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Warum ist das jetzt ein Thema?

Etwa vier Prozent aller Säuglinge in Deutschland reagieren allergisch auf ein Nahrungsmittel wie Milch oder Erdnüsse. Für die Kinder wie ihre Eltern wird es dann schwer: In verarbeiteten Lebensmitteln sind oft Spuren dieser Allergene zu finden, auch wenn die Produkte die Zutat selbst nicht enthalten. Auf der Verpackung ist dann „Kann Spuren von … enthalten“ vermerkt.

Ein inzwischen verbreitetes Nahrungsmittel wie etwa die Erdnuss ganz zu vermeiden, ist dennoch aufwendig. Eltern von betroffenen Kindern bleibt bislang kaum etwas anderes übrig, als haar­klein auszusortieren, um lebensbedrohliche Reaktionen zu verhindern. Anders als bei Heuschnupfen oder aller­gischem Asthma gibt es meist keine Möglichkeit der Therapie. Einzige Ausnahme bisher: die orale Immuntherapie gegen die häufige Erdnussallergie.

Dabei werden ärztlich festgelegte Mengen Erdnusseiweiß als Pulver ins Essen gemischt, um den Körper langsam an das Allergen zu gewöhnen. Die Methode heißt auch De- oder Hyposensibilisierung. Sie ist im Fall der Erdnussallergie derzeit erst ab vier Jahren zugelassen – und auch dann aufgrund der Nebenwirkungen nicht immer geeignet. „Etwa jedes zehnte Kind bekommt Magen-Darm-Beschwerden, leidet unter Bauchweh oder Übelkeit“, sagt Prof. Dr. Kirsten Beyer, die an der Charité Universitätsmedizin in Berlin das Kinderallergologische Studienzentrum leitet.

Und während man bei anderen Allergien, wie ­etwa gegen Birkenpollen, auf weitere Therapieansätze wechseln könne, seien Aller­gologinnen und Allergologen bei der Erdnussallergie in solchen Fällen blank. „Wir haben gegen Nahrungsmittelallergien bisher sehr wenig in der Hand“, sagt die Expertin.

Was gibt es Neues zu wissen?

Ein internationales Team von Forscherinnen und Forschern hat in diesem Jahr erstmals gezeigt, dass ein Pflaster Kindern mit Erdnussallergie helfen könnte. Es handelt sich um eine epikutane, also über die Haut zugeführte Hyposensibilisierung. Das Pflaster enthält eine geringe Menge Erdnusseiweiß und wird – anfänglich unter ärztlicher Aufsicht – zunächst für wenige, später für 24 Stunden auf den Rücken geklebt. Jedes neue Pflaster kommt dabei an eine etwas andere Stelle. Die Feuchtigkeit der Haut löst das Erdnusseiweiß aus dem Pflaster und es dringt in die Haut ein.

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In einer klinischen Studie an Kleinkindern zwischen ein und drei Jahren führte die Therapie mit dem Erdnusspflaster bei zwei Dritteln der Behandelten zu einer deutlich geringeren Empfindlichkeit gegenüber Erdnüssen. Dabei traten häufig lokale Haut­reaktionen als Nebenwirkung auf. Bei vier der 266 mit dem Pflaster behandelten Kinder kam es zu einer schweren anaphylaktischen Reaktion, also zu sehr starken allergischen Symptomen. Nach einem Jahr Behandlung mit dem Pflaster konnten jedoch zwei von drei Kindern aus der Therapiegruppe Mengen von Erdnusseiweiß zu sich nehmen, die etwa drei bis in wenigen Fällen sogar zehn Erdnüssen entsprechen.

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Was ist der Nutzen?

Die bereits zugelassene orale Immuntherapie der Erdnussallergie kann derzeit erst Kindern ab vier Jahren verordnet werden. Insofern wäre eine Zulassung der neuen Behandlung mit dem Pflaster oder der oralen Hyposensibilisierung für Kleinkinder ein Durchbruch: die erste Behandlung überhaupt, die den kleinen Patientinnen und Patienten zur Verfügung stünde.

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Kirsten Beyer ist zudem die Perspektive wichtig, dass auch Kinder mit einer Nahrungsmittelallergie künftig die für sie passende Therapie wählen können. „Für manche wird es im Fall einer Zulassung eher das Pflaster sein, für andere das Pulver“, sagt die Kinderärztin. Kritisch sieht Beyer beim Pflaster, dass die übers Essen vertragene Menge Erdnuss offen bleibt. Bei der oralen Therapie dagegen ist klar, was das Kind schluckt und deshalb auch verträgt.

Fazit

Fest steht: Die meisten Kinder, die eine Therapie erhalten und auch dabeibleiben, können den Studienergebnissen zufolge etwas unbeschwerter ans Leben und vor allem an die Ernährung herangehen. Ein bisschen Erdnuss wird bei ihnen wahrscheinlich ­keine schweren Symptome mehr auslösen. Tolerant allerdings werden sie durch die Immuntherapie nicht. Das heißt, die Behandlung wird ihre Allergie wahrscheinlich nicht heilen. Tröstlich ist, dass es bei etwa jedem fünften betroffenen Kind im Jugendalter auch ohne Behandlung zu ­einer Toleranz kommt. Es kann dann problemlos Erdnüsse essen.

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Frau mit Heuschnupfen

Lebensmittelallergien

Nahrungsmittel wie Fisch, Erdnüsse oder Hühnerei können bei manchen Personen eine allergische Reaktion hervorrufen. Mehr zu möglichen Symptomen wie Juckreiz, Hautausschlag, Durchfall, Übelkeit, zu Allergietests und Therapie zum Artikel


Quellen:

  • M. Greenhawt, S.B. Sindher, J. Wang et. al: Phase 3 Trial of Epicutaneous Immunotherapy in Toddlers with Peanut Allergy, Originalstudie. In: New England Journal of Medicine (NEJM) 11.05.2023, 388-19: 1755
  • Gesellschaft für Pädiatrische Allergologie (GPA): Elternratgeber Erdnussallergie, Ein Leitfaden für Mütter und Väter von Kindern mit Erdnussallergie. PDF: https://www.gpau.de/... (Abgerufen am 23.11.2023)