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Die Expertenkommission zur Bewertung der bisherigen Corona-Schutzmaßnahmen in Deutschland hat eine gemischte Bilanz gezogen. Die gegenwärtigen und zukünftigen Maßnahmen müssten sich auf den «Übergang zur Endemie» mit dem Schutz der «vulnerablen Gruppen» konzentrieren, geht aus dem Bericht des Sachverständigenausschusses hervor, der am Freitag in Berlin vorgelegt wurde.

Es müsste also bei einem fortwährenden Auftreten von Corona vor allem Menschen geschützt werden, die am stärksten von Krankheit bedroht sind. Zudem müssten die Maßnahmen auf eine Vermeidung einer Überlastung des Gesundheitswesens abzielen.

Die einzelnen Maßnahmen werden in dem Evaluationsbericht unterschiedlich bewertet. So fallen die Urteile der Sachverständigen aus:

Lockdowns müssen rechtzeitig kommen

So stellen die Expertinnen und Experten zur Wirksamkeit von Lockdowns fest: «Wenn erst wenige Menschen infiziert sind, wirken Lockdown-Maßnahmen deutlich stärker.» Je länger ein Lockdown dauere und je weniger Menschen bereit seien, die Maßnahme mitzutragen, desto geringer sei der Effekt. Ähnlich wie bei den Lockdown-Maßnahmen sei auch die Kontaktnachverfolgung vor allem in der Frühphase der Pandemie wirksam gewesen.

Testung für alle

Einen hohen Effekt messen die Expertinnen und Experten Zugangsbeschränkungen auf Geimpfte, Genesene und/oder Getestete bei, sogenannten 2G/3G-Maßnahmen - aber vor allem in den ersten Wochen nach der Boosterimpfung oder der Genesung. Der Schutz vor einer Infektion lasse mit der Zeit jedoch deutlich nach. In der aktuellen Phase der Pandemie sei die Beurteilung schwierig. Wenn Zugangsbeschränkungen nötig würden, sollte zunächst eine Testung unabhängig vom Impfstatus als Zugangsbedingung empfohlen werden, rät das Gremium. Wie gut eine Eindämmung über Testung funktionieren könne, müsse aber weiter erforscht werden.

Masken müsssen richtig getragen werden

Das Urteil zum Tragen von Masken fällt zunächst eindeutig aus: Dies könne «ein wirksames Instrument» sein. Aber: «Eine schlechtsitzende und nicht enganliegende Maske hat jedoch einen verminderten bis keinen Effekt.» Da das Coronavirus drinnen eher übertragen werden könne als draußen, «sollte eine Maskenpflicht zukünftig auf Innenräume und Orte mit einem höheren Infektionsrisiko beschränkt bleiben», so das Gremium. «Eine generelle Empfehlung zum Tragen von FFP2-Masken ist aus den bisherigen Daten nicht ableitbar.»

Wirksamkeit von Schulschließungen unklar

Weiterhin offen sei die genau Wirksamkeit von Schulschließungen auf die Eindämmung der Ausbreitung des Virus. Denn an den Schulen seien zeitgleich mehrere Maßnahmen eingeführt worden, so dass der Effekt einzelner Maßnahmen nicht gemessen werden könne. Das Gremium stellt zugleich fest, dass im Gegensatz dazu aber die «nicht-intendierten Wirkungen» durchaus untersucht worden seien. Das Gremium rät, eine weitere Expertenkommission sollte diese nicht beabsichtigten Folgen «unter besonderer Berücksichtigung des Kindeswohls» genau prüfen.

Jutta Allmendinger, Präsidentin des Wissenschaftszentrums Berlin für Sozialforschung (WZB), wo der Abschlussbericht vorgestellt wurde, fordert einen Rechtsanspruch auf soziale Kontakte für Kinder. Es gebe starke Evidenzen, was Schulschließungen mit Kindern machten, sagte Allmendinger bei der Vorstellung des Gutachtens. Und es gebe Gewissheiten über psychische Auswirkungen.

Allmendinger stellte weiter heraus, dass es auch in den Familien insgesamt negative Auswirkungen durch Schulschließungen gegeben habe - etwa einen «Rückfall in alte Geschlechterrollen» und ein «unglaubliches Ausmaß an mentaler Erschöpfung».

Dem Sachverständigenausschuss gehören Wissenschaftler verschiedener Fachrichtungen an. Die Evaluation sollte im Auftrag des Gesetzgebers vor allem die Vorgaben im Rahmen der «epidemischen Lage von nationaler Tragweite» beleuchten. Diese vom Bundestag laut Infektionsschutzgesetz festgestellte Lage bestand über mehrere Monate bis Ende November 2021 und ermöglichte Schließungen zahlreicher Einrichtungen sowie Alltagsauflagen.