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Frau Dahlmeier, wie fühlt es sich an, am Start zu stehen? Ist das Gefühl immer gleich – egal ob beim Biathlon oder bei einem Berglauf?

Sobald es ein Wettkampf ist und es um Höchstleistung geht, ist es ähnlich. Der Fokus wird sehr schmal, die Scheuklappen enger, es geht auf Zeit. Eine gewisse aggressive Grundstimmung habe ich dann immer, auch wenn es eigentlich um gar nichts geht.

Und wie geht es Ihnen am Ziel? Im Herbst sind Sie nach Istanbul geradelt – war das Ankommen dort ähnlich wie ein Zieleinlauf beim Biathlon?

Ganz anders. Ein Biathlon-Rennen ist sehr kurz, zwischen 15 und 45 Minuten. Die Intensität ist maximal hoch, da habe ich keine Zeit nachzudenken und muss mich auf das Hier und Jetzt konzentrieren. Je länger das Rennen, der Lauf oder die Tour, desto geringer ist die Intensität. Die Ankunft in Istanbul hat ewig gedauert, denn man muss ja durch den Speckgürtel der Stadt durch, das sind 50 Kilometer. Das ist etwas anderes, als auf der Ziellinie noch mal den Fuß vorzuschieben.

Brauchen Sie immer ein Ziel oder reicht es Ihnen, auch mal einfach loszulaufen?

Gute Frage. (Überlegt.) Doch, ich brauche schon immer ein Ziel. Auch wenn ich in der Früh eine Runde laufen gehe, überlege ich mir, wohin genau. Aber ich halte daran nicht fest. Wenn ich merke, links ist es viel cooler, dann lauf ich dahin. Auch am Berg. Und danach bin ich glücklich darüber.

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Gibt es auch Tage, an denen Sie gar nichts machen?

Eher notgedrungen. Es ist selten, dass ich mir bewusst vornehme, nichts zu tun. Klar, Ruhephasen gehören dazu, gerade wenn viel los war oder nach einer anstrengenden Tour. Aber zwei, drei Tage lang – das ist schwierig. Dann mache ich zumindest Gymnastik, Yoga oder gehe abends in die Kletterhalle.

Sie machen mittlerweile so viele verschiedene Sportarten, brauchen
Sie die Abwechslung?

Ja! Mir wird schnell langweilig. Das habe ich während meiner Biathlon-Zeit schon gemerkt. Wenn wir laut Trainingsplan immer die gleiche Runde joggen sollten, habe ich spätestens nach der zweiten gefragt: Muss es immer die gleiche Strecke sein? Oder ist nur die Zeit entscheidend? Dann laufe ich nämlich mal woandershin.

Erklärt das auch, warum Sie vergleichsweise früh, mit knapp 26, als Profisportlerin aufgehört haben?

Der Zeitpunkt war perfekt, wirklich. Ich hatte so eine tolle Biathlon-Zeit, durfte so viel erleben. Ich bin dankbar für alles, was ich erreicht habe. Aber irgendwann habe ich mich gefragt: Brennt da noch das Feuer, habe ich noch die große Leidenschaft? Oder nicht? Und meine Antwort war: Ganz so groß ist die Leidenschaft nicht mehr – dann wird es vielleicht Zeit für etwas anderes.

Gab es kein Ziel mehr?

Das Ziel war nur noch, den Erfolg zu bestätigen. Das hat mir nicht gereicht. Ich habe gern ein richtiges Ziel – nur den Erfolg zu wiederholen, hat mich nicht so motiviert. Im Leistungssport muss die Motivation aber immer bei 100 Prozent sein.

Wenn Sie Biathlon-Rennen als Fernseh-Expertin verfolgen – juckt es Sie manchmal noch?

Ich habe mir von Anfang an vorgenommen, meine Entscheidung nie zu hinterfragen. Sie steht, ich kann sie nicht revidieren. Ich habe auch immer gesagt, es wird kein Comeback geben. Das mag ich einfach nicht. Mich hätte es natürlich schon gejuckt mitzulaufen, aber nur um zu wissen, ob ich noch mithalten kann. Ich muss nicht da oben stehen und jubeln.

Fast alles, was Sie sportlich machen, machen Sie draußen. Ist die Natur Ihre zweite Heimat?

Meine erste Heimat! Ich könnte dauerhaft keinen Indoor-Sport machen. Ich bin gern im Kraftraum, auch in der Kletterhalle. Aber wenn ich rausgehen kann, wenn das Wetter schön ist und ich frei habe – dann würde ich immer rausgehen.

Was gibt die Natur Ihnen, was Sie woanders nicht bekommen?

Die Natur ist für mich ein Kraftort, vor ­allem die Berge. Da tanke ich Energie. Das habe ich früher auch schon gemacht, etwa zwischen zwei Rennen: Obwohl ich k.o. war, bin ich rausgegangen und war dann fitter als davor. Ich kann in der Natur besser regenerieren. Die Natur ist so schön, das beeinflusst mich einfach positiv. Ich könnte mir nicht vorstellen, an einem Ort ohne Berge zu leben.

Auch Ihr Ehrenamt führt Sie in die Berge. Wie sind Sie zur Bergwacht gekommen?

Mein Vater ist Bereitschaftsleiter bei der Bergwacht in Garmisch. Er hat mir eigentlich abgeraten, weil ich durch den Profisport natürlich nicht viel Zeit hatte. Aber ich wollte es gerne versuchen. Klar, das erfordert Flexibilität von den Ausbildern und Kameraden. Aber es hat geklappt und ich bin dabei, seit ich 18 bin.

Die Natur ist für mich ein Kraftort, vor ­allem die Berge. Da tanke ich Energie.

Gehen Ihnen die Einsätze auch nahe, wie stark beschäftigt Sie das? Wird man vorsichtiger am Berg, hat mehr Respekt?

Ich bin seit vielen Jahren im Bergsport aktiv und war schon immer viel in den Bergen, auch während meiner Zeit als Profisportlerin. Ich habe dort schon Menschen verloren. Das geht mir nahe. Ich frage mich, wie es passieren konnte, was ich daraus lernen kann. Manche verlieren durch solche Erlebnisse die Lust am Klettern und suchen sich andere Hobbys. Aber ich merke: Das ist meine ganz große Leidenschaft, ich versuche, mich weiterzuentwickeln. Ich gehe sicher weniger Risiken ein als vor zehn Jahren. Durch die Bergwacht bin ich eher ­schockiert, wie schlecht vorbereitet viele Menschen in die Berge gehen.

Inwiefern?

Ich mache das wirklich gerne, das ist mein Ehrenamt. Ich helfe Menschen in Not mit meiner Erfahrung und meinem Wissen. Es ist ein großes Geschenk, dass ich das tun darf. Aber ich finde es schade, wenn die Leute einfach losgehen, ohne Zeitplan und Ortskenntnis. Es kann jedem immer etwas passieren – aber wenn ich einkalkuliere, dass die Bergwacht mich schon retten wird, dann ist ganz viel schiefgelaufen.

Was raten Sie?

Touren gut vorbereiten und Sicherheits­reserven einplanen, das ist essenziell am Berg. Es hat dort einfach andere Konsequenzen – wenn ich in der Stadt nicht mehr kann, fahre ich mit der U-Bahn zurück. Aber in den Bergen geht das nun einmal nicht.

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