Baby und Familie

Eine Impfung gegen das RS-Virus (Respiratorische Synzytial-Virus), das bei Kindern manchmal schwere Atemwegsinfektionen hervorrufen kann, gibt es nicht. Doch es gibt synthetisch hergestellte Abwehrstoffe, die man während der Saison monatlich spritzen kann. Für welche Kinder ist eine Vorbeugung mit solchen Antikörpern sinnvoll? Wie oft, wie lange und in welcher Form werden sie verabreicht? Und wie lassen sich Kleinkinder schützen, die nicht als Risikopatienten gelten? Dr. Tanja Brunnert, Kinder- und Jugendärztin in Göttingen, beantwortet unsere Fragen.

Welchen Kindern empfehlen Sie die Antikörper-Spritze gegen das RS-Virus?

Dr. Tanja Brunnert: Empfohlen wird die Antikörper-Spritze grundsätzlich für gesundheitlich besonders gefährdete Säuglinge und Kleinkinder. So können beispielsweise Frühgeborene, die vor der 29. Woche auf die Welt gekommen sind solche Antikörper erhalten. Auch Babys mit bestimmten Herzfehlern sollen damit vor schweren Verläufen geschützt werden, das gilt zum Beispiel für viele Kinder, die mit Trisomie 21 geboren wurden.

Ein hundertprozentiger Schutz vor Ansteckung ist die Antikörper-Spritze aber nicht?

Dr. Tanja Brunnert: Nein. Das Immunglobulin, das da verabreicht wird, verhindert eine Infektion nicht hundertprozentig. Aber die Dauer des Krankenhausaufenthalts kann dadurch signifikant gesenkt werden, das haben Untersuchungen ergeben. Und das ist ein wichtiger Erfolg.

Wann ist der beste Zeitpunkt für die Gabe des Immunglobulins?

 Dr. Tanja Brunnert: Die Monate ab November bis April gelten als Saison mit der höchsten Ansteckungsgefahr. Frühchen mit Risikopotenzial, die in diesem Zeitraum entlassen werden, haben die erste Gabe meist schon erhalten. Dieser Schutz wird dann in aller Regel fortgesetzt. Ich erlebe aber auch Eltern von Frühgeborenen in meiner Praxis, die sagen, das ist unser erstes Kind, wir meiden Menschenmengen, wir sind insgesamt sehr vorsichtig, wir verzichten auf die Antikörperspritze. Da ist es dann Abwägungssache, denn diese Prophylaxe ist ja nicht grundsätzlich für alle Frühchen angezeigt. Eltern und Kinderärztin oder -arzt sollten das in aller Ruhe miteinander besprechen.

Was ist zu beachten bei der Antikörper-Spritze?

 Dr. Tanja Brunnert: Sehr wichtig ist, dass die Spritze alle 28 Tage wiederholt wird. Nach Ablauf dieser 28 Tage ist der Schutz weg, denn es handelt sich eben nicht um eine Impfung, bei der das Immunsystem stimuliert wird. Antikörper haben nur eine begrenzte Lebensfähigkeit, deshalb muss man sie exakt nach diesem zeitlichen Abstand erneut geben. Ausschlusskriterien für eine Gabe der Antikörper sind mir nicht bekannt, und auch vor bedenklichen Nebenwirkungen wird nicht gewarnt. (Anm. der Redaktion: von allergischen Reaktionen auf Inhaltsstoffe des Mittels oder andere entsprechende Antikörperpräparate abgesehen.)

Übernimmt die Krankenkasse die Kosten für die Vorsorge?

 Dr. Tanja Brunnert: Bislang haben die Krankenkassen für jedes Kind fünf Spritzen bezahlt, also für fünf Monate, von November bis Ende März zum Beispiel. Da die Saison aber immer früher beginnt, haben die Krankenkassen eingewilligt, zumindest in dieser Saison länger zu bezahlen.

Auch Kinder ohne erhöhtes Gesundheitsrisiko können einen RSV-Infekt bekommen. Wie schützt man diese Kinder am besten?

 Dr. Tanja Brunnert: Ich bin seit 15 Jahren niedergelassen und muss sagen, es sind gar nicht unbedingt die besonders gefährdeten Kinder, die erkranken, sondern häufig die „normalen“ Säuglinge, Kinder, die vielleicht ein Jahr alt sind. Da sind vor allem die Erwachsenen gefragt, die Kinder zu schützen. Man sollte beispielsweise versuchen, mit den Babys Menschenmengen zu meiden. Natürlich lässt sich Kontakt mit anderen Menschen nicht immer umgehen, das wäre an der Realität vorbei. Man kann aber trotzdem einiges tun. Zum Beispiel das Kleine im Tragetuch näher an sich herannehmen und neugierige Kinderhände vom Berühren des Babys abhalten, zum Beispiel, wenn man das Geschwisterkind aus dem Kindergarten abholt. In der Wohnung nicht zu rauchen ist natürlich auch sehr wichtig, denn der Rauch macht grundsätzlich empfänglicher für Infekte dieser Art.

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Und wenn ein RSV-Infekt da ist?

Dr. Tanja Brunnert: Die meisten RS-Virusinfektionen bleiben eher unbemerkt, sie äußern sich wie ein normaler Schnupfen. Bei einem RSV-Infekt sind aber eben noch die kleinen Bronchien beteiligt. Wenn das Kind nicht nur Schnupfen hat, sondern auch noch einen trockenen, angestrengten Husten, wenn es Fieber hat und insgesamt kränkelnd wirkt, dann gehört es zeitnah der Kinderärztin oder dem Kinderarzt vorgestellt. Das gilt im Übrigen für alle Infektionen. Wenn das Kind angestrengt atmet und schlecht trinkt, kann auch ein Krankenhausaufenthalt sinnvoll sein.

Sollte man Kinder in diesem Jahr grundsätzlich gegen Grippe impfen lassen?

 Dr. Tanja Brunnert: Wir empfehlen eine Grippeimpfung für alle chronisch kranken Kinder, und für solche, die Kontakt zu chronisch kranken Personen haben, zur kranken Großmutter zum Beispiel. Das muss man aber für jeden Einzelfall entscheiden, am besten in einem ruhigen Gespräch zwischen Eltern und Kinderärztin oder Kinderarzt. Erwachsene, die beruflich viel Kontakt zu anderen Menschen haben, sollten sicher über eine Impfung nachdenken. Auch wenn wir noch nicht genau wissen, welche Virusvarianten in dieser Saison auf uns zukommen: Ein Impfschutz ist auf jeden Fall besser, als nicht geimpft zu sein.