So jung und schon Vater?
Mit 20 hat man noch Träume. Nur drehen die sich eher selten um Babys – zumindest bei den meisten Männern: Im Durchschnitt sind Väter von Erstgeborenen in Deutschland über 33 Jahre alt. Aber nicht alle warten so lange. Manchmal passiert es einfach. Oder fühlt sich mit der großen Liebe plötzlich gut und richtig an. Und einige Männer wünschen sich schon in jungen Jahren ein Kind. Doch wie geht es den jungen Vätern? Was macht sie aus? Werden sie anders wahrgenommen?
Soziologin Dr. Kim Bräuer von der Technischen Universität Braunschweig hat in einer umfassenden Väterstudie bundesweit 2200 Väter befragt – darunter auch junge unter 25 – und herausgefunden, dass sie sich ebenso im Rollenkonflikt zwischen Familie und Beruf befinden wie ältere. „Zudem hadern sie mit den Erwartungen, die die Gesellschaft und ihr soziales Umfeld an ihre Vaterrolle stellen“, sagt Bräuer. Aber auch das haben alle Altersgruppen gemeinsam. Also unterscheiden sich junge Väter gar nicht so sehr von anderen?
Wir haben drei von ihnen gefragt, wie sich ihr Leben durch die Kinder verändert hat – was sie gelernt haben, was ihnen wichtig ist und was sie aufgeben mussten. Und wie sie von anderen wahrgenommen werden.
„Mir wurden auf der Straße ständig Tipps gegeben“
Erik, 26, aus Berlin hat mit 22 sein Wunschkind bekommen
Ich wollte immer jung Vater werden. Glückliche Fügung, dass meine Freundin denselben Traum hatte. Wir waren knapp drei Jahre zusammen, ich hatte gerade als Redakteur beim Fernsehen angefangen, meine Freundin eine Ausbildung zur Erzieherin. Unser Umfeld hat überrascht reagiert, aber es war keine große Sache. Natürlich war die erste Frage: War das geplant? Aber gefreut haben sich alle.
Wir haben uns reingestürzt, ich habe mir keine Gedanken gemacht. „Wird schon gut gehen“, war mein Mantra. Schwer taten wir uns mit dem Rollenmodell, in dem wir gelandet sind: „Mama bleibt zu Hause und Papa verdient das Geld“ war das Gegenteil von dem, woran ich glaube. Aber finanziell war es die einzige Lösung.
Inzwischen kriegen wir es besser hin: Ich übernehme den Kleinen morgens, meine Freundin holt ihn nachmittags aus der Kita. Den Haushalt teilen wir uns. Schockiert hat mich, wie wildfremde Menschen uns als Eltern behandelten. Ständig mischten sich alle ein: „Das Baby muss eine Mütze tragen! Der braucht einen Schnuller!“ Wäre ich 40 gewesen, wäre die Hürde für ungefragte Tipps sicher größer gewesen. Über meine Erlebnisse habe ich ein Buch geschrieben.
Bis heute gibt es Situationen, in denen wir uns fehl am Platz fühlen. Unser Leben ist das Gegenteil von dem unserer Freunde, das macht etwas einsam. Kinderthemen bespreche ich eher mit den Kameramännern in meinem Team. Die sind fast 50, aber haben mehr mit mir gemeinsam. Dass meine Freundin und ich uns so sicher in der Entscheidung waren, war eine gute Basis für alles. Wir haben vier wilde Jahre als Familie hinter uns. Wahnsinn, wie wir gealtert sind! Und gewachsen an den Herausforderungen. Aber ich bereue nichts.
„Ich war plötzlich alleinerziehend“
Christian, 27, aus Velbert ist mit 19 Vater geworden und wird im Sommer noch mal Papa
Kurz nachdem wir uns kennengelernt hatten, wurde meine Freundin schwanger. Sie war 17, ich 19. Eigentlich wollte ich mich von ihr trennen – stattdessen erwarteten wir ein Kind. Noah (Name geändert) kam sechs Wochen zu früh, lag auf der Intensivstation. Nachdem wir von dort entlassen wurden, ist meine Freundin gegangen.
Ich steckte mitten in meiner Ausbildung zum Pflegehelfer und musste plötzlich mein zwölf Wochen altes Baby allein versorgen. Zum Glück gab es in meiner Ausbildungsstelle eine Kita, die schon Säuglinge ab acht Wochen aufnimmt. Meine Kollegen haben den Dienstplan geändert, sodass ich keine Nacht- oder Wochenendschichten übernehmen musste. Ich habe trotzdem kaum geschlafen, abgenommen – aber meine Ausbildung beendet. Noah und ich waren gut aufeinander eingespielt.
Sechs Monate später kam seine Mutter zurück und wollte ihn wiederhaben. Es kam zur Auseinandersetzung vor dem Jugendamt. Dass das Amt zustimmte, dass der Junge bei ihr bleibt, hat mir den Boden unter den Füßen weggezogen. Wobei ich im Rückblick mit schuld bin: Ich war jung und emotional, habe mich gegenüber den Betreuern im Ton vergriffen. Aber ich fühlte mich so alleingelassen.
Meine Ex-Freundin zog mit Noah 45 Minuten weg von Velbert. Eigentlich machbar mit dem Auto, aber sie wollte nicht, dass ich ihn sehe. Das ging monatelang so. Irgendwann habe ich mir einen Anwalt genommen, um meinen Sohn wiederzusehen, aber auch das zog sich ewig hin. Erst als Noah sechs war, durfte ich ihn wieder öfter treffen. Heute verbringen wir alle zwei Wochen den Freitag zusammen, manchmal das Wochenende. Das Verhältnis zu seiner Mutter hat sich verbessert.
Im Juli werde ich noch mal Papa. Diesmal ist alles anders. Ich habe Erfahrungen gesammelt, umgedacht – DIE Frau gefunden. Wir haben geheiratet und die Vorfreude auf unsere Tochter ist riesig. Ich nehme acht Monate Elternzeit. Diesmal möchte ich die Zeit genießen, ein Vorbild sein. Für diese Chance bin ich sehr dankbar.
„Im Dorf bin ich ein Exot“
Karl, 25, aus Eslohe hat zwei Überraschungskinder
Ich habe zwei Kinder, zwei Start-ups und nichts davon war geplant! Keine Ahnung, wie wir das geschafft haben. Ich kenne Anna schon lange und wusste immer: Das könnte ernst werden mit uns. Aber ich war jung und wollte mich austoben, also waren wir nur Freunde. Erst als ich 22 war, wurden wir ein Paar. Drei Wochen später war unser Sohn Lugh auf dem Weg.
Von heute auf morgen hat sich mein Leben um 180 Grad gedreht: zuerst ein Arbeitsunfall, bei dem ich mir die Hand so schwer verletzte, dass ich nicht mehr als Zimmerer arbeiten konnte. Dann die Sache mit Anna, mir und dem Baby. Sie hatte solche Angst, es mir zu sagen, aber ich habe mich irre gefreut. Obwohl wir beide Freigeister sind und erst mal reisen wollten. Meine Mama hatte deshalb mehr Sorge als Freude. Sie hat mich sehr verletzt mit ihrer Reaktion damals. Trotzdem haben wir heute ein gutes Verhältnis und quatschen über alles. Und Annas Eltern gaben uns von Anfang an das Gefühl: Das kriegt ihr hin!
Anna und ich sind zusammengezogen, gründeten gemeinsam eine Agentur – sie als Fotografin, ich als Videograf. Ich hatte keine Zeit, mich auf das Leben mit Kind vorzubereiten, und plötzlich war Dezember 2020 und der Kleine lag in meinen Armen. Es hat mich umgehauen. Ich hätte so gern einen Mentor gehabt, dem ich all meine Fragen stellen kann. Aber wir sind im Dorf Exoten, hier wirst du schnell in Schubladen gesteckt – sogar in der Clique von damals. Nachdem klar war, dass wir das Baby bekommen, ging das Getratsche los.
Dem zum Trotz haben wir einen Instagram-Kanal eröffnet und offen über Ängste und Probleme gesprochen. Statt Shitstorms haben wir Respekt bekommen. Trotzdem bleiben wir außen vor, weil wir anders sind. Der Austausch fehlt mir. Als wir mal am Wochenende in Köln waren, sah ich junge Väter auf dem Spielplatz sitzen, die hätte ich gern auch zu Hause. Trotzdem wollen wir nicht wegziehen. Das Dorf ist günstiger, der Wald vorm Haus ein Privileg und die Nähe zu den Großeltern eine große Hilfe. Vor einem Jahr bin ich noch mal Papa geworden, auch unsere Tochter kam überraschend. Eine geplante Schwangerschaft mit Zeit und Vorbereitung wäre schon mal toll. Aber ich kenne nur das Reinstürzen.
Quellen:
- Statistisches Bundesamt: Zahl der Woche – Väter von Erstgeborenen sind im Schnitt 33,2 Jahre alt. Online: https://www.destatis.de/... (Abgerufen am 26.04.2023)
- Bräuer K, Marquardsen K, Brzosa F et al. : You don’t need to be Superheroes: Einblicke in die vielfältigen Lebenslagen von Vätern, Abschlussbericht. Online: https://doi.org/... (Abgerufen am 26.04.2023)