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Erst tut der Bauch weh, dann kommen ­Erbrechen und Durchfall hinzu – und manchmal kann ein kleiner Körper sogar in Lebensgefahr geraten. Nahrungsmittelallergien sind tückisch, weil sie ein Grundbedürfnis betreffen: Essen.

Sehr häufig triggern Milch, Eier, Nüsse, Weizen und Fisch die unerwünschten Reaktionen. Aktuelle Zahlen legen nahe, dass die Zahl betroffener Kinder wächst. Bereits sechs bis zehn Prozent aller Heranwachsenden in den Industrienationen reagieren allergisch auf mindestens ein Nahrungsmittel. Und klar, hat ein Kind erst einmal eine Allergie entwickelt, ist der wichtigste Schutz die Vermeidung – also raus aus dem Haushalt mit dem entsprechenden Lebensmittel, immer brav die Zutatenlisten studieren.

Wie lässt sich einer Nahrungsmittelallergie vorbeugen?

Lange Zeit dachte man, die beste Vorsorge vor einer Lebensmittelallergie sei die Vermeidung. Babys und Kleinkinder mit Allergierisiko sollten in den ersten Lebensjahren laut Empfehlungen keine Milch, Eier, Fisch und Erdnüsse bekommen. Sogar die Mütter hatten in Schwangerschaft und Stillzeit darauf zu verzichten.

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Lebensmittelallergien

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Diese Einstellung hat sich in den vergangenen Jahren komplett geändert. Deutsche und internationale Fachgesellschaften empfehlen inzwischen, Kinder bis zum sechsten Lebensmonat voll zu stillen – und den Babys danach eine möglichst breite Palette anzubieten. Eier und Nüsse inklusive, von Weglassen ist keine Rede mehr.

„Alle Kinder sollten eine ausgewogene Beikost bekommen“, sagt Prof. Dr. Eckard Hamelmann, Direktor der Universitätsklinik für Kinder- und Jugendmedizin in Bielefeld und Vizepräsident der Deutschen Gesellschaft für Allergologie. „Bei allergiegefährdeten Kindern ist das sogar noch wichtiger.“

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Wann gilt ein Kind als „allergiegefährdet“?

Ein erhöhtes Risiko besteht, wenn Eltern oder Geschwister eine „Krankheit aus dem Allergiespektrum“ haben: allergisches Asthma, allergische Rhinitis, Lebensmittelallergien oder Neurodermitis. „Wenn ein Baby schon Anzeichen für eine Neurodermitis zeigt, ­sollte eine Nahrungsmittelallergie ausgeschlossen werden“, sagt Hamelmann. Eine bestehende Allergie gegenüber Lebensmitteln kann schon in den ersten Lebensmonaten durch Tests festgestellt werden – selbst wenn das Kind noch gar keine Beikost erhält.

Für Kinder, die nicht allergisch sind, aber es noch werden könnten, zählt Vielfalt bei der Beikost. Wobei nicht jedes exotische Lebensmittel zu Babybrei verarbeitet werden muss. „Es geht darum, die Kinder an Lebensmittel heranzuführen, die normalerweise in der Familie gegessen werden“, sagt Prof. Dr. Kirsten Beyer. Sie leitet die Sektion Kinderallergologisches Studienzentrum an der Charité Universitätsmedizin Berlin. „In Familien, die gerne Erdnüsse essen, kann man den Kindern beispielsweise Erdnussbutter geben“, erklärt die Medizinerin.

Mütter, die ihr Kind ausschließlich stillen wollen, sollten darauf achten, dass im Krankenhaus nicht zugefüttert wird.

Mütter, die ihr Kind ausschließlich stillen wollen, sollten darauf achten, dass im Krankenhaus nicht zugefüttert wird.

Worauf sollte man bei der Ernährung des Kindes achten?

Ein paar Dinge sollte man bei der Ernährung des Kindes beachten: Ganze Nüsse etwa darf ein Baby nicht bekommen, wegen der Erstickungsgefahr. Und Eier wirklich nur durchgegart geben, wegen der Salmonellen. Also in Pfannkuchen oder gesunde Kekse verbacken oder hart gekocht zum Abendbrot reichen.

Etwas anders sieht es bei Milch aus. Wenn Mütter ausschließlich stillen möchten, sollten sie das auch tun können und darauf achten, dass das Baby wirklich nur Muttermilch bekommt. „Im Krankenhaus wird nach der Geburt oft Säuglingsmilch zugefüttert, damit die Mutter schlafen kann“, sagt Kirsten Beyer. „Diese frühe Zufütterung sollte nur auf ärztliche ­Anordnung erfolgen, denn sie kann das Risiko für eine Kuhmilchallergie sogar erhöhen.“ Das sei zwar kein Automatismus, sprich: Zufüttern bedeutet nicht gleich Allergie. Aber Vermeiden ist in diesem Ausnahmefall eben doch die bessere Option.

Wenn Mütter ausschließlich stillen möchten, sollten sie das tun können. Sehr frühes Zufüttern kann das Risiko für Kuhmilchallergie erhöhen

Können Nahrungsergänzungsmittel bei der Allergie-Vorsorge helfen?

Erdnussbutter also, etwas hart gekochtes Ei, von allem überhaupt ein bisschen, und das ist alles? Es gibt weitere Ideen, Allergien vorzubeugen. Probiotika für eine gesunde Besiedelung des Darms mit Mikroorganismen zum Beispiel. Sie könnten auch die Toleranz gegenüber Nahrungsmitteln stärken.

Vitamin D wiederum soll das Allergierisiko bei Kindern verringern, die zu wenig davon im Körper haben. Bisher gibt es jedoch für beide Ansätze keinen Nachweis, dass sie helfen. Auch Kirsten Beyer bleibt kritisch: „Probiotika sind zur Allergieprävention nicht nötig. Eine gesunde und ausgewogene Ernährung ist für das Mikrobiom im Darm wichtiger“, sagt die Ärztin. Und Vitamin D bekommen Säuglinge unabhängig von der Allergieprävention.

160 verschiedene Lebensmittel können Allergien auslösen.

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Welche Rolle spielt die Haut bei der Allergie-Vorsorge?

Wobei inzwischen klar ist, dass zumindest die Haut bei der Allergieentstehung eine zentrale Rolle spielen kann: Lange vor dem ersten Babybrei kommt sie nämlich über den Hausstaub mit Allergenen in Kontakt – auch mit winzigen Mengen von Lebensmitteln. Ist die Haut durch eine Neurodermitis in ihrer Schutzfunktion gestört, können darin schlummernde Immunzellen eine Abwehrreaktion gegen die Stoffe im Hausstaub entwickeln. Eckard Hamelmann empfiehlt deshalb, Kinder mit sehr trockener Haut regelmäßig einzucremen. Ob das Allergien verhindere, sei zwar nicht gesichert. „Andererseits schadet es nicht“, sagt der Experte.

Ansonsten bleibt es dabei: Babys früh an die Vielfalt auf dem Teller zu gewöhnen, ist die beste Allergieprävention. „Es reicht aber nicht, einmal ein Ei zu geben und dann wochenlang nicht“, sagt Kirsten Beyer. „Wichtig ist, dass das Kind regelmäßig mit den Nahrungsmitteln in Berührung kommt.“