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Beim zweiten Kind geht die Geburt schneller: Diese Erfahrung machen viele Mütter. Barbara Niesigk, Gynäkologin und Leiterin der Geburtshilfe am Klinikum Aschaf­fenburg-Alzenau, beobachtet dies ­immer wieder. „Diese Frauen möchten oft auch lieber Medika­mente statt ­einer PDA, um die Schmerzen zu lindern“, erzählt sie. Denn je kürzer die Geburt, desto kürzer muss der Wehenschmerz ausgehalten werden – vielen reichen dann Medikamente zur Überbrückung.

„Bei leichten Schmerzen in der Eröffnungsphase hilft manchmal ein Zäpfchen mit den Wirkstoffen Paracetamol und Butylscopolamin“, sagt Niesigk. Über den Enddarm gehen die Wirkstoffe in den Blutkreislauf über und wirken nach etwa 20 bis 40 Minuten entkrampfend und schmerzlindernd. Doch: „Bei stärkeren Schmerzen reicht das natürlich nicht mehr aus.“ Dann können Hebamme oder Ärztin und Arzt im Kreißsaal ­Opioide, also starke Schmerzmittel, in ­einen Muskel spritzen oder über eine Dosierpumpe direkt in die Vene verabreichen.

Sind Medikamente nur die zweitbeste Wahl?

Allerdings haben die Medikamente ­einige Nachteile. Professor Dr. Peter ­Kranke, Experte für geburtshilfliche Anästhesie, vom Uniklinikum Würzburg, erklärt: „Sie wirken nicht so zuverlässig wie eine Schmerzbetäubung über das Rückenmark.“ Da es je nach ­Phase der Geburt zwischen den Wehen zu minutenlangen, eigentlich schmerzfreien Pausen kommt, sind in dieser Zeit die Opiate im Blut überdosiert. Dann können Nebenwirkungen wie Schläfrigkeit oder ein flacher Atem (eine sogenannte Atemdepression) bei der Mutter auftreten. „Eine entsprechende Überwachung vorausgesetzt, muss dies die Mutter nicht grundsätzlich beunruhigen“, sagt Kranke. In seltenen Fällen müsse Naloxon gegeben werden, das die Opiatwirkung aufhebt. Doch Langzeit­schäden gebe es in der Regel nicht: ­Atmet die Mutter normal – was Ärztin oder Arzt sicherstellen –, wird das Baby über die Nabelschnur mit ausreichend Sauerstoff versorgt.

Doch auch die Leitlinie für die vaginale Geburt am Termin, an die sich ­alle Hebammen, Ärztinnen und ­Ärzte im Kreißsaal halten, betont, dass ­eine Schmerzhemmung via Rückenmark (also eine PDA) deutlich effektiver ist. Hier werden die Nerven regional ab dem Becken betäubt – es gelangen keine nennenswerten Wirk­stoffmengen in den Blut­kreis­lauf der Mutter oder des Babys.

Daher sind die Opioide eine Alternative, wenn aufgrund von Vorerkrankungen eine PDA nicht möglich ist oder die Schwangere sie aus anderen Gründen ablehnt. Aber wie reagiert das Baby auf die verabreichten Opioide? „Kurzzeitig angewendet schädigen sie das Baby nicht“, sagt der Schmerzexperte. Es kann jedoch eine Atemdepression auch nach der Geburt beim Kind auftreten. Sie wird dann sofort behandelt und hat zumeist keine langfristigen Folgen. Meist genügt es, den Rücken des Kindes abzureiben, um seine ­Atmung zu stimulieren.

Opioide: So werden Nebenwirkungen verhindert

Damit es aber gar nicht erst so weit kommt, sollten herkömmliche, lang­wirk­same Opioide nur überbrückend angewendet werden. Werden in der letzten Phase der Geburt diese nicht mehr nachdosiert, hat der Körper der Frau Zeit, den Stoff abzubauen. Laut der Leit­linie für die vaginale Geburt soll vor allem der Wirkstoff Remifentanil gegeben werden. „Remifentanil hat den Vorteil, dass es schneller abgebaut wird und damit die Wirkung verliert“, erklärt Kranke, der auch Mitglied im Arbeitskreis Geburtshilfliche Anästhesie bei der Deutschen Gesellschaft für Anästhesiologie und Intensivmedizin ist.

Selbst wenn erst wenige Minuten vor der Abnabelung nicht mehr nachdosiert wird, sind Rückstände des Opiats beim Neugeborenen weitestgehend ausgeschlossen. Dosiert die Mutter das Mittel über eine Spritzenpumpe selbst, kann sie auch während der Wehenpausen damit aussetzen. Eine Überdosierung ist bei den Pumpen ausgeschlossen. Bei der Anwendung von Remifentanil ­ist jedoch eine ­enge Betreuung durch einen Nar­kose­arzt oder eine Narkoseärztin sowie die Anwesenheit einer fachkundigen Begleitperson wie einer Hebamme im Kreißsaal erforderlich.

Oft hadern Frauen mit sich, bevor sie sich für eine Schmerzhemmung entscheiden. Gynäkologin Niesigk: „Ich sage ihnen dann immer, dass sie alle Möglichkeiten haben. Und diese dürfen sie auch nutzen.“ Entscheidet sich eine Frau erst für Medikamente und wünscht später ­eine PDA, ist das in der Regel möglich. Am besten sei es immer, wenn die werdende Mutter sich vorher, beispielsweise im Geburtsvorbereitungskurs, über alle Methoden der Schmerzlinderung informiert.

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