten weiter zu beobachten und auch gegebenenfalls Auffrischungsimpfungen zu erwägen.
Die obenstehende Tabelle zeigt die verschiedenen Varianten des Coronavirus, die seit März 2020 in Deutschland vorherrschend waren:
- SARS-CoV-2 Wildtyp: dominant seit Beginn der Pandemie bis 28.02.2021
- Alpha: dominant vom 01.03.2021 bis 20.06.2021
- Delta: dominant vom 21.06.21 bis 26.12.21
- Omikron BA.1: dominant vom 27.12.21 bis 27.02.22
- Omikron BA.2: dominant vom 28.02.22 bis 05.06.22
- Omikron BA.5: dominant seit 06.06.22
Wie gefährlich sind BA.4 und BA.5?
Das ECDC schrieb im Mai aber auch: „Es gibt aktuell keine Anzeichen dafür, dass BA.4 und BA.5 im Verlauf irgendwelche Unterschiede zeigen gegenüber vorigen Omikron-Varianten.“ Auch laut dem RKI-Wochenbericht vom 30. Juni 2022 gibt es keine Hinweise darauf, dass die nun dominierende Omikronlinie BA.5 an sich schwerere Verläufe oder eine höhere Sterblichkeit verursacht als vorherige Virusvarianten. Allerdings sei allein durch die starke Zunahme der Infektionsfälle aktuell auch eine entsprechend höhere Zahl schwerer Verläufe von Covid-19 Erkrankungen zu beobachten, die bereits zu einer steigenden Anzahl an Krankenhauseinweisungen führten.
Das zeigt sich auch auf den Intensivstationen: Denn die Zahl der Schwerkranken, die auf Intensivstationen in Deutschland mit Covid-19 behandelt werden, ist auf 1000 gestiegen. Das geht aus dem Tagesreport des Intensivregisters der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (Divi) und des Robert Koch-Instituts (RKI) hervor. So hoch war diese Patientenzahl demnach seit Mitte Mai nicht mehr. Zum Vergleich: Im Dezember 2021 waren noch knapp 4900 schwer erkrankte Covid-19-Fälle zeitgleich behandelt worden, danach sanken die Werte mit zwischenzeitlichen Plateauphasen ab.
Neue Varianten scheinen etwas stärker die Lunge zu betreffen
Christian Karagiannidis, Mitglied des Corona-Expertenrats der Bundesregierung, erklärte auf Anfrage der Deutschen Presse-Agentur (dpa), auf den Intensivstationen sehe man zwar tendenziell einen Anstieg der täglichen Neuaufnahmen und eine Zunahme der Belegung auf nun 1000 – „allerdings ist die Zunahme bisher insgesamt moderat“. Von den intensivpflichtigen Patientinnen und Patienten bräuchten etwa 50 Prozent respiratorische Unterstützung in Form von Sauerstoff oder Beatmung, so der wissenschaftliche Leiter des Divi-Intensivregisters. In der Spitze seien das vor Ausbreitung der Omikron-Variante über 80 Prozent gewesen.
Einige Kliniken berichteten Karagiannidis zufolge von mehr Lungenentzündungen auf den Normalstationen unter dem Einfluss des seit einiger Zeit dominierenden Omikron-Subtypen BA.5 und der Sublinie BA.4. Dies passe zu tierexperimentellen Untersuchungen, nach denen die beiden Linien etwas mehr die Lunge beträfen als die vorher vorherrschenden Subtypen BA.1 und BA.2.
Sommer und Herbst: Wie geht es mit Corona weiter?
Die angekündigte Sommerwelle ist längst Realität geworden. „Die Verbreitung der sehr ansteckenden Omikron-Untervariante BA.5 hebt momentan den saisonalen Sommereffekt auf, so dass wir in Deutschland und vielen weiteren europäischen Ländern eine hohe Infektionslast sehen“, erklärte Intensivmediziner Stefan Kluge vom Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf auf Anfrage der dpa.
Kluge sowie Karagiannidis verweisen darüber hinaus auf eine hohe Dunkelziffer. Derzeit sei eine sehr hohe Infektionslast der Bevölkerung zu sehen, die über die Sieben-Tage-Inzidenz aber deutlich unterschätzt werde, sagte etwa Karagiannidis. So zeigten Proben aus dem Abwasser-Monitoring einzelner Städte einen viel stärkeren Anstieg als die Inzidenz.
Mit Sorge blicken Fachleute auch auf den Herbst. So sagte Gesundheitssminister Karl Lauterbach etwa in den ARD-“Tagesthemen“: „Es wird ein schwerer Herbst werden, wir müssen vorbereitet sein.“ Er glaube, dass „wir mit der BA.5-Variante, die sich jetzt hier ausbreitet, große Schwierigkeiten bekommen werden“. Er rechne mit sehr hohen Fallzahlen, was auch zu einer Überlastung der kritischen Infrastruktur führen könne. Rufe nach einer schnellen rechtlichen Vorbereitung für eine Herbstwelle wurden laut. Im Frühjahr waren die Corona-Bestimmungen stark zurückgefahren worden, die bundesweite Rechtsgrundlage läuft am 23. September aus.
Neue Omikron-Variante BA.2.75 (“Centaurus“)
Die neue Omikronvariante BA.2.75, auch „Centaurus“ genannt, wurde im Mai 2022 erstmals in Indien nachgewiesen – und hat sich dort seitdem rasch verbreitet. Mittlerweile gibt es auch in Deutschland und anderen Ländern bestätigte Fälle. Insgesamt ist die Zahl der weltweiten Fälle jedoch aktuell gering. Das macht es schwer, solide Informationen über die neue Virusvariante zu sammeln. Was bereits bekannt ist: Die Variante stammt offenbar vom Omikron-Typ BA.2 ab und weißt auch Mutationen im Spike-Protein auf.
Dadurch kann das Virus der Immunantwort des Körpers womöglich besser entkommen. Dies könnte BA.2.75 einen Verbreitungsvorteil gegenüber den bislang vorherrschenden Omikron-Varianten verschaffen, erklärt der Virologe Professor Friedemann Weber von der Universität Gießen. Bis dato sei jedoch unklar, ob die Vorteile ausreichten, um wirklich dominant zu werden. Weber hält dies jedoch für durchaus möglich.
Das European Centre for Disease Prevention and Control hat die Omikron-Subvariante unter den „Varianten unter Beobachtung“ gelistet. Die Weltgesundheitsorganisation sowie das Robert Koch-Institut haben sich bislang noch nicht zur neuen Variante geäußert.