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Frau ­Köhler, stimmt es, dass Ihr ur­sprüng­licher Berufswunsch Clown war?

Ja, meine Lieblings­clowns waren Marcel Marceau alias „Bip“ und sein Schüler Dimitri. Ich empfand sie nicht als lustig, sie haben mich einfach zutiefst berührt. Auch ich will Menschen berühren, seit Kindertagen.

Eine Clown-Karriere haben Sie aber nie verfolgt.

Dafür muss man super jonglieren können und akrobatisch sein. Aber ich war eine Niete im Sport. Die Schau­spielerei war dann Plan B.

Den Sie mit bewundernswerter Ausdauer durchgezogen haben. Neun Schauspielschulen lehnten Sie ab, man riet Ihnen, besser Kindergärtnerin zu werden. Woher nahmen Sie das Selbstbewusstsein weiterzumachen?

Ich hatte von klein auf eine ­starke kämpferische Ader. Wenn meine Eltern etwas verboten, fand ich eine andere Lösung. Schließlich wurde ich an einer Schauspielschule in New York angenommen. Ich unterrichte inzwischen selbst und weiß: Man kann nicht sofort sehen, wer begabt ist und wer nicht. Viele sind sehr selbstbewusst, aber oft sind die Schüchternen besser. Ich war extrem schüchtern und traute mich eigentlich gar nichts. Bei sehr schüchternen Schauspielschülerinnen schaue ich darum ganz genau hin.

Sind Sie heute noch introvertiert?

Zumindest gehe ich nach einer Vorstellung nicht gerne unter Leute. Und Veranstaltungen mit rotem Teppich finde ich extrem anstrengend, andere genießen das.

Ihr Vater war Marionettenspieler mit eigenem Theater. Hat Sie das nie gereizt?

Er hat die Marionetten sogar selbst gebaut, richtige Kunstwerke, die hängen heute im Stadtmuseum in München. Ich beobachtete meinen Vater, wie er da stand mit den Kreuzen und Fäden in den Händen, aber für mich war das uninteressant. Ich wollte lieber mich selbst in jemand anderen verwandeln.

In der aktuellen Serie „Haus aus Glas“ spielen Sie eine schwer greifbare Frau. Mal erscheint sie als Opfer, dann wieder dominant.

Meine Figur ist schwer einzuordnen, das macht sie so spannend. Die ­ganze Geschichte ist sehr dramatisch und immer wieder überraschend, trotzdem erkennt jeder darin Situationen oder Eigenschaften wieder oder kann sich identifizieren. Diese Art von Filmen finde ich besonders interessant, weil wir Schauspieler die Zuschauer damit intensiv berühren.

Warum mögen Sie gerade Frauen­figuren mit Abgründen so sehr?

Ich versuche, mich in eine Figur hineinzurecherchieren, herauszufinden, wie ihre Kindheit war, warum sie diesen Lebensweg eingeschlagen hat. Je komplizierter und vielfältiger sie ist, desto interessanter wird sie für mich als Schauspielerin. Eine glatte Figur ohne Konflikte wäre mir viel zu langweilig.

2001 spielt sie im Oscar-prämierten Kinodrama „Nirgendwo in Afrika“ die Hauptrolle.

2001 spielt sie im Oscar-prämierten Kinodrama „Nirgendwo in Afrika“ die Hauptrolle.

Sie selbst sind offenbar sehr gelassen. Sie haben mal gesagt: „Man muss versuchen, das Leben immer entspannter zu sehen. Dass man nicht grübelt oder sich andauernd Sorgen macht. Alles kommt zu seiner Zeit.“

In jungen Jahren konnte ich das auch nicht. Inzwischen merke ich aber: Wenn mein Leben ein Maßband ist, bin ich im letzten Drittel. Es ist wichtig, jetzt loszulassen und sich Zeit für die schönen Dinge zu nehmen. Ich will jetzt in Ruhe erleben, ohne Stress und Ungeduld und Ehrgeiz.

Aber das Drehen und die Theater­­arbeit erfordern doch sicher viel ­Energie und Disziplin.

Klar, aber dann werfe ich einfach meinen Motor an und bin wieder voll da. Ich mache jedoch weniger, je ­älter ich werde. Was auch damit zu tun hat, dass es nur wenige Rollen gibt für Frauen in meinem Alter. Ich finde es katastrophal, dass im Fernsehen die Ehefrauen der Männer immer jünger werden, während die Männer ganz normal altern dürfen.

Wie gelingt es Ihnen, Ruhe und ­Gelassenheit zu bewahren?

Ich bin viel in Griechenland und habe mir einiges von der Mentalität ab­geschaut: alles auf sich zukommen lassen und dann eins nach dem anderen erledigen. Mit dem, was morgen ist, erst morgen beschäftigen. Das ist ein Lernprozess, denn eigentlich bin ich sehr sturköpfig und ändere alles, was ich aus meiner Sicht ändern muss.

Wann hat dieser Lernprozess ­eingesetzt?

Erst vor drei Jahren, als ich plötzlich mehr Zeit hatte. Eine neue Aufgabe suchte nach mir, und ich kaufte mir in Griechenland eine alte Ruine. So habe ich kennengelernt, wie schön es ist, weniger zu arbeiten.

Nutzen Sie Ihre neue Freizeit auch für Ihre Gesundheit? Machen
Sie zum Beispiel etwas in Richtung Fitness und gesunde Ernährung?

Ich mache regelmäßig Yin-Yoga. Gesund ernähre ich mich schon immer, bin aber weder Vegetarierin noch Veganerin, mache auch kein Intervallfasten. Ich esse unglaublich gerne, Essen macht für mich einen großen Teil des Genusses in meinem Leben aus.

Wenn Sie auf Ihre Karriere als Schauspielerin zurückblicken: Welches ist der beste Ratschlag, den Sie je bekommen haben?

Das war eher ein indirekter Ratschlag. Ich war noch frisch am Theater, führte mich aber auf wie eine Diva. Als ich mal wieder schimpfend über den Flur lief, sagte ein Techniker nur: „Du bist so ätzend.“ Das prägte sich mir so ein, dass ich seitdem nie wieder jemanden angeschrien, schlecht behandelt oder Starallüren an den Tag gelegt habe. Und drei „altmodische“ Begriffe bestimmen mein Handeln: Dankbarkeit, Ehrfurcht und Demut. Ich hoffe, das klingt nicht zu pathetisch.

Gibt es besondere Träume, die Sie sich noch erfüllen wollen?

Eine Filmregie, da bin ich auch schon dran. Es gibt einen Roman als Grundlage, und daran zu arbeiten, wie man ihn filmisch umsetzen kann, macht mir wahnsinnig Spaß. Vor meinem ­inneren Auge sehe ich alles vor mir, aber es braucht viel mehr Zeit für die Umsetzung, als man im Alltag hat. Diesen Raum habe ich mir in Griechenland geschaffen.