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Herr Urban, im Frühjahr ist Ihre Autobiografie erschienen. Ihre Lesungen sind zum Teil ausverkauft: Ist der Pop-Experte jetzt selbst ein Popstar?

(lacht) Die Resonanz ist sehr bewegend für mich. Es kommen Menschen jeden Alters. Die einen kennen mich aus den 1970er-Jahren als Moderator von „Musik für junge Leute“, andere vom Eurovision Song Contest oder aus meinem Podcast „Urban Pop“.

Wie fühlt es sich an, wenn Menschen sich dafür bedanken, dass Sie ihnen die Welt der Musik eröffnet haben?

Das so direkt zu hören ist ein fantastisches Gefühl! Dann denke ich: „Es war doch zu irgendwas gut, was du da gemacht hast.“ Für die Menschen in der ehemaligen DDR bedeuteten meine Beiträge noch viel mehr. Ich erfuhr erst nach dem Mauerfall, dass meine Sendungen mitgeschnitten und auf Kassetten verbreitet wurden.

Die Verehrung Ihnen gegenüber ist nicht ganz neu. Ihr Auto wurde schon mal mit Bonbons beklebt …

Absolut irre! Das war in den 1980ern. Eine Frau klebte mir zum Geburtstag Hunderte Bonbons aufs Auto. Eine andere schlich sich mal in mein Schlafzimmer und legte sich nackt ins Bett. Die habe ich sofort rausgeworfen!

Ihre Karriere begann beim Hörfunk. Da waren Sie offenbar zur richtigen Zeit am richtigen Ort.

Ja, gerade als ich jung und interessiert war, brach die Musikszene komplett auf. Die Platten wurden immer interessanter, es wurde so viel Neues entdeckt und ermöglicht!

Und das Radio hatte noch eine ganz andere Bedeutung als heute …

Das stimmt! Wir waren Moderatoren, die ihre Musik noch selbst aussuchten und die Schallplatten mitbrachten. Heute müssen die Sprecher um jeden Preis unterhalten. Wir waren Fans, die journalistisch arbeiteten.

Sie haben damals viele Top-Stars kennengelernt. Hat Sie das etwas über die menschliche Natur ­gelehrt? Etwa über den Umgang mit Ruhm?

Die meisten sind total normal. Harry Belafonte hat mich sofort beeindruckt durch seine Aufrichtigkeit. Eric Clapton und Elton John waren anfangs vorsichtig, tauten dann aber auf. Mit Bonnie Raitt, die in den USA eine Legende ist, bin ich noch heute befreundet.

Peter Urban bei der Moderation des Eurovision Song Contests im Jahr 2003 in Riga.

Peter Urban bei der Moderation des Eurovision Song Contests im Jahr 2003 in Riga.

Und gab es auch nicht so schöne Begegnungen?

Billy Joel war ein bisschen unfreundlich und zynisch. Manche waren angetrunken, etwa Steve Miller, so was ist auch nicht schön.

Nach vielen Jahren Radio kommentierten Sie ab 1997 außerdem den Eurovision Song Contest (ESC) und waren schlagartig berühmt.

Das war schon seltsam. Aber die neue Verbreitung schmeichelte mir auch. Plötzlich wurde ich in München oder Berlin von der Supermarktkassiererin an der Stimme erkannt. Ich habe das liebend gerne gemacht und bei jedem ESC etwas entdeckt, das ich entweder witzig kommentieren oder sympathisch unterstützen konnte.

Der Grund, warum Sie beim ESC aufgehört haben, ist Ihr Hüftleiden …

Insgesamt hatte ich zehn Hüftoperationen, viermal wurde das Gelenk ausgewechselt. Seit 2013 trage ich rechts gar kein Hüftgelenk mehr. Ich kann mich zwar bewegen, aber das Bein ist auf dieser Seite sieben Zentimeter kürzer. Deshalb habe ich eine Schuherhöhung und einen Gehstock.

Das klingt heftig. Haben Sie jemals mit Ihrem Schicksal gehadert?

Ich musste manchmal kämpfen, um nicht depressiv zu werden. Da hat auch Musik geholfen – etwas Schönes zu hören und zu fühlen und zu wissen: Es lohnt sich ja doch! Leider folgte auf eine OP die nächste. Ich war oft von zu Hause weg. Ich konnte nie mit meinen Kindern herumtoben. Das ist einfach Mist.

Apropos: Sie sind spät Vater geworden und haben spät geheiratet.

Ich hatte selten lange Beziehungen. Erst mit 48 Jahren traf ich meine Frau. Sie wurde schwanger, aber ich war damals nicht bereit dazu. Ich habe sie allein gelassen und mich falsch benommen. Meine Tochter habe ich erst kennengelernt, als sie 15 Monate alt war.

Wie sind Sie mit Ihrer Frau wieder zusammengekommen?

Ich habe sehr lange gebraucht, um zu meiner Verantwortung zu stehen. Dann habe ich mich bemüht, eine Beziehung mit meiner Tochter aufzubauen, auch wenn man das nie wieder richtig kitten kann, was man am Anfang kaputt macht. Meine Frau und ich sind darüber wieder zusammengekommen. Dann kam unser Sohn auf die Welt und wir heirateten.

Können Sie sich Ihre Angst vor Familie, vor Verantwortung, erklären?

Ich hatte nie damit gerechnet, eine Familie zu haben. Ich war störrisch und unflexibel, mich auf neue Situationen einzulassen. Fühlte mich überfordert, und das in einem reifen Alter. Hätte ich so weitergelebt, hätte ich nie diese tollen Kinder, diese Familie gehabt. Sie war das Beste, was mir passieren konnte.