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Es kribbelt und prickelt, wenn die Mini-­Stromstöße auf die Haut treffen. „So soll es sein“, sagt Andrea Gebertshan. „Höher eingestellt kann es unangenehm werden.“ Sie hat das Gerät, von dem die Impulse ausgehen, selber ausprobiert. Andrea Gebertshan ist Heb­amme an den St. Vincenz-Kliniken Salzkotten und Paderborn. Dort bietet sie gebärenden Frauen an, ihre Schmerzen auch mit ­einem TENS-Gerät zu bewältigen.

Nerven werden stimuliert

Die Abkürzung steht für Transkutane Elektrische Nervenstimula­tion. Das bedeutet, dass die Nerven über die Haut elektrisch angeregt werden. Dadurch soll die Weiterleitung des Wehenschmerzes vom Unterleib zum Gehirn gestört werden und der Körper vermehrt Endorphine, die sogenannten Glücks­hormone, ausschütten. Das soll den Wehenschmerz verringern. Die genauen Wirkmechanismen sind noch nicht geklärt.

Die Hebamme klebt in der Regel vier Pads auf den Rücken der Frau: zwei im Bereich der Lendenwirbel und zwei etwa auf Höhe des BH-Verschlusses, jeweils mit etwa fünf Zentimetern Abstand zur Wirbelsäule. An diese Pads ist ein tragbares Gerät angeschlossen, das hoch­frequente, elektrische Impulse erzeugt. Die Stärke und die Art – pulsierend oder gleich­mäßig – können die Frauen selbst regulieren.

Wirksamkeit ist umstritten

Seit den 1970er-Jahren wird TENS in der Geburtshilfe angewendet. Eine größere Rolle spielt TENS zum Beispiel in Großbritannien, hierzulande ist die Methode eher unbekannt. Die Wirksamkeit ist umstritten: Die Autorinnen und Autoren der deutschen Behandlungsleitlinie „Vaginale Geburt am Termin“ empfehlen den Einsatz von TENS nicht, sie raten aber auch nicht davon ab. Auch die Weltgesundheitsorganisation (WHO) erwähnt TENS in ihren Empfehlungen für eine positive Geburtserfahrung nur am Rande und ohne die Methode zu empfehlen.

Der Grund dafür ist die Studienlage: In wissenschaftlichen Untersuchungen konnte nicht eindeutig nachgewiesen werden, dass TENS die Schmerzen lindert. Bei den Studienteilnehmerinnen, die TENS während der Geburt genutzt hatten, war die Zufriedenheit mit der Methode dennoch eher groß. Allerdings war sie auch nur wenig niedriger, wenn die Frauen ein Placebo-Gerät nutzten. Und: Es wurden bis auf Hautunverträglichkeiten und Muskelschmerzen keine weiteren nachteiligen Wirkungen beobachtet. Dennoch gibt es Einschränkungen: Nicht angewendet werden darf TENS bei Frauen mit Herzrhythmusstörungen oder Herzmuskel­erkrankungen, Herzschrittmacher, Epilepsie oder in der Gebärwanne.

Methode einfach in Handhabung

Andrea Hagen-Herpay ist Beraterin beim Deutschen Hebammenverband und blickt auf 30 Jahre Erfahrung in der Geburtshilfe in verschiedenen Berliner Kliniken zurück. TENS sei in Sachen Schmerzlinderung nicht mit einer PDA oder Lachgas zu vergleichen, dafür sei die Methode aber auch nicht invasiv und einfach in der Handhabung. „Die Schwangere kann in jedem Fall selbst bestimmen, wie und ob sie TENS nutzt. Und wenn sie es nicht mag, macht sie es einfach wieder ab“, so Hagen-Herpay.

In den St. Vincenz-Kliniken Salzkotten und Paderborn gibt es zwei TENS-Geräte im Kreißsaal, die auch regelmäßig im Einsatz sind. „Hier haben viele britische Frauen ihre Kinder zur Welt gebracht, bis die Armee sich zurückgezogen hat“, erklärt Gebertshan. „Durch sie sind wir auf TENS aufmerksam geworden.“ TENS hat sich nach der Erfahrung von Andrea Gebertshan vor allem in den frühen Abschnitten der Geburt bewährt: vor oder zu Beginn der Öffnung des Muttermundes. „Oft sind es viele Stunden, die die Frauen bis zur Geburt benö­tigen.“ Da sei TENS eine gute Methode, den Schmerz zu bewältigen.

Während für manche Frauen das TENS in der letzten Phase der Geburt noch hilfreich ist, benötigen andere Gebärende zu diesem Zeitpunkt ergänzende oder stärkere Schmerzmittel. Andrea Gebertshan schätzt an TENS vor allem, dass die Frauen selbstbestimmt handeln können und auch mit dem Gerät mobil sind. „Das verbessert die Akzeptanz und die Bewältigung des Schmerzes.“ Wer sich für TENS interessiert, sollte sich vorher bei seiner Geburts­klinik informieren, ob sie die Methode anbietet.

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