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Ein Brötchen mit Nussnugat-Creme, dazu Ei und warme Milch. Was für viele Kinder nach einem leckeren Frühstück klingt, kann für Allergiker lebensgefährlich sein. Hühnerei, Kuhmilch, Erdnuss, Nüsse und Weizen zählen zu den häufigsten Allergieauslösern. Betroffene reagieren meist innerhalb weniger Minuten bis zwei Stunden – oft mit Schwellungen, Juckreiz, Quaddeln im Gesicht und am Körper sowie mit Übelkeit und Erbrechen. "Treten Symptome wie Atemnot oder sogar Herz-Kreislauf-Versagen auf, wird es lebensbedrohlich. Eine Anaphylaxie muss sofort behandelt werden", sagt Prof. Dr. Kirsten Beyer, Leiterin der Sektion Kinderallergologisches Studienzentrum an der Berliner Charité.

Immunsystem in Panik

Doch was passiert in diesem Moment und warum? "Das Immunsystem reagiert übertrieben stark auf eigentlich harmlose Substanzen, in diesem Fall auf bestimmte Eiweiße in den betreffenden Lebensmitteln", erklärt Beyer. "Um die irrtümlich als gefährlich eingestuften Eindringlinge zu bekämpfen, schüttet der Organismus unter anderem große Mengen des Botenstoffs Histamin aus, das wiederum die allergischen Reaktionen auslöst." Häufig beginnt diese Überempfindlichkeit in den ersten zwei Lebensjahren. Oft besteht eine familiäre Veranlagung. Umwelteinflüsse können ebenfalls die Entwicklung einer Allergie begünstigen.

"Überdurchschnittlich oft sind Kinder betroffen, die Neurodermitis haben oder hatten. Wir wissen heute, dass über die gestörte Barrierefunktion der Haut bereits Kontakt mit Nahrungsmittelallergenen aus der Umwelt besteht und Allergieantikörper gebildet wurden, noch bevor das Kind das erste Mal das Nahrungsmittel gegessen hat. Auch betroffene vollgestillte Kinder haben bereits Allergie-Antikörper im Blut", sagt die Expertin. Der Grund: Überall in der Wohnung befinden sich kleine Mengen unserer Nahrung, sogar im Kinderbett. Das hat nichts mit mangelnder Hygiene zu tun.

Viel weniger als vermutet

Es gibt auch gute Nachrichten: "Wir testen sehr viele Kinder auf eine Nahrungsmittelallergie, weil Eltern einen Verdacht hegen. Die Befürchtungen bestätigen sich aber oft nicht. Tatsächlich sind etwa vier bis acht Prozent aller Kinder von einer Nahrungsmittelallergie betroffen. Ungefähr jedes 50. Kind in Deutschland ist auf Hühnerei allergisch, jedes 200. auf Kuhmilch", sagt die Allergologin. Bei vier von fünf Kindern verwächst sich die Empfindlichkeit bis zum Einschulungsalter. Nicht so bei der Erdnussallergie – betroffene Kinder bleiben oft ihr Leben lang allergisch. Doch auch da gibt es Hoffnung: In den USA wurde vergangenes Jahr ein Medikament zur oralen Immuntherapie auf Basis von Erdnussmehl zugelassen, das die Symptome einer Erdnussallergie abschwächt. "Wir hoffen auf eine baldige Zulassung für Deutschland. Das Medikament ist zwar kein Freifahrtschein zum Erdnussknabbern, es erhöht jedoch die vertragene Menge und mildert die allergische Reaktion", so die Expertin.

Unverträglichkeit ist keine Allergie

Warum bestätigt sich der Verdacht von Eltern auf eine Nahrungsmittelallergie aber oft nicht? "Manchmal vertragen Kinder bestimmte Lebensmittel nicht gut, weil sie sie nicht richtig verdauen können und entwickeln dann Magen-Darm-Beschwerden", sagt Beyer. "Ist Fruktose hierfür verantwortlich, reicht es meist, die Zufuhr zu reduzieren. Bei Kindern mit Neurodermitis kommt es häufig zu Rötungen am Mund, wenn sie säurehaltige Früchte gegessen haben. Beides ist aber keine Allergie, sondern eine Unverträglichkeit." Das Problem: "Die Begrifflichkeiten werden oft vermischt und die lebensgefährliche Allergie damit unter Umständen verharmlost", erklärt die Allergologin.

Kinder mit Risiko für schwere allergische Reaktionen brauchen ein Notfallset, das immer griffbereit sein sollte. Das wichtigste Medikament ist hierbei ein Autoinjektor (Pen) mit Adrenalin. Üblicherweise kommen ein Antihistaminikum, ein Kortison-Präparat und bei Bedarf ein Asthmaspray hinzu. Kinder und Betreuer werden darin geschult, die enthaltenen Medikamente korrekt anzuwenden.

Vorbeugender Kontakt

Neben den Fortschritten in der Therapie, gibt es auch bei der Vorbeugung einige Veränderungen. "Früher wurden allergene Nahrungsmittel häufig gemieden. Heute wissen wir, dass eine frühe Gabe durchaus sinnvoll sein kann", sagt Beyer. "Um eine Hühnerei-Allergie zu vermeiden, sollte mit der Beikost durcherhitztes – wie gebackenes oder hart gekochtes – Ei eingeführt und regelmäßig gegeben werden, nicht aber rohes Hühnerei wie es noch in Rührei oder weich gekochten Eiern enthalten sein kann." Und sie ergänzt: "In Bezug auf andere Nahrungsmittelallergene haben wir noch nicht so klare Empfehlungen, aber wir erforschen dies zurzeit intensiv."

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