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Das sogenannte Respiratorische Synzytial-Virus (RSV) ist ein Erkältungsvirus, mit dem wir uns alle normalerweise regelmäßig infizieren. Bei Frühgeborenen, Babys unter sechs Monaten oder mit Vorerkrankungen kann die Infektion jedoch so schwer verlaufen, dass sie im Krankenhaus behandelt und teilweise sogar beatmet werden müssen. Im vergangenen Herbst und Winter wurden so viele Kinder krank, dass die Kliniken an ihre Kapazitätsgrenzen stießen.

Es gibt synthetisch hergestellte Abwehrstoffe, die Kindern gespritzt werden können, um sie vor RSV zu schützen. Allerdings waren sie bisher Babys und Kleinkindern vorbehalten, die besondere Risiken aufweisen. Das könnte sich künftig ändern.

Wie funktionieren die Antikörper gegen RSV?

Schon seit Längerem steht für Risikokinder eine sogenannte passive Impfung gegen RSV zur Verfügung. „Für die ganz wenigen Frühgeborenen oder durch Grunderkrankungen besonders gefährdeten Babys haben wir den monoklonalen Antikörper Palivizumab“ sagt Prof. Dr. Folke Brinkmann, Leiterin der Sektion Pädiatrische Pneumologie der Klinik für Kinder- und Jugendmedizin am Universitätsklinikum Schleswig-Holstein. „Er verhindert, dass bei einer Virusinfektion die Viruszellen an die Atemwegszellen andocken und schützt so vor einer RSV-Infektion.“ Allerdings beträgt der Schutz vor einem Krankenhausaufenthalt wegen RSV je nach Risikogruppe maximal 55 Prozent[1].

Das Mittel hat wenig Nebenwirkungen – bekannt sind etwa Hautreaktionen an der Einstichstelle oder Fieber sowie selten allergische Reaktionen gegen Inhaltsstoffe[2]. Jedoch muss der Antikörper während der Erkältungssaison alle vier Wochen gespritzt werden. „Das ist für die Kinder und für die Familien durchaus eine Belastung“, so Brinkmann. Nun gibt es einen neuen monoklonalen Antikörper, Nirsevimab, der nur einmal zu Beginn der Erkältungssaison gespritzt werden muss.

Was sind die Vorteile des neuen Antikörpers?

Der Schutz vor einer RSV-Erkrankung, die eine ärztliche Behandlung benötigt, beträgt bei Nirsevimab zwischen 70 und 75 Prozent. Vor einer Krankenhauseinweisung wegen RSV schützt der Antikörper zu 62 bis 78 Prozent. Der Schutz hält nach einmaliger Gabe etwa fünf Monate an[3] – das ist ausreichend für eine Erkältungssaison. Außerdem ist Nirsevimab deutlich günstiger als der Vorgänger Palivizumab: Dieser kostete etwa 5000 Euro pro Erkältungssaison, Nirsevimab wird deutlich darunter liegen, derzeit ist von rund 1350 Euro die Rede[4].

„Prinzipiell ist es so gedacht, dass Nirsevimab allen Kindern zugutekommt“, sagt Prof. Dr. Bernhard Resch, Stellvertretender Leiter der klinischen Abteilung für Neonatologie und Forschungseinheit für neonatale Infektionserkrankungen und Epidemiologie an der Medizinischen Universität Graz. Denn der neue Antikörper ist für alle Neugeborenen und Kleinkinder zugelassen – und nun sogar auch schon erhältlich[5]. „Aber bis eine allgemeine Empfehlung dazu vorhanden ist, werden zunächst wohl weiterhin hauptsächlich die Risikokinder damit behandelt werden“, so Resch.

In der Regel bewertet die Ständige Impfkommission (Stiko) des Robert Koch-Instituts neue Impfstoffe und gibt eine Empfehlung ab, welche Personen sie bekommen sollen. „Inzwischen gibt es eine Expertenstellungnahme der AWMF zur Verwendung der Antikörper bei Risikokindern[1], an der auch Mitglieder der Stiko beteiligt waren“, sagt Prof. Dr. Klaus Überla, Direktor des Virologischen Instituts am Universitätsklinikum Erlangen und Sprecher der Stiko-Arbeitsgruppe Respiratorische Syncytial-Viren (RSV). Damit haben alle niedergelassenen Kinderärzte eine entsprechende Leitlinie an der Hand.

Für wen kommt der neue monoklonale Antikörper in Frage?

Nirsevimab wird vor allem für Frühgeborene ab der 29. bis einschließlich der 34. Schwangerschaftswoche empfohlen – Palivizumab kann hier ebenfalls zum Einsatz kommen. Für Kinder mit anderen Risikofaktoren liegen laut Leitlinie in vielen Fällen bisher keine ausreichenden Daten zur Sicherheit und Wirksamkeit von Nirsevimab vor, eine Prophylaxe damit könne gemäß der Zulassung erwogen werden. Das heißt: Ärzte, Ärztinnen und Eltern müssen in diesen Fällen gemeinsam über den Einsatz entscheiden.

Für Palivizumab ist die Datenlage in manchen Fällen besser, es wird zum Beispiel auch für sehr Frühgeborene oder Babys mit bestimmten Herzfehlern empfohlen. Eltern von Babys, die nicht als Risikokinder gelten, müssen die Leistung in der Regel selbst bezahlen, wenn sie sie in Anspruch nehmen möchten.

Gibt es auch eine Impfung gegen RSV?

Bis vor Kurzem gab es keine aktive Impfung gegen RSV – nun ist zumindest eine Impfung für Schwangere zugelassen, durch die das Baby in den ersten Monaten nach der Geburt geschützt ist. Denn die Schwangere gibt die Antikörper über die Plazenta an das Kind weiter. Doch auch dafür gibt es bisher noch keine Empfehlung der Stiko. Eine solche ist laut Überla auch für diese Erkältungssaison nicht mehr zu erwarten.

„Wir haben in Österreich kaum eine Bereitschaft, die Schwangere im letzten Trimenon zu impfen. Das ist auch ein Problem“, sagt Resch. „Wahrscheinlich macht es am meisten Sinn, nachdem weder der monoklonale Antikörper zu 100 Prozent schützt, noch die Impfung zu 100 Prozent, diese zu kombinieren.“ Dieser Idee stimmt Überla zu. Doch die Experten sind sich einig, dass noch einige Fragen offen sind, um eine solche Empfehlung aussprechen zu können.

Wie schützt man Kinder, die die Antikörper nicht bekommen können?

Beim Heimkommen und vor dem Essen die Hände waschen, Menschenmengen meiden – vor allem Zusammenkünfte in schlecht belüfteten Innenräumen während der Erkältungszeit: Das schützt bis zu einem gewissen Grad davor, sich mit Viren wie RSV anzustecken. „Die Empfehlung eine Maske zu tragen kann man auf jeden Fall auch aussprechen“, sagt Resch. „Das ist bei Erwachsenen, die husten, absolut sinnvoll.“ Leider sei das Maskentragen ein Stigma geworden. Alternativ beuge auch das Abstand halten über zwei Meter einer Erkrankung vor, weil RSV nur über große Tröpfchen und durch direkten Kontakt mit Sekret übertragen wird.

Die Leitlinien empfehlen außerdem, in der Umgebung von Kindern nicht zu rauchen, ausreichend zu lüften sowie Babys zu stillen. Die Kinder und ihre Bezugspersonen sollen entsprechend der Stiko-Empfehlungen geimpft sein, Babys ab sechs Monaten und Erwachsene auch gegen die echte Grippe (Influenza).


Quellen:

  • [1] Deutschen Gesellschaft für Pädiatrische Infektiologie (DGPI) et al.: publiziert bei: AWMF-Register Nr. 048 - 012 Klasse: S2k S2k-Leitlinie „Leitlinie zur Prophylaxe von schweren Erkrankungen durch Respiratory Syncytial Virus (RSV) bei Risikokindern“. AWMF online: https://register.awmf.org/... (Abgerufen am 09.10.2023)
  • [2] Jan Niklas Herbel: Palivizumab. Gelbe Liste: https://www.gelbe-liste.de/... (Abgerufen am 09.10.2023)
  • [3] Europäische Arzneimittel Agentur (EMA): Beyfortus Product Information, Zusammenfassung der Merkmale des Arzneimittels. https://www.ema.europa.eu/... (Abgerufen am 09.10.2023)
  • [4] Dr. Gesa Gnegel: TK übernimmt RSV-Prophylaxe mit Nirsevimab für Risiko-Säuglinge. Deutsche Apotheker Zeitung: https://www.deutsche-apotheker-zeitung.de/... (Abgerufen am 09.10.2023)
  • [5] Deutsche Apotheker Zeitung: RSV-Prävention für alle Säuglinge – Nirsevimab ab sofort verfügbar. https://www.deutsche-apotheker-zeitung.de/... (Abgerufen am 09.10.2023)