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Viele Frauen wünschen sich eine natürliche Geburt – am liebsten ganz ohne Medikamente. Wenn der Schmerz aber kurzzeitig zu stark wird und eine schnelle Linderung gewünscht ist, stellt Lachgas (Distickstoff­monoxid, N₂O) eine Möglichkeit dar. Es wird als Lachgas-Sauerstoff-Gemisch über eine Maske eingeatmet. Die Wirkung tritt rasch ein und hält nur kurz an, im Bereich von Minuten. Lachgas während der Geburt kommt schon lange zum Einsatz, insbesondere in Skandinavien. Seit gebrauchsfertige Gasmischungen zugelassen sind, ist das Interesse an Lachgas hierzulande gestiegen, aber nicht alle Geburtskliniken bieten es an.

Der richtige Zeitpunkt

„Wir wenden vor allem die Periduralanästhesie (PDA) an, um die Schmerzen während der Geburt zu betäuben“, sagt Professor Dr. Uwe Hasbargen, Leiter des Peri­natalzentrums am Klinikum der LMU München. „Aber es gibt Frauen, die im Geburtsverlauf sehr lange ohne Medikamente auskommen und dann eine kurzzeitige Schmerzlinderung brauchen, um sich zu entspannen. Für diese Frauen ist Lachgas ideal.“ Lach­gas schaltet den Geburtsschmerz nicht völlig aus, son­­dern nimmt ihm die Spitzen. Anders sieht es aus, wenn abzusehen ist, dass die Geburt noch viele Stunden dauert und die Frau stetige, starke Schmerzen hat. „In dem Fall gibt es bessere Alternativen“, so der Experte. „Wir setzen Lachgas nur 20 bis 40 Minuten lang ein. Die Maske länger zu benutzen, ist für die Frauen oft schwierig und unangenehm.“

Auch nach der Geburt kann Lachgas zum Einsatz kommen: „Es eignet sich gut bei einem kurzen, schnellen Eingriff, zum Beispiel wenn sich die Plazenta nicht vollständig von der Gebärmutter gelöst hat. Eingesetzt werden kann es bei Frauen, die nur wenig oder keine Medikamente während der Geburt bekommen haben“, erklärt Hasbargen. Die häufigste Nebenwirkung von Lachgas, so der Experte, sei das Therapieversagen, das bedeutet, dass das Lachgas nicht wirkt. Aber auch Kopfschmerzen, Schwindel, Erbrechen und Übelkeit können auftreten. Auftretende Lachanfälle und Euphorie gaben dem Lachgas seinen Namen. Diese Nebenwirkungen sind bei der kurzen Anwendung während der Geburt jedoch nicht zu erwarten.

Wann von Lachgas abgeraten wird

„Bekommt eine Frau schmerzstillende Medikamente in Form von Opioiden, setzt man Lachgas nicht zusätzlich ein. Beide Medikamente zusammen können die Atmung beeinträchtigen“, erklärt Hasbargen. Für Frauen, die an bestimmten Herzkrankheiten, einem Mangel an Folsäure oder Vitamin B12 leiden, kommt Lachgas ebenfalls nicht infrage. Abgeraten wird auch von Lachgas-Sauerstoff-Gemischen bei Schwangeren mit Verdacht auf oder einer bestätigten Covid-19-Infektion, da die Methode die Virusausbreitung erhöhen kann.

Lachgas erfordert Training

Die Lachgas-Sauerstoff-Mischung atmet die Frau über eine Maske ein, die sie sich selbst vor das Gesicht hält. Über einen Schlauch ist die Maske mit der Flasche, die das Gemisch enthält, verbunden. Die Frau muss über die Maske stark einatmen. Der dadurch erzeugte Unterdruck öffnet ein Ventil, das das Lachgas-Sauerstoff-Gemisch ausströmen lässt. „Damit das Lachgas wirkt, muss die Frau zudem tief und lange genug in die Lunge einatmen. Frauen, denen diese Koordina­tion schwerfällt, erreichen in der Regel keine befriedigende Schmerzlinderung“, sagt Hasbargen. Und man dürfe nicht erst am Höhepunkt des Schmerzes einatmen, sondern müsse schon damit beginnen, wenn sich eine Wehe auf­baue. Nur dann habe man zum schmerzhaftesten Zeit­punkt einer Wehe den schmerzstillenden Effekt. Die Wirkung hält nur kurz an, da das Gas den Körper beim Ausatmen schnell wieder ver­lässt. Und es bleibt immer ein Restschmerz. Er kann je nach Geburt, Frau und Situation so stark sein, dass dennoch eine PDA nötig ist. „Wir sehen aber, dass die Frauen, die mit den Anforderungen zu­rechtkom­men, mit Lachgas sehr zufrieden sind“, so Hasbargen.

Kritik an Lachgas

Die Deutsche Gesellschaft für Gynäkologie und Ge­burtshilfe hat 2014 zusammen mit der Deutschen Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin eine Stellungnahme zu Lachgas veröffentlicht. Sie ­sehen den Einsatz kritisch, unter anderem weil Lachgas die Plazenta passiert und somit auch bei dem Ungeborenen wirkt. Zwar habe man bisher keine negativen Effekte bei den Kindern nach der Geburt beobachtet. Es könne jedoch nicht mit „hinreichender Sicherheit“ ausgeschlossen werden, dass es Auswirkungen auf Mutter und Neugeborenes hat. Es fehlten bisher größere prospektive wissenschaftliche Stu­dien, die das untersuchen, so die Gesellschaften. Scharfe Kritik kommt auch von anderer Stelle. „In Zeiten des Klimawandels sollte man den Einsatz klimaschädlicher Gase reduzieren. Lachgas ist circa ­310-mal schädlicher als CO₂. Und quasi 100 Prozent des eingesetzten Lachgases wird in die Atmosphäre ab­gegeben“, sagt Dr. Ferdinand Lehmann, Anästhesist und Mit­glied bei der Deutschen Allianz Klimawan­del und Gesundheit e. V. „Gerade weil es klimafreund­lichere, effekti­vere und sicherere Alterna­tiven zur Schmerzlinderung während der Geburt gibt, sollte man auf Lachgas verzichten“, betont er.

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