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Asthma galt ursprünglich gar nicht als Krankheit. Das Wort bezeich­nete eher den Zustand, keine Luft zu bekommen. So beschrieben die Griechen in der Antike sogar das Keuchen der Krieger im Kampf um ­Troja als asthmatisch. Weil es keine Erklärung für die Atembeschwerden gab, entstanden unterschiedlichste Behandlungen, die aus heutiger Sicht seltsam anmuten.

Bis ins 19. Jahrhundert wurden künstlich Wunden gesetzt, „damit die verdorbenen Säfte aus dem Körper fließen konnten“, erklärt Prof. Dr. Marion Maria Ruisinger vom Deutschen Medizinhistorischen Museum Ingolstadt das damalige Medizinverständnis. „Reizendes Pulver wurde draufgestreut, um die nässende Wunde offen zu halten.“ Was heute befremdlich klingt, hat damals geholfen. Die starken Reize und Entzündungen trieben den Cortisolspiegel hoch und linderten so die Asthmasymptome, vermutet die Medizinhistorikerin, die früher in der Pneumologie tätig war.

Luftnot macht den Asthmaanfall so gefährlich

Ein Asthmaanfall bedeutete lange eine lebens­bedrohliche Situation, die schwer behandelbar war. Eine der wenigen nicht sehr effektiven Maßnahmen gegen die Atemnot bestand darin, starken Kaffee oder Tee zu trinken. Todesfälle gibt es heute in Deutschland nur noch selten. Und durch ständig verbesserte Therapien werden es immer weniger. Im Jahr 1998 starben noch fast 4000 Menschen daran, heutzutage sind es etwa 1000 pro Jahr.

Die Luftnot ist dabei nach wie vor das Gefährliche. Die Bronchien schwellen an, verkrampfen und bilden übermäßig Schleim. Die Atemwege werden plötzlich ganz eng – meist ausgelöst durch Allergene, Kälte oder Anstrengung. „Früher vermutete man die Ursache unter anderem in der Über­erregbarkeit der Nerven“, erklärt Dr. Dominik Merdes, Pharmaziehistoriker an der Universität Braunschweig. Ganz falsch ist das nicht. Nur reagieren nicht die Nerven über, sondern die Lunge selbst.

Menschen mit Asthma reagieren stärker auf Fremdstoffe

Prof. Dr. Gerd Bendas von der Universität Bonn beschäftigt sich seit Jahren mit der Therapie von Entzündungskrankheiten. Er weiß: „Eine Asthmalunge ist stärker bereit, auf bestimmte Reize zu reagieren, als die Lunge einer gesunden Person.“ Grund ­seien unbemerkte dauerhafte entzündliche Vorgänge in den Bronchien – vergleichbar mit einem Topf voll heißem Wasser, der vor sich hin köchelt. Es sprudelt erst über, wenn man etwas Fremdes hineingibt.

Menschen ohne Asthma reagieren auf die Fremdstoffe nicht. Ihr Wassertopf ist kalt und kann nicht überlaufen. Erst spät wurden mechanische Reize wie Staub oder Pollen auch als Auslöser erkannt. Vor allem Kinder und Jugendliche sind von der allergischen Asthma­form betroffen. Sie tritt aber genauso auch erst im Erwachsenen­alter auf. ­Eine Hyposensibilisierung gegen den allergieauslösenden Stoff kann ein Behandlungsschritt sein, besonders bei Hausstaub und Gräserpollen. Die Allergie und das Asthma können sich so verbessern.

Hilfe durch Kortisontherapie

Bei einem nicht allergischen Asthma hilft eine Hyposensibilisierung nicht. Hier können ein Infekt, kalte Luft oder Schadstoffe wie Rauch das Asthma provozieren. Von dieser Form sind 10 bis 30 Prozent der Asthmapatientinnen und -patienten, vorwiegend Erwachsene, betroffen. Der Verlauf ist meist schwerer. Häufig liegt aber eine Mischform vor. „Bei den verschiedenen Asthmatypen laufen die Entzündungsreaktionen unterschiedlich ab“, erklärt Bendas. Doch bei allen ist das Behandlungsziel Nummer eins, die Entzündung zu hemmen und so ein Überreagieren der Bronchien zu verhindern.

Jeder Anfall verschlechtert das Asthma, weil er die Entzündungs­vorgänge in der Schleimhaut verstärkt.

Hier setzt die Therapie mit Kortison an. Vor rund 60 Jahren war der Einsatz mit dem Hormonstoff besonders in Form von Depotkortison verbreitet, das injiziert wurde. Heutzutage werden die Glukokortikoide zur Inhalation als Dosieraerosol oder Pulver eingesetzt. Auch bei mildem Asthma und bereits im Anfangs­stadium werden sie neuerdings als Dauertherapie empfohlen und sogar als Bedarfstherapie verwendet, dann zusammen mit einem bronchialerweiternden Notfallspray.

Nebenwirkungen durch Kortison selten

Mit Kortison vorzubeugen, ist laut Prof. Dr. Monika Gappa enorm wichtig: „Jeder Anfall verschlechtert das Asthma, weil er die Entzündungs­vorgänge in der Schleimhaut verstärkt. Anfälle gilt es grundsätzlich zu vermeiden.“ Gappa ist Chefärztin der Klinik für Kinder und Jugendliche im Evange­lischen Krankenhaus Düsseldorf und Präsidentin der European Respiratory Society. Angst vor Nebenwirkungen, wie man sie von Kortisontabletten bei langer Einnahme kennt, braucht keiner zu haben.

Der meiste Wirkstoff landet, wo er wirken soll: in den Bronchien. „Bei einer gut geführten inhalativen Therapie treten Nebenwirkungen in der Regel nicht auf“, erklärt Bendas. Durch die Arznei kann man verhindern, dass die Krankheit voranschreitet und Kortison in Tablettenform angewendet werden muss oder eine Notfallbehandlung nötig wird.

Das steht Menschen mit Asthma zu

• Vorsorge- und Rehabilitationsmaßnahmen: Lungensport, Atemtherapie und ein allergenarmes ­Klima lindern Symptome. Anträge können alle vier Jahre – bei medizinischer Notwendigkeit auch öfter – bei der Krankenkasse oder Rentenversicherung gestellt werden. Die entsprechend zertifizierte Kur- oder Rehaeinrichtung darf man selbst aussuchen.

• Schwerbehinderung: Der Schweregrad von ­Asthma hängt von der Häufigkeit und Intensität der Anfälle, der Lungenfunktion und dem Medikamentenbedarf ab. Er bestimmt auch den Grad der ­Behinderung (GdB). Je nach GdB ­bekommen Pa­tientinnen und Patienten einen Steuer­vorteil ­eingeräumt oder können einen Schwerbehindertenausweis beantragen. Anlaufstelle ist das zuständige Versorgungsamt.

• Der Peakflow-Messer ist ein Gerät, das einem zu Hause die Selbstkon­trolle über die eigene Lungenfunktion ermöglicht. Morgens und abends kräftig reinpusten und den Wert auf dem Gerät ab­lesen und notieren. So kann man einen Verlauf beobachten. Verschlechtern sich die Werte, ist ärzt­licher Rat nötig.

• Immer dabei: das Notfallspray. Bei einem Asthmaanfall hilft es, innerhalb von zehn Minuten die Atemnot aufzulösen. Bei einem starken Anfall kann ein zweiter Hub nötig sein. Reicht das nicht, braucht es ärztliche Hilfe. Menschen mit Allergien sollten außerdem stets eine Notfallkarte bei sich tragen – mit medizinischen Informationen etwa über allergieauslösende Stoffe. Das kann Leben retten.

Neue Therapiemethode mit Biologika

Seit einigen Jahren setzt sich neben Kortison eine neue Wirkstoffklasse durch: therapeutische Antikörper als sogenannte Biologika. Besonders Menschen mit schwerem Asthma profitieren von dieser Antikörpertherapie, die auch bei anderen Autoimmunerkrankungen eingesetzt wird. Gegen ­Asthma sind inzwischen sechs Biolo­gika zugelassen, die auf zellulärer Ebene ansetzen. „So kann die Therapie sehr individuell an die entsprechende Asthmaform angepasst werden“, erklärt Experte Bendas. Je früher die chronische Erkrankung behandelt wird, umso besser der Verlauf.

Viele Fälle von Asthma werden nicht diagnostiziert

Doch dafür muss das Asthma erst mal erkannt werden. Eine Studie in den USA ergab, dass in städtischer Umgebung möglicherweise jeder zweite Jugendliche mit Asthma gar nicht diagnostiziert ist. Auch der Deutsche Allergie- und Asthmabund geht davon aus, dass in Deutschland die Hälfte aller Fälle unentdeckt ist. Oft hat Asthma eine gene­tische Komponente. Hat ein Elternteil allergische Erkrankungen, ist das Asthma-Risiko dreifach erhöht. Gappa erlebt häufig, dass die Atemprobleme einfach ignoriert werden – von Betroffenen und Eltern.

Dabei ist etwa eine Furcht vor aufwendigen Therapien unbegründet. „Morgens ein Sog aus dem Pulverinhalator, abends ein Sog – das sind wenige Sekunden pro Tag“, erklärt die Expertin. Wichtig ist, nach einer Diagnose zu verstehen, was Asthma ist, und ­eine Asthma­schulung zu besuchen. Hier lernt man auch, die Medikamente richtig anzuwenden und Atemübungen wie die Lippenbremse, die auch bei einem Anfall hilft.

Viele Ärzte, die früher zu Asthma forschten, litten selbst unter der Erkrankung

Selbst wenn Beschwerden verschwinden und man keine Medikamente mehr braucht, sollte man aufmerksam bleiben. „Im Verlauf des Lebens kann es dazu kommen, dass das überempfindliche Immunsystem die überreagierende Lunge wieder aktiviert“, so Expertin Gappa. Wer neuerdings bei der Joggingrunde mit Freunden schneller aus der Puste kommt als die anderen oder seit Wochen einen unerklärbaren Husten an sich bemerkt, sollte ärztliche Hilfe in Anspruch nehmen. Es kann an einem Wiederaufflammen des Asthmas liegen.

Rauchen bei Asthma ist tabu

Der Weg zu den modernen Therapiean­sätzen war lang und führte auch in Sackgassen. „Viele Ärzte, die früher zu Asthma forschten, litten selbst unter der Erkrankung“, erklärt Historiker Merdes. Als das Rauchen in Mode kam, übernahmen britische Ärzte indische Heilmethoden. Dort schmauchte man Tabak mit Stechapfel in der Pfeife, um Atemnot zu lindern.

Um 1900 entwickelte man Asthmazigaretten, die auch Arsen, Tollkirsche oder Cannabis enthielten. Sie waren äußerst beliebt. Der französische Schriftsteller Marcel Proust beschrieb in Briefen, wie das Rauchen der Glimmstängel ihm geholfen habe. „Man verbrannte auch Salpeterpapier, um die Dämpfe einzu­atmen“, erklärt Merdes. Wie viele Menschen daran verstarben, zeigt ­keine Statistik. Heutzutage undenkbar. Rauchen ist mit Asthma tabu. „Selbst passiver Rauch ist ein Problem“, betont Gappa.

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