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Eine Nachricht mit zwei Sätzen. Mehr bekam Stefan Jedele nicht, als er vor gut drei Jahren seine beiden Kinder zur Mama zurückbringen wollte und vor verschlossener Tür stand. „Sie fange ein neues Leben an, ich solle die Kinder behalten“, erzählt Jedele von dem Abend, der sein Leben auf den Kopf stellte. Bis dahin war er Wochenend-Papa, nun sollte er Emilia und Leon allein großziehen. „War schon stressig“, sagt der 46-Jährige, dessen Statur vom Lagerbau zeugt und der feinsten Lörracher Dialekt schwätzt.

Damals wie heute arbeitete Stefan Jedele Vollzeit. Seinen Arbeitsbeginn konnte er zum Glück verschieben, schließlich war er um sieben Uhr morgens bestenfalls auf dem Weg zu Schule und Kita. „Es ist immer knapp, jeden Tag. Dazu einkaufen, Essen kochen und die Hobbys der Kinder“, erzählt Stefan Jedele. Um Minusstunden abzubauen, ist er jetzt auch schon mal samstags in der Firma.

Alleinerziehend von einem Tag auf den anderen: Die Kur hilft Stefan Jedele nun gegen die Erschöpfung.

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Immer mehr Väter sind überlastet

Als Stefan Jedele von seinem Leben erzählt, sitzt er im Gesprächszimmer von Dr. Hans Hartmann. Der ist der leitende Arzt des Elly Heuss-Knapp-Hauses in Plön, einer Kureinrichtung des Deutschen Roten Kreuzes. Das 150 Jahre alte Gutshaus liegt etwas abgeschieden auf einer kleinen Anhöhe direkt am Behler See, auf dem sich an diesem Tag die Sonnenstrahlen brechen.

Seit 2013 gibt es hier ein Konzept für erschöpfte Väter, davor wurden einzelne lediglich „eingestreut“, wie Hartmann sagt. Heute vergibt das Haus sechs bis sieben Mal im Jahr bis zu acht der insgesamt 36 Plätze an Väter, die drei Wochen lang mit Kindern nach Schleswig-Holstein kommen. Darunter sind viele Alleinerziehende wie Stefan Jedele, die seit jeher eine große Gruppe bei Vater-Kind-Kuren stellen. Aber auch Väter, die unter psychischen Problemen leiden.

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Jakob Karolak etwa stammt aus einer polnischen Spätaussiedler-Familie und erlebte als Kind die Trennung von seiner Mutter, die mit seiner Schwester nach Deutschland übersiedelte und ihn und seinen Vater zunächst zurücklassen musste. Welche Folgen diese Erfahrung für ihn hatte, merkte Karolak, nachdem er 2015 Zeitsoldat geworden war und seine Familie nur noch am Wochenende sah.

„Ich konnte mit den ständigen Trennungen von meiner damaligen Freundin und ihrer Tochter nicht umgehen“, erzählt er. Er bekam Panikattacken, stellte ein Gesuch auf Heimatnähe und wird in den öffentlichen Dienst wechseln. Heute hat Jakob Karolak eine neue Partnerin und mit ihr zwei Kinder. In Plön ist er mit Sohn Julius, 21 Monate alt: „Ich habe mich immer viel um ihn gekümmert. Aber die Zeit hier stärkt unsere Beziehung noch einmal mehr“, erzählt ­Karolak. „Es ist wunderbar, den Abstand vom Alltag und die Zeit für ihn zu haben.“

Männer fühlen anders

Daneben wächst seit Jahren die Gruppe der Männer, die sich zwischen Arbeit und Familie zerrissen fühlen. „Durch den gesellschaftlichen Wandel erleben diese Stressspirale immer mehr Väter“, erzählt Hans Hartmann. „Viele sind deutlich überlastet. Entsprechend nimmt die Nachfrage nach Vater-Kind-Kuren stetig zu.“

Als Ärztlicher Leiter des Kurhauses ist Dr. Hans Hartmann nah dran an den Problemen der Väter.

Als Ärztlicher Leiter des Kurhauses ist Dr. Hans Hartmann nah dran an den Problemen der Väter.

Geschlechtertrennung bei den Sitzungen

Auch Hans Hartmann hört immer wieder, dass Väter, die eine Kur beantragen, kritische Bemerkungen zu hören bekommen. Gleichzeitig nimmt der Psychiater wahr, dass immer mehr Männer offen damit umgingen, wenn ihnen alles zu viel werde. Der Umgang damit sei zwischen den Geschlechtern aber wiederum sehr unterschiedlich: „Männer haben einen anderen Zugang zu Emotionen als Frauen“, sagt Hans Hartmann. „Viele müssen überhaupt erst lernen, mit ihren Gefühlen umzugehen und sich um diese zu kümmern.“

Das ist ein Grund, weshalb in dem Kurhaus am Behler See – so wie bei allen Kuren, die unter dem Dach des MGW stattfinden – weitgehende Geschlechtertrennung herrscht. Das gilt vor allem für die Gruppengespräche, wobei diese Regel bei den Gesprächskreisen zu Erziehungs- und Beziehungsthemen bewusst außer Kraft gesetzt ist: „Hier kann es sehr hilfreich sein, wenn die jeweils andere Perspektive eingebracht wird“, erklärt Psychotherapeut Hartmann.

Gefangen in der Stressspirale – so wie Stephan Lazer und seiner Frau geht es vielen Eltern.

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Stephan Lazer zum Beispiel hat gerade an einem Gruppengespräch zum Thema Beziehung teilgenommen – als einziger Mann. Der 42-Jährige macht die Vater-Kind-Kur mit seinen achtjährigen Zwillingen. Er und seine Frau stehen für all die Paare, die in der Partner- und Elternschaft, in der Sorge- und Erwerbsarbeit eine möglichst große Gleichberechtigung anstreben. „Das erfordert ein ständiges Aushandeln, das durchaus anstrengend sein und zu Problemen führen kann“, sagt Stephan Lazer.

Von der Kur erhofft sich der Ingenieur Tipps, wie er und seine Frau künftig besser miteinander reden und ihren Alltag organisieren können. Und, wie sie nicht nur als Eltern, sondern auch als Paar gut funktionieren. Lazer spricht darüber auch in Einzelgesprächen mit Therapeuten wie Hans Hartmann. Die Sitzungen finden morgens und mittags statt, so wie auch die anderen Maßnahmen, bei denen es um gesunde Ernährung, Bewegung und Entspannung geht – die typischen Präventionsfelder, auf die Kuren üblicherweise abzielen.

Endlich Exklusiv-Zeit mit den Kindern

Die Väter bekommen zum Beispiel Massagen, machen Rückengymnastik oder morgens am See Nordic Walking. „Ich überlege, mir solche Stöcke zu kaufen“, sagt Stefan Jedele, der zu Hause schon lange keinen Sport mehr ­gemacht hat. Genauso wie Stephan Lazer, der in letzter Zeit viel Kraft in ein Baugruppenprojekt gesteckt hat. Für die Kur hat er sich vorgenommen, wieder mit dem Joggen zu beginnen.

In der Zeit, in der die Väter ihre Gespräche, weitere Therapien und ­Anwendungen haben, sind die Kinder in der Schule oder werden betreut – und haben ihre Väter am Nachmittag dann ganz für sich. Diese Exklusiv-Zeit wird bewusst ­gefördert und durch spezielle Vater-Kind-­Angebote ­ergänzt, um die Beziehung zueinander zu ­stärken. „Mehr Zeit mit ihren Kindern zu verbringen, ist für viele Väter eine Grundmotivation für die Kur“, erklärt der ärztliche Leiter Hans Hartmann. So auch für Stefan Lazer: „Wenn ich die ­Zwillinge abhole, habe ich große Lust, etwas mit ihnen zu machen – und endlich mal die Zeit dafür.“ Stefan ­Jedele sieht das genauso: „Für die Kinder und für mich ist es richtig schön, mal in Ruhe etwas ­gemeinsam ­unternehmen zu können.“

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