Schultereckgelenksprengung

Beim ungebremsten Sturz auf die Schulter kann es zu einer Schultereckgelenkssprengung kommen
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Das Schultereckgelenk verbindet das äußere Ende des Schlüsselbeins mit einem Knochenvorsprung des Schulterblattes. Dieser Knochenvorsprung heißt Acromion deshalb wird das Gelenk medizinisch Acromioclaviculargelenk (ACG) genannt. Zum Vergrößern bitte auf die Lupe oben links im Bild klicken!
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Was ist eine Schultereckgelenksprengung?
Das Schultereckgelenk (Akromioklavikulargelenk) – nicht zu verwechseln mit dem Schultergelenk! – ist die Verbindung zwischen dem äußeren Schlüsselbeinende (Clavicula) und dem Schulterdach (Akromion). Mehrere Bänder halten das Gelenk in Position, vor allem das Ligamentum acromioclaviculare und das Ligamentum coracoclaviculare sind hier zu nennen.
Bei einer Schultereckgelenksprengung werden die Bänder, die das Schultereckgelenk stabilisieren und zusammenhalten durch einen Sturz oder Zusammenprall entweder gedehnt oder reißen teilweise oder komplett durch: es kommt zum Riß der Bänder (Ruptur) des Akromioclaviculargelenkes (siehe Grafik).

Meist entsteht die Verletzung durch einen direkten Sturz auf die Schulter oder den ausgestreckten Arm
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Ursachen einer Schultereckgelenksprengung
Eine Schultereckgelenksprengung entsteht, wenn plötzlich zu hohe Kräfte auf das Schultereckgelenk einwirken – wie bei einem Sturz oder einem heftigen Zusammenprall. Besonders Stürze auf die Schulter, auf den ausgestreckten Arm oder – seltener – auf den Ellbogen oder die Hand können eine Schultereckgelenksprengung verursachen.
Bei Sportarten mit Gegnerkontakt und härterem Körpereinsatz wie Fußball, Eishockey oder Handball kann es leicht zu Schultereckgelenksprengungen kommen. Weitere Sportarten, in deren Folge sie häufiger auftritt, sind zum Beispiel Radfahren, Reiten und Judo. Am besten kann der Verletzungsmechanismus nachempfunden werden, wenn man sich vorstellt, wie der Torwart mit dem Ball "unterm Arm" auf die gleichseitige Schulter fällt.
Am häufigsten erleiden Männer zwischen dem 20. und dem 40. Lebensjahr eine Schultereckgelenksprengung. Insgesamt sind Männer fünf bis zehn Mal häufiger von dieser Verletzung betroffen als Frauen.

Starke Schmerzen in der Schulter sind bei einer Schultereckgelenksprengung typisch
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Symptome einer Schulterecksprengung
Eine Schultereckgelenksprengung äußert sich im typischen Fall mit sofort einsetzenden starken Schmerzen. Bewegung verstärkt die Beschwerden, sodass die Betroffenen eine Schonhaltung einnehmen. Auch Druck auf die verletzte Stelle ist sehr schmerzhaft. Im Gegensatz zur Luxation (Ausrenkung) des Schultergelenks kann der Arm relativ gut passiv bewegt werden.
In der Folge der Verletzung entsteht meist eine Schwellung, die sich auf Teile der Schulter und des Oberarms erstreckt. Manchmal findet sich ein Bluterguss (Hämatom, "blauer Fleck") mit entsprechender Verfärbung.
Je nach Schwere verschiebt sich das Schlüsselbein durch den Unfall in seiner Position. Dann kann das das äußere Ende des Schlüsselbeins nach oben abstehen – was manchmal äußerlich als "Beule" im oberen Schulterverlauf sichtbar wird.
Diagnose
Anamnese: Der Arzt erkundigt sich nach dem genauen Hergang. Er fragt zum Beispiel, wie der Patient gestürzt ist – und welche Beschwerden er spürt. Daraus lässt sich oft schon erahnen, dass das Schultereckgelenk verletzt ist. Schwere Formen der Schultereckgelenksprengung sind vom Arzt auf den ersten Blick zu erkennen. Das Schlüsselbein ist dabei unter Umständen so verschoben, dass das äußere Ende sichtbar höher steht als vor dem Unfall beziehungsweise als auf der unverletzen Gegenseite.
Körperliche Untersuchung: Um die Schulter genauer zu untersuchen, hält der Arzt mit einer Hand den ausgestreckten Arm der verletzten Person und bewegt ihn vorsichtig von vorne nach hinten. Dabei tastet der Arzt mit der anderen Hand die Schulterstrukturen ab. Die betroffenen Bänder sind dabei druckschmerzhaft. Bei einer vollkommenen Durchtrennung der betroffenen Bänder (Ligamentum acromioclaviculare und Ligamentum coracoclaviculare) steht das Schlüsselbeinende nach oben. Der Arzt kann nun das nach oben verschobene äußere Ende des Schlüsselbeins vorsichtig in die normale Position herunterdrücken – wie eine Klaviertaste. Beim Loslassen federt das Schlüsselbein wieder nach oben in die verletzungsbedingte Ausgangslage. Daher nennt man diesen Befund auch "Klaviertastenphänomen". Bei älteren Verletzungen des Schultereckgelenks gelingt diese Prüfung fast schmerzfrei.
Röntgen-Aufnahmen der Schulter helfen, den Schweregrad der Schultereckgelenksprengung zu bestimmen und einen Knochenbruch auszuschließen. Oft werden Aufnahmen von beiden Schultern von vorne gemacht und verglichen. Der Patient hält während der Aufnahme üblicherweise Gewichte von zehn bis fünfzehn Kilogramm am nach unten ausgestreckt hängenden Arm. Der Zug der Gewichte macht das Ausmaß der Gelenkverletzung auf dem Röntgenbild im Seitenvergleich besser sichtbar, da sich bei einer Bandverletzung der Raum zwischen dem Gelenk erweitert.
Seltener kommen weitere bildgebende Verfahren zum Einsatz wie eine Ultraschall-Untersuchung, eine Computertomografie oder eine Magnetresonanz-Tomografie.
Einteilung der Schultereckgelenksprengung
Die Schweregrade der Schultereckgelenksprengung werden nach Tossy I-III (alte Klassifikation) bzw. Rockwood I-VI (neue Klassifikation) eingeteilt, wobei sich Tossy I-III und Rockwood I-III nicht unterscheiden.
- Tossy I/Rockwood I: Die Bänder, die das Schultereckgelenk sichern, sind gezerrt beziehungsweise überdehnt. Die Funktion des Schultereckgelenks ist noch voll vorhanden. Es kommt zu Schmerzen und einer Schwellung, aber die Verletzung heilt später völlig aus.
- Tossy II/Rockwood II: Eines der Bänder, die das Schultereckgelenk sichern, ist gerissen, das andere überdehnt. Die Schulterbewegung ist schmerzhaft, das Schlüsselbein der verletzten Seite steht etwas höher. Die Gelenkflächen von Schulterdach und Schlüsselbein berühren sich noch teilweise.
- Tossy III/Rockwood III: Beide Bänder sind gerissen, das Schlüsselbein steht anormal hoch und es besteht kein Kontakt mehr der Gelenkflächen von Schulterdach und Schlüsselbein. Das Klaviertastenphänomen ist in diesem Fall feststellbar.
Die Verletzungen nach Rockwood IV-VI beschreiben kompliziertere Formen der Schultereckgelenksprengung und kommen selten vor.

Bei einer schweren Schultereckgelenksprengung kann eine Operation erforderlich sein. Oft genügt jedoch die Ruhigstellung im Stützverband
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Therapie der Schultereckgelenksprengung
Konservativ (Rockwood I und II):
Unmittelbar nach einer Schultereckgelenksprengung empfiehlt es sich, die betroffene Region zu kühlen. Die Kälte sorgt unter anderem dafür, die Schwellung gering zu halten. Zum Kühlen eignen sich zum Beispiel kühlende Verbände oder Kältekompressen.
Das weitere Vorgehen ergibt sich aus dem Schweregrad der Verletzung. Liegt eine Schultereckgelenksprengung ersten oder zweiten Grades vor (Rockwood I oder II, siehe Einteilung), besteht die Therapie hauptsächlich darin, das verletzte Gelenk ruhig zu stellen. Die Ruhigstellung geschieht mithilfe spezieller Verbandstechniken wie dem Gilchrist- oder dem Desault-Verband. Aber auch eine Behandlung mit einem Tape-Verband ist möglich. Diese Verbände entlasten die Schulter vom Gewicht des Arms und jeglicher Bewegung. So können die verletzten Bandstrukturen ausheilen. Zudem verschreibt der Arzt eventuell schmerzstillende und entzündungshemmende Medikamente.
Operativ / Konservativ (Rockwood III):
Sind bei einer Schultereckgelenksprengung beide Bänder gerissen (dritter Schweregrad), entscheiden sich Mediziner eventuell für eine Operation – insbesondere bei jüngeren Menschen und Sportlern. Der Eingriff ist jedoch nicht in allen Fällen zwingend notwendig. Es existieren verschiedene Operationsverfahren. Unter anderem können die gerissenen Bänder genäht oder die verletzten Schulterstrukturen mithilfe von Sehnenplastiken, Drähten, Haken-Platten oder Verschraubungen stabilisiert beziehungsweise fixiert werden. Die Schweregrade vier bis sechs nach Rockwood (siehe Einteilung) werden üblicherweise immer operiert.
Der weitere Heilungsverlauf kann durch Krankengymnastik unterstützt werden. Um Rückschläge während der Nachbehandlung zu vermeiden, sollten starke Zug- und Druckkräfte auf die Schulter möglichst vermieden werden. Wann die Schulter wieder normal belastbar ist, sollte individuell mit dem behandelnden Arzt und dem Physiotherapeuten besprochen werden.
Bei schweren Schultereckgelenkverletzungen oder ungünstigem Heilungsverlauf kann sich in der Folge eine Schultereckgelenkarthrose entwickeln, die sich später vor allem durch Gelenkschmerzen und eine eingeschränkte Beweglichkeit des Schultergelenks äußert.

Dr. med. Martin Talke
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Beratender Experte
Dr. med. Martin Talke ist Facharzt für Orthopädie und Unfallchirurgie, Rheumatologie mit Zusatzbezeichnungen Sportmedizin und Physikalische Therapie. Von 1980 bis 2012 war er in eigener orthopädischer Praxis in Berlin tätig. Seit 2013 arbeitet er in einem Medizinischen Versorgungszentrum in Berlin.
Wichtiger Hinweis: Dieser Artikel enthält nur allgemeine Hinweise und darf nicht zur Selbstdiagnose oder –behandlung verwendet werden. Er kann einen Arztbesuch nicht ersetzen. Die Beantwortung individueller Fragen durch unsere Experten ist leider nicht möglich.