Alleinerziehend: So bekommen Sie Hilfe
Höhere Kosten, mehr Stress, schlechtere Chancen auf dem Arbeitsmarkt – Studien haben gezeigt, dass alleinerziehende Mütter und Väter mit größeren Schwierigkeiten zu kämpfen haben als Paare mit Kindern. Laut dem Familienreport 2020 des Bundesfamilienministeriums bestehen etwa 19 Prozent der Familien in Deutschland aus Alleinerziehenden mit ihren Kindern. Die Zahl minderjähriger Kinder, die nur bei einem Elternteil aufwachsen, ist zwischen 1996 und 2018 von rund 1,9 Millionen auf 2,1 Millionen angestiegen. In knapp 90 Prozent der Fälle ist das die Mutter.
Obwohl Alleinerziehende vergleichbar häufig erwerbstätig sind wie Mütter in Paarfamilien, waren im Jahr 2018 mehr als 55 Prozent der Kinder von Armut bedroht, wenn sie mit Geschwistern bei einer alleinerziehenden Mutter oder beim Vater lebten. Für Einzelkinder von Alleinerziehenden lag das Armutsrisiko mit gut 41 Prozent deutlich darunter. Bei Paarfamilien mit drei oder mehr Kindern war die Armutsgefährdungs-Quote mit gut 34 Prozent allerdings erheblich niedriger. Rund 527.000 Alleinerziehende erhielten im Jahr 2019 Grundsicherung, bei den Paarfamilien waren es deutlich weniger, nämlich 469.000.
Alleinerziehend: Fehlende Unterstützung kann krank machen
Wenn Alleinerziehende nicht für sich alleine sorgen können, belastet das auch ihre Psyche. "Mütter leiden häufig unter ständigem Zeitdruck, beruflichen Belastungen und sozialer Isolierung", sagt Anne Schilling, Geschäftsführerin des Müttergenesungswerks. Bei Alleinerziehenden ist die Belastung entsprechend höher. Hinzu kommt, dass die Mutter oder der Vater oft die einzige Bezugsperson für das Kind ist und sich kaum Auszeiten nehmen kann. Eine der Folgen: "Alleinerziehende sind in unseren Kliniken deutlich überproportional vertreten", sagt Schilling. Im Müttergenesungswerk gibt es über 70 Mütter- bzw. Mutter-Kind-Kliniken, davon bieten 21 Klinken auch Väter- bzw. Vater-Kind-Kuren an. Die Mütter nehmen eine Kur in Anspruch, weil sie zum Beispiel unter Erschöpfungssyndrom bis hin zum Burnout oder Belastungsreaktionen leiden. Außerdem haben sie häufig Erkrankungen wie Rückenschmerzen oder Gelenkbeschwerden.
Existenzängste: Kinder sind meist mitbetroffen
"Das Grundproblem von Müttern ist, dass sie meist sehr viel Verantwortung auf sich nehmen", so Schilling. "Alleinerziehende glauben oft, keine andere Wahl zu haben. Dabei gibt es auch für sie Möglichkeiten zur Entlastung." Nicht nur, um selbst gesund zu bleiben, sondern auch zum Wohl des Kindes: Studien haben gezeigt, dass die Gesundheit des Kindes stark von der der Mutter abhängt und umgekehrt. "Wir stellen fest, dass viele der Kinder, die mit ihren Müttern in unsere Kliniken kommen, selbst behandlungsbedürftig sind", sagt Schilling. Betroffene Kinder haben überwiegend Erkrankungen des Atemsystems, psychische Problemen und zeigen Verhaltensauffälligkeiten wie Sprachstörungen und Bettnässen.
Und so können sich Alleinerziehende entlasten:
Die Zukunftsaussicht? Langfristig optimistisch
Natürlich sind nicht alle Alleinerziehenden gesundheitlich angeschlagen und in Geldnot. Eine Studie des Bundesfamilienministeriums hat ermittelt, dass alleinerziehende Frauen ihre Situation langfristig als gar nicht so problematisch beurteilen und sehr optimistisch in die Zukunft blicken. Dennoch sind Alleinerziehende mit ihrer Lage im Schnitt viel unzufriedener als Mütter in Paarfamilien.
Und so können sich Alleinerziehende entlasten:
Netzwerk bilden:
Suchen Sie Kontakt zu Familie, Freunden, Bekannten und Nachbarn und unterstützen Sie sich gegenseitig. Zum Beispiel können Sie sich mit Freunden bei der Kinderbetreuung abwechseln: An einem Nachmittag kommen die Kinder Ihrer Freunde zu Ihnen, an einem anderen überlassen Sie ihnen Ihre Kinder.
Angebote wahrnehmen:
Es gibt viele Hilfen für Alleinerziehende, ob staatlich oder von Verbänden und Stiftungen. Beratungsstellen der Wohlfahrtsverbände, des Verbands alleinerziehender Mütter und Väter oder Ihrer Kommune können Ihnen einen Überblick geben. Auch beim Bundesfamilienministerium können Sie sich informieren.
An sich und das Kind denken:
Ist die Mutter gesund, profitiert auch das Kind. Für Ihre Gesundheit ist es nicht förderlich, wenn Sie versuchen, die gesamte Verantwortung alleine zu schultern. Neben der Unterstützung durch Institutionen oder Ihr soziales Netzwerk hilft es auch, sich Pausen zu gönnen. "Kinder können lernen, dass die Mama auch mal Zeit für sich braucht", sagt Schilling.
Checkliste: Hilfen für Alleinerziehende im Überblick
Kindesunterhalt
Alleinerziehenden steht vom anderen Elternteil Unterhalt für das Kind zu. Die Höhe richtet sich danach, wie viel der andere verdient und wie alt der Nachwuchs ist. Als Richtwerte gelten dabei die Werte der "Düsseldorfer Tabelle" des Oberlandesgerichts Düsseldorf. In speziellen Fällen kann zusätzlich ein Mehrbedarf geltend gemacht werden. Dies gilt zum Beispiel, wenn das Kind eine besondere Therapie benötigt, die die Kasse nicht erstattet. In bestimmten Fällen gibt es auch die Kinderbetreuungskosten zusätzlich zum Unterhalt. Die Kosten für Kita oder Tagesmutter werden dann einkommensabhängig zwischen den Eltern aufgeteilt.
Betreuungsunterhalt
Müssen Alleinerziehende kleine Kinder betreuen, sind sie nicht dazu verpflichtet, erwerbstätig sein. Deshalb steht alleinerziehenden Müttern oder Vätern, die Kinder unter drei Jahren versorgen und erziehen, ein Betreuungsunterhalt vom anderen Elternteil zu. Der genaue Betrag richtet sich nach dem Bedarf der Familie und dem Einkommen des Unterhaltspflichtigen. Unter bestimmten Bedingungen kann sich der Anspruch auch verlängern.
Unterhaltsvorschuss
Wenn der Unterhaltspflichtige nur unregelmäßig oder gar keinen Unterhalt zahlt oder die Vaterschaft nicht geklärt ist, können Alleinerziehende für Kinder unter 18 Jahren einen Unterhaltsvorschuss beim Jugendamt beantragen. Unterhaltsvorschuss gibt es nur für das Kind, nicht für den alleinerziehenden Elternteil. Die Höhe richtet sich nach dem Alter des Kindes und beträgt zwischen 174 und 309 Euro pro Monat.
Kindergeld
Alleinerziehende bekommen das Kindergeld in voller Höhe bzw. gegebenenfalls den Kinderfreibetrag. Für das erste und zweite Kind gibt es seit dem 1. Januar 2021 219 Euro, für das dritte Kind 225 Euro und für jedes weitere Kind 250 Euro.
Elterngeld
Alleinerziehende können die vollen 14 Monate Elterngeld in Anspruch nehmen, oder alternativ 28 Monate Elterngeld plus. Paare müssen diese Zeit unter sich aufteilen. Wenn sie die entsprechenden Voraussetzungen erfüllen, erhalten Alleinerziehende außerdem vier Monate Partnerschaftsbonus. Die Höhe des Elterngelds hängt vom Einkommen vor der Geburt und dem aktuellen Einkommen ab. Wer vor der Geburt des Kindes kein Einkommen hatte (zum Beispiel Studentinnen), erhält das Minimum von 300 Euro Elterngeld bzw. 150 Euro Elterngeld plus pro Monat.
Steuer
Neben den üblichen Kinderfreibeträgen können Betreuungskosten und die Kosten für haushaltsnahe Beschäftigte steuerlich geltend gemacht werden. Zusätzlich erhalten Alleinerziehende den sogenannten "Entlastungsbetrag für Alleinerziehende".
Kinderzuschlag und Wohngeld
Bei einem geringen Einkommen haben viele Eltern Anspruch auf den Kinderzuschlag, das Bildungspaket und/oder Wohngeld, Paare genauso wie Alleinerziehende. Den Kinderzuschlag bekommen Familien, bei denen die Eltern mit ihrem Einkommen zwar den eigenen Bedarf decken können, aber nicht den ihrer Kinder. Er beträgt bis zu 205 Euro pro Monat und kann bei der zuständigen Familienkasse beantragt werden. Das geht auch online.
Zusätzlich stehen den Empfängern von Kinderzuschlag oder Wohngeld sogenannte Leistungen für Bildung und Teilhabe (auch Bildungspaket genannt ) zu, die beispielsweise für den Schulbedarf des Kindes, bei Schul- und Kitaausflügen, für den Schulbus, Nachhilfe oder Sportverein gezahlt werden. Sie können bei der zuständigen Gemeinde oder dem Landkreis beantragt werden. Ansprechpartner finden Sie hinter diesem Link.
Das Wohngeld als Zuschuss zur Miete können Familien mit geringem Einkommen bei der Wohngeldstelle der Gemeinde beantragen.
Arbeitslosengeld II & Sozialhilfe
Müssen Alleinerziehende Arbeitslosengeld II beziehen, sind sie damit automatisch renten-, kranken- und pflegeversichert. Die Arbeitsagentur ist nicht nur für Hilfen bei der Bewerbung und der Jobsuche zuständig, sondern unterstützt auch bei der Suche nach einer passenden Kinderbetreuung. Sozialhilfe können Alleinerziehende beantragen, wenn sie nicht berufstätig sein können. Alleinerziehenden, die Arbeitslosengeld II oder Sozialhilfe erhalten, steht zusätzlich der sogenannte Mehrbedarfszuschlag für ihre Kinder zu. Er richtet sich nach dem Alter und der Anzahl der Kinder.
Haushaltshilfe
Bei akuten Erkrankungen können Alleinerziehende bei ihrer Krankenkasse eine Haushaltshilfe beantragen. Die genauen Bedingungen dafür nennt die Kasse.
Kuraufenthalte
Bei Krankheiten und anderen Belastungen kann Alleinerziehenden eine Mütter- oder eine Mutter-Kind-Kur beziehungsweise eine Väter-oder eine Vater-Kind-Kur helfen. Dass eine solche Vorsorge- oder Rehabilitationsmaßnahme nötig ist, muss ein Arzt bescheinigen. Die Beratungsstellen im Verbund des Müttergenesungswerks helfen zu allen Fragen rund um die Kur, beim Antrag, bei der Wahl der passenden Klinik und mit Nachsorgeangeboten. Und wenn das Geld fehlt, um Eigenanteil, Anreise oder Taschengeld für die Kur zu bezahlen, unterstützt die Beratungsstelle – soweit möglich – mit Spendenmitteln des Müttergenesungswerks. Informationen und eine Suchfunktion für lokale Beratungsstellen auf www.muettergenesungswerk.de, Mehr Infos auch am Telefon: 030/33 00 29 -29
Urlaub
Bundesweit gibt es sogenannte Familienferienstätten, die von Wohlfahrtsverbänden betrieben werden und vor allem Familien mit geringen finanziellen Möglichkeiten einen schönen und erholsamen Urlaub ermöglichen sollen. Sie bieten Kinderbetreuung, Aktivitäten und Bildungsangebote. Hilfsbedürftigen Familien können die Träger häufig Zuschüsse vermitteln.
Spendengelder
Wenn alle regulären Möglichkeiten ausgeschöpft sind und das Geld aufgrund einer besonders schwierigen Situation trotzdem nicht reicht, können sich Alleinerziehende oder werdende Mütter an Wohlfahrtsverbände oder Stiftungen wenden. Beratungsstellen von Diakonien, Caritas, Arbeiterwohlfahrt, Paritätischem Wohlfahrtsverband, Pro Familia oder dem Deutschen Roten Kreuz können eventuell Spendengelder vermitteln.