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Die Botschaft prangt gut sichtbar auf dem Deckel: „20 g Protein“ stecken im Pudding. Ob Kekse, Nudeln, Joghurt, Eis oder Fertiggerichte: High-Protein-Produk­te werben mit einem sehr hohen Eiweißgehalt. Das soll helfen, Gewicht zu verlieren und Muskeln aufzubauen. Oft sind die Lebensmittel bis zu dreimal teurer als herkömmliche Produkte. Lohnt sich der Kauf trotzdem? Vielleicht sogar speziell für Personen mit ­Diabetes?

Ein erfolgreicher Markentrick

„Solche Produkte sind schwer im Trend“, sagt Jana Fischer, Referentin in der Abteilung Lebensmittel und Ernährung der Verbraucherzentrale Hamburg. „Notwendig sind sie nicht, die Proteinversorgung in Deutschland ist gut.“ ­Zumal die Produkte mitunter viel Zucker und Zusatzstoffe wie Aromen, ­Süßungsmittel oder Fett enthalten. „Manchmal werden auch Lebensmittel so beworben, die von Natur aus proteinreich sind, Frischkäse oder Quark etwa“, sagt Fischer.

Ein Marketingtrick also. Erlaubt ist das. Laut Health Claims-Verordnung der Europäischen Union sind Bezeichnungen wie „hoher Proteingehalt“ oder „reich an Eiweiß“ zulässig, wenn mindestens 20 Prozent des gesamten Kaloriengehaltes eines Lebensmittels aus dem Protein kommen.

Kunden werden getäuscht

Verbraucherschützerin Jana Fischer ­ärgert, dass Kundinnen und Kunden oft in die Irre geführt werden: Denn die in Gramm angegebene Proteinmenge bezieht sich in vielen Fällen nicht, wie sonst üblich, auf 100 Gramm. Sondern auf das gesamte Produkt, also etwa den Puddingbecher, der 200 Gramm wiegt. „Wer den ganz verputzt, ist zwar erst mal satt, hat aber lediglich eine Süßigkeit genascht — Protein hin oder her.“

Auch wenn man sich teure High-Protein-Produkte schenken kann: Unser Körper braucht Eiweiß, etwa als wichtigen Baustein für Hormone, Immunzellen und rote Blutkörperchen. Auch für das Muskelwachstum und die Knochen ist es wichtig. Fehlt Eiweiß, baut unser Körper es aus der Muskelmasse ab.

Mehr Sport - mehr Protein

Die Deutsche Gesellschaft für ­Ernährung empfiehlt ­gesunden Erwachsenen unter 65 Jahren, täglich 0,8 Gramm Protein pro Kilogramm Körpergewicht aufzunehmen. Wer älter ist, braucht etwas mehr, um Muskelabbau entgegenzuwirken: ein Gramm pro ­Kilogramm Körpergewicht. Laut der Verbraucherzentrale Bremen werden diese Mengen in Deutschland mit einer ausgewogenen Ernährung meist schon überschritten.

Aber wie sieht es bei Sportlerinnen und Sportlern aus? Viele der High-Protein-Produkte sprechen gezielt diese Gruppe an. „Hobbysportler brauchen nicht mehr als die 0,8 Gramm pro Kilo Körpergewicht“, sagt Fischer. Für diejenigen, die mehr als fünf Stunden pro Woche trainieren, kann mehr Eiweiß sinnvoll sein. „Profisportler sollten sich aber individuell beraten lassen“, so die Expertin. Denn der Bedarf hängt unter anderem von Trainingsziel und -dauer ab.

Eiweiß macht lange satt

Auch für Menschen mit Diabetes könnte eine eiweißreiche Ernährung vorteilhaft sein. Denn Eiweiß wirkt sich nur wenig auf den Blutzuckerspiegel aus und lässt daher auch den Insulinspiegel kaum steigen. Eiweiß macht außerdem am längsten satt. Leider gebe es keine guten Studiendaten, um grundsätzlich mehr Eiweiß zu empfehlen, sagt Professor Thomas Skurk, Vorsitzender des Ausschusses Ernährung und Diabetes der Deutschen Diabetes Gesellschaft. Vor allem für Menschen mit fortgeschrittener Nierenerkrankung kann ein ­Zuviel an Protein problematisch sein. ­Generell gilt: Wer auf eine eiweiß­reichere Ernährung umsteigen will, sollte zuerst Rücksprache mit dem Arzt oder der Ärztin halten.

Der Bedarf lässt sich leicht mit einer ausgewogenen ­Ernährung und ganz normalen ­Lebensmitteln decken. Proteinreich sind etwa Eier und Milchprodukte. Auch Fisch und Fleisch enthalten Eiweiß, sollten aber nicht zu oft auf dem Speiseplan stehen. ­Getreide, Hülsenfrüchte wie Erbsen oder Linsen, Sojaprodukte wie Tofu oder auch Pilze liefern viel pflanzliches Protein, ebenso Brokkoli und Spinat. Diese Lebensmittel lassen sich gut kombinieren: Vollkornnudeln mit Linsenbolognese oder Kartoffeln mit Bohnen und Quark. Diese leckeren ­Gerichte geben unserem Körper die nötige Portion Eiweiß. Ganz ohne Protein-Pudding.

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Quellen:

  • Bundeszentrum für Ernährung: Proteinreiche Lebensmittel , Wie sinnvoll ist die Extraportion Eiweiß?. Online: https://www.bzfe.de/... (Abgerufen am 05.06.2023)
  • Deutsche Gesellschaft für Ernährung : Protein. Online : https://www.dge.de/... (Abgerufen am 01.06.2023)
  • Deutsche Gesellschaft für Ernährung : Protein. Online: https://www.dge.de/... (Abgerufen am 01.06.2023)
  • Verbraucherzentrale : Ernährung mit Extraportion Eiweiß: selbst für Sportler:innen überflüssig. Online: https://www.verbraucherzentrale.de/... (Abgerufen am 14.06.2023)
  • Schindler K, Brix J, Dämon S et al. : Ernährungsempfehlungen bei Diabetes mellitus (Update 2019). Wiener klinische Wochenschrift : https://link.springer.com/... (Abgerufen am 05.06.2023)
  • Deutsche Gesellschaft für Ernährung : Proteinzufuhr im Sport . Online: https://www.ernaehrungs-umschau.de/... (Abgerufen am 14.06.2023)
  • Kalantar-Zadeh K, Kramer H, Fouque D: High-protein diet is bad for kidney health: unleashing the taboo . PubMed: https://pubmed.ncbi.nlm.nih.gov/... (Abgerufen am 19.06.2023)