RSV – kommt die Impfung?

Unter anderem für ältere Menschen kann eine RSV-Infektion gefährlich werden.
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Das Respiratorische Synzytial-Virus (RSV) ist ein weltweit verbreiteter Erreger von akuten Atemwegserkrankungen – also ein klassisches Erkältungsvirus. Nicht nur bei Säuglingen und Kleinkindern, auch bei älteren Menschen kann es schwere Infektionen der unteren Atemwege verursachen. Bisher gibt es keine gut gegen das Virus wirkende Therapie und lediglich einen passiven Impfstoff aus Antikörpern als Schutz für Säuglinge, die zu bestimmten Risikogruppen gehören. Dieser muss während der Erkältungssaison gespritzt werden.
Eine aktive Impfung, die den Körper dazu bringt, selbst Antikörper gegen das Virus zu bilden, gibt es bisher nicht. Aber es befinden sich Impfstoffe für Erwachsene im europäischen Zulassungsverfahren, die bald verfügbar sein könnten. Einer davon wurde kürzlich in den USA zugelassen. Wir haben darüber mit zwei Experten gesprochen: Professor Tino Schwarz, Chefarzt am Institut für Labormedizin und Impfzentrum am Klinikum Würzburg Mitte, der an der Erprobung eines RSV-Impfstoffes beteiligt ist, und Professor Klaus Überla, Direktor des Virologischen Instituts am Universitätsklinikum Erlangen und Sprecher der RSV-Arbeitsgruppe der Ständigen Impfkommission (STIKO) am Robert Koch-Institut.
Wie häufig und wie schwer sind Ältere und chronisch Kranke von einer RSV-Infektion betroffen?
Professor Überla: In Deutschland wird dies nicht systematisch erfasst. Mit ein Grund dafür ist der Datenschutz. Wir orientieren uns daher an internationalen Daten, etwa aus Schweden, Großbritannien oder den USA. Demnach erkrankt knapp ein Prozent der Menschen über 65 jährlich an RSV. Einer von tausend über 65-Jährigen muss aufgrund seiner RSV-Infektion im Krankenhaus behandelt werden – mitunter auf der Intensivstation mit oder ohne Beatmungshilfe. Jedes Jahr verstirbt einer von zehntausend in dieser Altersgruppe an einer RSV-Infektion. Dass es seit dem Lockdown mehr schwere RSV-Fälle unter den Älteren gibt, ist nicht zu beobachten. Immunologisch macht das Sinn: Sie haben im Laufe ihres Lebens wiederholt RSV-Infektionen durchgemacht, jede erneute Infektion wirkt wie eine Auffrischimpfung. Eine Pause von zwei Jahren fällt daher vermutlich nicht so ins Gewicht.
Aktuell werden fünf Impfstoff-Kandidaten für Menschen ab 60 Jahren in Phase-3-Studien getestet. Wie wirken diese?
Professor Schwarz: Sie basieren auf unterschiedlichen Technologien: Es sind Protein-, mRNA- oder Vektorimpfstoffe. Gemeinsam ist ihnen, dass sie auf das Vorläufereiweiß des sogenannten RSV-Fusionsproteins, das Präfusionsprotein, abzielen. Dies veranlasst letztlich den Körper, nach der Impfung Abwehrstoffe, sogenannte Antikörper, gegen RSV zu bilden. Diese verhindern, dass das Virus mit den Zellen im menschlichen Körper verschmelzen und sie infizieren kann. Somit helfen sie der geimpften Person, sich gegen eine RSV-Infektion zu wappnen.
Wie wirksam sind die Impfstoff-Kandidaten?
Professor Überla: Die Wirksamkeit, eine schwere Erkrankung zu vermeiden, liegt je nach Impfstoff-Kandidat zwischen 80 und knapp 95 Prozent gemäß der verfügbaren Ergebnisse der Phase-3-Studien. Das Risiko, nach der Impfung schwer an RSV zu erkranken, liegt also deutlich niedriger als ohne Impfung. Zum Vergleich: Eine Impfung gegen Grippe schützt Personen ab 65 Jahren nur zu circa 30 bis 70 Prozent vor einem schweren Verlauf. Das liegt daran, dass sich das Grippevirus verändert und der Impfstoff im Vorfeld aufgrund von Schätzungen für die nächste Saison angepasst wird. Das RSV-Virus kommt als Subtyp A und B vor, die ziemlich stabil sind. Zudem machen weiterentwickelte Techniken die RSV-Impfstoff-Kandidaten immunogener. Sie aktivieren die Körperabwehr also wirkungsvoller und gezielter als die Grippe-Impfstoffe.
Für welche Gruppen sind die RSV-Impfstoffe sinnvoll?
Professor Schwarz: Das Risiko eines schweren RSV-Verlaufs steigt wie bei der Influenza mit dem Alter und Begleiterkrankungen wie Diabetes, Asthma, COPD, Bluthochdruck und anderen Herzkreislauferkrankungen sowie bei einem geschwächten Immunsystem. Für Menschen ab 60 mit chronischen Erkrankungen wäre die Impfung also sinnvoll.
Professor Überla: Die RSV-Impfung könnte zunächst für über 60-Jährige sinnvoll sein. Wichtig wäre auch ein Schutz von besonders gefährdeten Kleinkindern, insbesondere in den ersten sechs Lebensmonaten. Dazu laufen gegenwärtig Studien zur Impfung von Schwangeren, die dann die schützenden Antikörper im Rahmen eines sogenannten Nestschutzes an ihre Kinder weitergeben. Eine ebenfalls verfolgte Alternative besteht darin, den Kleinkindern schützende Antikörper direkt zu verabreichen. Mit dem kürzlich zugelassenen Antikörper Nirsevimab reicht jetzt eine einmalige Gabe aus, um für fünf Monate vor schweren RSV-Erkrankungen zu schützen. Damit könnte Nirsevimab den bisher verwendeten Antikörper Palivizumab bei Hochrisikokindern in der RSV-Saison ersetzen.
Wie sicher sind die RSV-Impfstoffe?
Professor Schwarz: Das kann man zum jetzigen Zeitpunkt noch schwer sagen, da noch nicht so viele Personen damit geimpft wurden. Zumindest zeigen die bisherigen Studiendaten, dass alle Impfstoffe sehr gut verträglich sind. Ein Protein-Impfstoff zeigt eine leicht erhöhte Rate für das Guillain-Barré-Syndrom, eine entzündliche Erkrankung der Nerven, in der Gruppe der Geimpften gegenüber der Plazebogruppe. Hier wird die amerikanische Zulassungsbehörde vermutlich eine weitere Studie fordern.
Wann kommt die RSV-Impfung für Ältere voraussichtlich in Deutschland?
Professor Überla: Die EMA (Europäische Arzneimittel-Agentur) hat gerade die Zulassung des ersten RSV-Impfstoffes im Rahmen eines beschleunigten Zulassungsverfahren empfohlen. Das beschleunigte Zulassungsverfahren in Europa macht bei der Prüfung keinerlei Qualitätsabstriche. Die Zulassungsbehörde EMA hat bei dem beschleunigten Verfahren nur 150 Tage Zeit für die Prüfung, anstatt normalerweise 210 Tage. Erhält ein Impfstoff die Zulassung, dann ist seine Verfügbarkeit davon abhängig, wie schnell und in welchen Mengen ihn die Pharmafirmen herstellen und bereitstellen können.
Professor Schwarz: Die europäische und die US-amerikanische Arzneimittelzulassungsbehörde haben für die RSV-Impfstoffe für ältere Menschen von zwei Firmen ein beschleunigtes Zulassungsverfahren wegen des hohen öffentlichen Interesses genehmigt. In den USA wurde einer von beiden kürzlich zugelassen. Möglicherweise stehen die ersten RSV-Impfstoffe für Ältere in Europa bereits für die nächste RSV-Saison ab November bis April bereit.
Wann und wie oft sollte laut bisherigem Kenntnisstand geimpft werden?
Professor Schwarz: Am besten im Herbst vor der RSV-Saison hier in Mitteleuropa. Offen ist derzeit, wie lange der Impfschutz anhält, ob die Impfung aufgefrischt werden muss und wenn ja, wie oft.
Professor Überla: In den Phase-III-Studien für die Zulassung zeigt eine einzige Impfdosis einen Immunschutz vor schweren Verläufen für mindestens ein Jahr. Die gemessenen Antikörperspiegel nach der Impfung sind zehnfach höher als die Antikörperspiegel nach RSV-Infektion ohne Impfung. Von daher kann man vermuten, dass der durch die Impfung induzierte Immunschutz deutlich länger als ein Jahr anhält.