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Nach oben und unten, nach vorne und hinten, sogar einmal rund herum – die Schulter ist das beweglichste ­Gelenk im Körper. Und auch das komplizierteste: Das Zusammenspiel aus Knochen, Muskeln und Sehnen ermöglicht, dass wir unsere Arme in fast jede Richtung bewegen können. Diese Flexibilität hat jedoch ihren Preis. Die Schulter ist ­anfällig und macht nicht selten Probleme. Etwa jede und jeder zehnte Erwachsene in Deutschland ist von Beschwerden ­betroffen.

Wann ist eine Operation sinnvoll?

Weil die Schulter so ein komplexes Gelenk ist, ist die Ursache nicht immer leicht festzustellen. „Es ist aber wichtig, frühzeitig herauszufinden, was die Schmerzen verursacht“, betont Dr. Sophia Hünnebeck. Sie ist Oberärztin für Orthopädie und Unfallchirurgie, Abteilung obere Extremität, Hand- und Mikrochirurgie am Immanuel Krankenhaus Berlin und hat die aktuelle medizinische Leitlinie zur Schultererkrankung „subacromiales Impingement“ koordiniert. Den Grund für die Beschwerden festzustellen ist wichtig, weil in manchen Fällen eine Operation nötig ist.

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Zum Beispiel bei einer akuten Rotatorenmanschettenruptur. „Eine schnelle Operation ist in so einem Fall empfehlenswert“, erklärt Prof. Dennis Liem. Er ist Orthopäde in Berlin, spezialisiert auf Schulter- und Ellenbogenchirurgie und arbeitet an der Aktualisierung der Behandlungsleitlinie Rotatorenmanschettenruptur mit. Auch bei einem Engpass-Syndrom der Schulter kann eine OP infrage kommen; wenn strukturelle Veränderungen der Grund sind, wie ein hakenförmiges Schulterdach. Chirurgische Maßnahmen können aber auch bei anderen Ursachen sinnvoll sein. Beispielweise wenn eine konservative Behandlung mit Physiotherapie und Schmerzmitteln nicht oder nicht ausreichend gut hilft.

Wie lange sollten Betroffene therapiert werden?

Es gibt keine festen Zeiträume, wie lange Betroffene konservativ therapiert werden, bevor sie operiert werden. „Solange es Fortschritte bei der Beweglichkeit und den empfundenen Schmerzen gibt, sind das Gründe, mit der konservativen Behandlung weiterzumachen“, erklärt Carl Christopher Büttner aus dem Referat Bildung und Wissenschaft des Deutschen Verbandes für Physiotherapie in Köln. Es gibt spezielle Fragebögen, um die Fortschritte zu messen. Verändert sich nichts oder verschlechtert sich der Zustand, kann ein Eingriff sinnvoll sein. Die Entscheidung liegt dann bei der Patientin oder dem Patienten. Liem erklärt aber: „Die Ärztin oder der Arzt sollten sich schon trauen, eine Empfehlung auszusprechen und darauf hinweisen, dass bei Unsicherheiten auch eine zweite Meinung hilfreich sein kann.“

Wie erfolgt die Diagnose?

Für die Diagnose steht zunächst das Gespräch zwischen Ärztin und Patient an. Mit verschiedenen Tests wird unter anderem die Beweglichkeit der Schulter geprüft. Wenn die Schmerzen schon länger ­bestehen oder eine Operation infrage kommt, sind bildgebende Verfahren notwendig. „Innerhalb der ersten sechs Monate sollte ­eine Magnetresonanztomographie (MRT) gemacht und/ oder ­geröntgt werden, damit man weiß, womit man es zu tun hat“, sagt Hünnebeck. Die Methode hängt vom Einzelfall ab. Auch ein Ultraschall kann sinnvoll sein.

Wie verläuft die Schulter-Operation?

Ein Eingriff erfolgt in aller Regel per Arthroskopie: Bei der minimalinvasiven Operation werden über kleine Schnitte in der Haut eine Kamera und die nötigen Werkzeuge in die Schulter eingeführt. So sind etwa Knorpel, die Rotatorenmanschette, der Schleimbeutel und das Schulterdach gut sichtbar. Durch die Kamera erkennt man, ob beispielsweise Sehnenrisse kleiner oder größer sind als auf Basis der vorangegangenen Diagnostik, wie Röntgen oder MRT, erwartet. Bei einem Riss der Rotatorenmanschette werden die Sehnen wieder am Knochen verankert. Beim Engpass-Syndrom wird die arthroskopische subacromiale Dekompression (SAD) durchgeführt: Knochen und Gewebe werden abgetragen, sodass unter dem Schulterdach mehr Platz entsteht, zum Beispiel für Schleimbeutel und Muskeln.

Wie gut wirkt die SAD?

Ein Allheilmittel ist die SAD aber nicht. 2017 veröffentlichte das Fachmagazin The Lancet eine Studie zu dem Eingriff. Das Wissenschafts-Team der Universität Oxford hatte etwa 300 britische Patientinnen und Patienten, die seit mindestens drei Monaten Schmerzen unter dem Schulterdach hatten, nach dem Zufallsprinzip in drei Gruppen aufgeteilt: Bei der einen Gruppe wurde eine SAD durchgeführt, bei einer anderen lediglich eine Schein-Operation ohne SAD, die dritte Gruppe ­bekam gar keine Behandlung. Das Ergebnis: Allen Teilnehmenden ging es nach sechs Monaten besser. Der tatsächliche Eingriff war nicht erfolgreicher als die Schein-Operation. Aber beides half Menschen mit Schmerzen unter dem Schulterdach etwas mehr, als gar nicht behandelt zu werden. Zu ähnlichen Ergebnissen kamen Forscherinnen und Forscher bei der Analyse mehrerer Studien. Fachverbände ­kritisieren die Studie aus Oxford, da in Deutschland andere Voraussetzungen ­gelten, wann operiert wird und wann nicht. Sinnvoll kann eine SAD bei einem Engpass-Syndrom vor allem sein, wenn andere Maßnahmen wie Physiotherapie zu keiner ­Besserung führen.

Welche Risiken gibt es?

Eingriffe an der Schulter sind – wie jede OP – nicht ohne Risiko: Etwa bei einem von 100 Eingriffen kommt es zu Komplikationen. Möglich sind Infektionen, Wundheilungsstörungen, Blutungen und selten auch Nervenschädigungen. Außerdem bekommt etwa eine oder einer von 100 Operierten ­eine „Frozen Shoulder,“ auch Schultersteife genannt. Dabei haben Betroffene maximale Schmerzen im Schulterbereich, weshalb sie das Gelenk kaum noch bewegen können – glücklicherweise bildet sich das Problem in der Regel von alleine zurück.

Dr. Sophia Hünnebeck, Oberärztin für Orthopädie der oberen Extremität in Berlin.

Dr. Sophia Hünnebeck, Oberärztin für Orthopädie der oberen Extremität in Berlin.

Früher galten Eingriffe im höheren Alter als besonders risikoreich. Von der Hand zu weisen ist das auch heute nicht. „Die Qualität der Sehnen nimmt mit den Jahren ab“, erklärt Sophia Hünnebeck. Die Wahrscheinlichkeit, dass die Verletzung nicht heilt oder Sehnen wieder reißen, steige. Aber: „Jede OP ist eine individuelle Entscheidung. Es gibt keine Altersgrenze, ab der nicht mehr operiert wird.“

Was gibt es nach der OP zu beachten?

Ob alt oder jung – mit einem Eingriff ist das Thema Schulterschmerzen nicht sofort abgehakt: Nach der OP steht die Nachsorge an. Sie ist vergleichbar mit der konservativen Behandlung ohne Operation und ­bedeutet vor allem: Physiotherapie. „Wie ­genau die aussieht, hängt von der Ursache der Beschwerden und vom Eingriff ab. Der Ablauf wird von der operierenden Klinik festgelegt“, erklärt Büttner. In aller Regel muss die Schulter erst geschont werden, etwa mithilfe einer Armmanschette. Oder es ist passive Bewegung angesagt: Das heißt, der Therapeut bewegt die Schulter, ohne dass die Patientin die Muskulatur nutzt.

Nach dem Schonen folgt eine Trainingstherapie. Das Ziel: im Alltag wieder gut funktionieren. „Die Behandlung zielt auf Aktivität ab“, erklärt Büttner. Vor allem die Kräftigung der Schulter steht im Fokus. „Die meisten kommen zweimal zwanzig Minuten pro Woche zur Physiotherapie.“ Damit die Behandlung hilft, müssen Patientinnen und Patienten auch zu Hause etwas tun – da ist Disziplin gefragt.

Neben guter Beratung, Diagnostik und ­Behandlung darf bei Schulterschmerzen aber noch etwas nicht fehlen, wie Hünnebeck betont: „Betroffene brauchen einen langen Atem. Dass die Behandlung ein Jahr dauert, ist keine Seltenheit – ob mit oder ohne OP.“

Wie finde ich einen guten Operateur/eine gute Klinik?

Anders als beispielsweise bei Handchirurgen gibt es für Operateurinnen und Operateure, die auf Eingriffe an der Schulter spezialisiert sind, keine anerkannte Zusatzbezeichnung. Stattdessen können sie von der D-A-CH Vereinigung für Schulter- und Ellenbogenchirurgie zertifiziert werden. Für das Basiszertifikat sind 100 Theorie- und Praxisstunden notwendig. Für das Expertenzertifikat braucht es 60 zusätzliche Theoriestunden sowie innerhalb von 3 Jahren 250 Operationen im Schulter-Ellenbogen-Bereich. Eine Liste zertifizierter Mitglieder und Kliniken ist unter www.dvse.info/ zu finden.

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Quellen:

  • gesundheitsinformation.de: Schulterschmerzen . Online: https://www.gesundheitsinformation.de/... (Abgerufen am 04.12.2023)
  • Robert Koch-Institut: Prävalenz von Gelenkschmerzen in Deutschland. Online: https://www.rki.de/... (Abgerufen am 04.12.2023)
  • AWMF online: Subacromiales Impingement, S2e-Leitlinie. Online: https://register.awmf.org/... (Abgerufen am 04.12.2023)
  • AWMF online: S2e-Leitlinie „Rotatorenmanschette“. online: https://register.awmf.org/... (Abgerufen am 04.12.2023)
  • Heitmann M., Frosch K.-H., Wittner B., AWMF online : Posttraumatische Schulterinstabilität, Leitlinien Unfallchirurgie. Online: https://register.awmf.org/... (Abgerufen am 04.12.2023)
  • Beard D, Rees J., Cook J. et al. : Arthroscopic subacromial decompression for subacromial shoulder pain (CSAW), A multicentre, pragmatic, parallel group, placebo-controlled, three-group, randomised surgical trial. Online: https://www.thelancet.com/... (Abgerufen am 04.12.2023)
  • Lähdeoja T., Karjalainen T., Jokihaara J et al. : Subacromial decompression surgery for adults with shoulder pain: a systematic review with meta-analysis . Online: https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/... (Abgerufen am 04.12.2023)
  • Gesundheitsinformation.de: Schulterschmerzen. Online: https://www.gesundheitsinformation.de/... (Abgerufen am 04.12.2023)
  • Gemeinsamer Bundesausschuss: Ärztliche Zweitmeinung zukünftig auch bei geplanter Schulterarthroskopie möglich. Online: https://www.aga-online.ch/... (Abgerufen am 04.12.2023)
  • Beard DJ, Rees JL, Cook JA et al. : Schulterstudie liefert keine neuen Erkenntnisse. Online: https://www.bvou.net/... (Abgerufen am 04.12.2023)
  • DVSE: Zertifizierte Fortbildung. Online: https://www.dvse.info/... (Abgerufen am 04.12.2023)