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Weiß und etwa münzgroß, so sieht der Sensor eines CGM-Systems aus. Üblicherweise wird er am Oberarm platziert und ist hier rund um die Uhr im Einsatz. Sein Job: Je nach System misst er ungefähr alle fünf Minuten den Glukosegehalt in der Gewebeflüssigkeit des Unterhautfettgewebes und überträgt die Daten an ein Empfangsgerät, in der Regel ein Smartphone. Und zwar völlig unblutig und schmerzlos.

Ursprünglich wurden CGM-Systeme für Menschen mit Diabetes entwickelt. Die Abkürzung steht für Continous Glucose Monitoring, also kontinuierliche Glukose-Überwachung. Betroffene können mit Hilfe des Gerätes und dank eines Alarms, der gesendet wird, schneller auf Unter- oder Überzuckerungen reagieren.

CGM-Systeme nun auch für Gesunde

„Immer mehr Menschen wollen ihr Wohlbefinden verbessern und Krankheiten vorbeugen. Das finde ich grundsätzlich gut“, erklärt Prof. Dr. Andreas Neu, Präsident der Deutschen Diabetes Gesellschaft (DDG). Lange lag der Fokus auf Smartwatches und Fitnesstrackern, die je nach technischer Ausstattung unter anderem Puls, Schritte und die Qualität des Schlafens erfassen. Doch diese Erkenntnisse reichen vielen aus unterschiedlichen Gründen nicht mehr. Neu: „Ein gesteigertes Interesse haben oft gesunde Menschen, in deren Familie Diabetes bereits eine Rolle spielt und zum Beispiel Vater oder Mutter schon erkrankt sind.“ Auch sportlich sehr aktive Personen wollen laut Neu oft wissen, wie sich Bewegung und bestimmte Lebensmittel auf ihre Leistungsfähigkeit auswirken, um ihr Potenzial zu optimieren. Dafür nutzen sie ihre Blutzuckerwerte. Denn bei einem niedrigen Wert ist man nicht so leistungsstark, wohingegen anhaltend hohe Werte nicht gesund sind.

Startup-Unternehmen versprechen nun: Wer seine Zuckerwerte kennt und durch eine bewusste Ernährung starke Aufs und Abs vermeidet, soll weniger unter Stimmungsschwankungen, hormonellen Dysbalancen sowie Schlafstörungen leiden. Ein weiteres großes Thema ist das Abnehmen, das erleichtert werden soll.

Messsysteme sind nicht zwingend nötig

„Wir wissen heute, dass auch genetische Merkmale das Risiko einer Diabetes-Erkrankung erhöhen. Deshalb ist es aus meiner Sicht für Menschen mit einer familiären Veranlagung wirklich eine gute Idee, sich gesund zu ernähren und auch regelmäßig zu bewegen“, meint Neu. So ließen sich leicht erhöhte Glukosewerte ausgleichen. Zudem werden im Rahmen der Gesundheitsuntersuchung, die man ab 35 auf Kosten der gesetzlichen Krankenkasse machen kann, die Blutzuckerwerte alle drei Jahre von Hausärztinnen und Hausärzten überprüft. Bei Patientinnen und Patienten mit erkrankten Verwandten würde ohnehin genauer auf deren Werte geschaut. Dennoch ist die Dunkelziffer bei Diabetes Typ 2 nach wie vor hoch. Zwischen dem Beginn der Krankheit und der Diagnose liegt statistisch gesehen eine Zeit von fünf bis acht Jahren. So lange weichen die Blutzuckerwerte der Betroffenen zum Teil stark von den empfohlenen Werten ab, ohne dass diese Menschen es wissen. „Wenn jemandem durch das Tragen eines CGM-Systems entgleisende Werte auffallen und sich die Person dadurch früher in ärztliche Hände begibt, ist das natürlich gut“, findet Neu.

CGM-Programme - Ein teurer Spaß

Seit 2016 zahlen Kassen CGM-Systeme für Menschen mit Diabetes Typ 1. In Einzelfällen bekommen auch Betroffene mit Typ-2-Diabetes solche Systeme genehmigt, wenn die Therapieziele nicht anders erreicht werden können. Für gesunde Menschen übernehmen die Krankenkassen die Kosten für ein CGM nicht. Je nach Anbieter muss man mit zirka 200 Euro bis 500 Euro für einen Monat rechnen. Darin enthalten sind üblicherweise CGM-Sensoren sowie die Nutzung der dazugehörigen App mit Erklärungen, Rezepten und interaktiven Kursen für einen bestimmten Zeitraum.

Nutzen und Risiken für Gesunde

Andreas Neu sieht vor allem Schwierigkeiten bei der Interpretation der Messdaten: „In der Regel wird beim Scannen ein einzelner Wert angegeben. Möglicherweise zeigt noch eine farbige Einordnung, ob der Glukosewert buchstäblich im grünen Bereich ist oder nicht. Doch ob Laien daraus nützliche Informationen gewinnen oder sogar ihre Ernährung dadurch verbessern können, bezweifle ich.“ Nicht ohne Grund gibt es in der Diabetes-Therapie spezielle Schulungen durch Fachpersonal, in denen erläutert wird, wie ein Glukose-Sensor anzuwenden ist.

Der Diabetologe befürchtet, dass die Daten Anwenderinnen und Anwender verunsichern könnten und steht mit dieser Sorge nicht allein da. Dr. Stefan Kabisch, Studienarzt in der Klinik für Endokrinologie und Stoffwechselmedizin an der Berliner Charité, sieht das ähnlich. Er hält es für überflüssig, wenn nicht sogar für gefährlich, CGMs ohne medizinische Notwendigkeit zu benutzen: „In der Regel sind es ja kohlenhydratreiche Lebensmittel, die den Blutzuckerspiegel ansteigen lassen. Die Folge könnte dann sein, dass Menschen diese Nahrungsmittel komplett von ihrem Speiseplan streichen und sich überwiegend auf eiweiß- und fettreiche Produkte fokussieren.“ Das gelte auch für Personen, die sportlich sehr ambitioniert sind oder gerne abnehmen möchten. Kohlenhydrate seien aber nicht prinzipiell schlecht und auch wichtig für den Körper, sofern man sie in der richtigen Menge und Form genießt. Also etwa als Hülsenfrüchte, Gemüse, zuckerarme Beeren und Vollkorngetreide.

Nicht allein „herumdoktern“

Das Versprechen der Glukose-Sensor-Anbieter, durch einen selbst optimierten Blutzuckerspiegel besser zu schlafen, schlanker zu werden und weniger unter Stimmungstiefs oder hormonellen Beschwerden zu leiden, hält Neu zudem für sehr gewagt: „Zweifelsohne spielt die Ernährung bei vielen gesundheitlichen Problemen eine Rolle. Aber sie ist definitiv nicht der einzige Auslöser und auch nicht die einzige Lösung.“ Zudem bestehe die Gefahr, dass Menschen die Schuld zu sehr bei sich und ihren Mahlzeiten suchen. Besser sei es, einen Arzt oder eine Ärztin aufzusuchen, diesen oder diese um Rat zu fragen und gemeinsam nach den Ursachen zu suchen. So lässt sich auch ausschließen, dass ernsthafte andere gesundheitliche Probleme hinter Symptomen wie Schlafstörungen, Verstimmungen oder vermeintlichen Hormonproblemen stecken.


Quellen:

  • Deutsche Diabetes Hilfe: Diabetes in Zahlen. Online: https://www.diabetesde.org/... (Abgerufen am 31.03.2023)
  • Deutsche Diabetes Gesellschaft: Diabetes Schulungsprogramme DDG. Online: https://www.ddg.info/... (Abgerufen am 31.03.2023)
  • Gemeinsamer Bundesausschuss: Beschluss des Gemeinsamen Bundesausschusses über eine Änderung der Richtlinie Methoden vertragsärztliche Versorgung, Kontinuierliche interstitielle Glukosemessung mit Real-Time-Messgeräten (rtCGM) zur Therapiesteuerung bei Patientinnen und Patienten mit insulinpflichtigem Diabetes mellitus. https://www.g-ba.de/... (Abgerufen am 03.04.2023)