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Als wäre Mats in ein Brennnesselfeld gefallen. Mama Julia erinnert sich noch genau, als ihr Dreijähriger eines Nachts an ihrem Bett stand: „Er hatte sein Oberteil hochgezogen und weinte. Seine Brust war übersät mit sehr vielen Quaddeln, die offenbar juckten und brannten.“ Schon die Nächte davor waren unruhig, weil Mats erkältet gewesen war.

Tritt oft nach überstandenem Infekt auf

„In der Regel handelt es sich bei diesen Symptomen um eine Urtikaria, auch Nesselsucht genannt“, sagt Haut­ärztin Dr. Barbara Kunz vom Dermatologikum Hamburg. Die Ur­sachen sind zwar noch nicht vollständig geklärt, doch in 40 bis 80 Prozent gibt es laut Expertin einen zeitlichen Zusammenhang zwischen einem kürzlich überstandenen Infekt mit Viren, Bakterien oder Parasiten.

Die betroffenen Kinder leiden oft sehr unter den juckenden und brennenden Quaddeln.

Die betroffenen Kinder leiden oft sehr unter den juckenden und brennenden Quaddeln.

Vermutlich überreagiert das Immunsystem, dabei kommt es zu einer vermehrten Ausschüttung von Histamin aus Mastzellen und einer weiteren Unterart der weißen Blutzellen. Befindet sich viel von diesem Botenstoff frei im Körper, kann es unter anderem zu Hautausschlägen mit juckenden Quaddeln kommen. „Die Nesselsucht kann in jedem Alter auftreten, besonders häufig ­tritt sie jedoch tatsächlich im klassischen Infektalter auf, ­also zwischen dem ersten und fünften Lebensjahr.“

Sind Kinder unter einem Jahr betroffen, deutet das eher auf eine Nahrungsmittelallergie zum Beispiel auf Kuhmilch, Nüsse oder Hühnereiweiß hin. Dann sollten Eltern ­einen Termin beim Hautarzt vereinbaren, um dem Problem auf den Grund zu gehen.

Flüchtig und meist harmlos

Eine Nesselsucht ist nicht grundsätzlich ein Fall für die Kinderärztin oder den Hautarzt, findet der auf Kinderhaut spezialisierte Haut- und Kinderarzt Dr. Marc Pleimes aus Heidelberg: „Die Urtikaria sieht oft sehr dramatisch aus, gerade wenn der ganze Körper betroffen ist. Im ersten Schritt kann ich aber fast immer die Eltern und Kinder beruhigen.“

Laut Pleimes gibt es auch eine gute Nachricht: In über 90 Prozent aller Fälle geht die Nesselsucht genauso schnell, wie sie gekommen ist. Und zwar komplika­tionslos, oft sogar ohne Behandlung. „Üblicher­weise dauert der ganze Spuk nur ein paar Tage bis wenige Wochen, manchmal sogar nur Stunden. Oft bekommen ­Eltern so schnell gar keinen Arzttermin“, sagt der Experte.

So erkennen Eltern, ob es eine Nesselsucht ist

Er verrät einen Trick­, wie Eltern sehen können, ob es sich um eine Nesselsucht handelt: „Umkreisen Sie eine Quaddel mit einem weichen Buntstift. Wenn sie 24 Stunden später nicht mehr an dieser Stelle ist, steht fest, dass es eine Urtikaria ist beziehungsweise war.“ Deswegen wird die Nesselsucht als flüchtig oder wandernd beschrieben und ist übrigens nicht ansteckend. Unter Umständen bilden sich neue Quaddeln an an­deren Stellen oder sie verschwinden einfach.

Sind die Schwellungen nicht nur oberflächlich, sondern tiefer im ­Gewebe (sogenannte Angio­ödeme), ­etwa wenn die Augenlider, die Lippen oder die Zunge anschwillt: bitte sofort eine Ärztin oder einen Arzt aufsuchen! „Gerade im Rachen können Schwellungen zu Atemnot führen“, warnt Kunz.

Kämpft das Kind wiederholt mit der Erkrankung, bestehen weitere Symptome wie Fieber oder dauert die Nesselsucht länger als sechs Wochen, sollte auch nach chronischen Entzündungen gesucht werden. Sie können etwa von einer Mittelohr- oder Nebenhöhlenentzündung rühren oder auch von einem entzündeten Zahn. Dadurch kann ­eine Nesselsucht immer wieder an­geheizt werden. „Dann ist auf jeden Fall eine gründliche Untersuchung und ein Blutbild ratsam“, ergänzt Pleimes.

In sehr seltenen Fällen kann eine Nesselsucht mit einem lebensgefähr­lichen anaphylaktischen Schock einhergehen. Bei diesem handelt es sich um die schwerste Form einer aller­gischen Reaktion. Symptome können Kreislaufstörungen, Erbrechen, Durchfall und Atemnot sein. Dann unbedingt den Notarzt (112) rufen!

Bei Juckreiz Haut kühlen und cremen

Bei Verdacht auf Nesselsucht können Eltern vor allem eines tun: den Juckreiz lindern. Die betroffenen Stellen zu kühlen, kann angenehm sein. Dafür eignen sich Kühlpads, die mit ­einem Tuch umwickelt werden. Bitte nicht direkt auf die Haut legen, das kann zu Unterkühlungen führen.

Hautärztin Barbara Kunz empfiehlt ein Kirschkernkissen, das vorher in die Tiefkühl­truhe gelegt wurde. Auch kühlende Gels können helfen. Bei starkem Juckreiz raten beide Fachleute zur Gabe eines Antihistaminikums, entweder als Saft oder Tablette. Manche Wirkstoffe sind verschreibungspflichtig, andere gibt es rezeptfrei in der Apotheke. Lassen Sie sich dazu und zur richtigen Dosierung beraten.

Bei Mats verschwanden die juckenden ­Quaddeln am nächsten Tag – genauso spontan, wie sie gekommen waren.

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