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Michael Gwisdek ist in der Zwischenzeit verstorben. Das Interview stammt aus dem Jahr 2017.

Sie waren kürzlich im Kino als "Kundschafter des Friedens" zu sehen, der im Ruhestand vom BND reaktiviert wird. Was war Ihr erster Gedanke, als Sie von der Filmidee hörten?

"Das wird ein Ding, das Spaß macht." Schon allein wegen der Truppe: Unter den verrückten Alten ist mein Freund Henry Hübchen, super! Die meisten denken, man geht inhaltlich an einen Film heran. Mir kommt es eher aufs Gesamtpaket an. Ich finde den Regisseur klasse, und wir haben auf den Kanaren gedreht, da war ich noch nie.

Kommt die Rolle des Tüftlers Ihrem Wesen entgegen?

Ich bin selber Bastler. Das, was ich da im Film spiele, habe ich alles schon erlebt. Ich habe mir meine Elektrik zu Hause alleine gemacht und schon hundertmal eine gewischt gekriegt.

"Kundschafter des Friedens" klingt geradezu poetisch …

In der DDR war es so: Egal, was es gerade nicht zu kaufen gab oder welcher Missstand zu beklagen war – es war alles für den Frieden. Damit wurde alles erklärt und gerechtfertigt. Also waren unsere Agenten auch keine Spione, sondern "Kundschafter des Friedens".

Sie waren ein Pendler zwischen den Welten, verkauften in Westberlin Heißwassergeräte, durften später im Westen Filme drehen.

Im Zuge der kulturellen Annäherung, des Kulturaustauschs, hat man damals einige Sachen erlaubt. Die Leute wurden natürlich gecheckt. Ich war seinerzeit mit Corinna Harfouch zusammen, wir hatten ein kleines Baby, und die Kundschafter des Friedens hatten nach oben gemeldet: "Bei denen kriselt es nicht, der will zurück zu seiner Familie."

Sie bekamen für einen "Westfilm" sogar einen Preis in den USA.

Das war der "Goldene Hugo" in Chicago. Unser Filmminister rief mich an und sagte: "Glückwunsch, aber sag mal nichts, wir wollen das nicht so an die Glocke hängen, dass du für einen Westfilm einen Preis bekommst." Ich sagte: "Dafür habe ich einen Wunsch frei." Damals sollte ich das von meiner Tante geerbte Haus in der Schorfheide aufgeben, weil es in einem Jagdgebiet der DDR-Oberen lag – in dem Haus wohnen meine Frau und ich heute noch ...

Was haben Sie empfunden, als Sie beide Seiten gesehen haben?

Das veränderte sich mit der Zeit. Als die Mauer gebaut wurde, war ich 19, mein Leben war wie das von John Travolta in "Saturday Night Fever". Ich zog im Westen um die Häuser und verdiente mir mein Taschengeld mit Preistanzen, Rock-’n’-Roll-Wettbewerben und dergleichen. Als die Mauer kam, war ich natürlich stinkig. Was kann ich denn hier machen?, fragte ich mich. Das war dann eine Art Jugendclub. Aus einer der Bands, die bei mir spielten, sind die Puhdys entstanden. 60 Ostmark habe ich der Truppe ausgezahlt für einen Abend.

Vom Preistänzer zum Schauspieler – wie kam das?

Ich wusste nicht, was ich werden wollte. Ich wusste nur: Wenn ich mich für einen Beruf entscheide, fallen 64.000 andere weg. Dabei gibt es so viele interessante Sachen, ich wollte die Welt sehen und die schönsten Frauen kennenlernen. Was man halt als 16-Jähriger so im Kopp hat. Ich dachte mir: Als Schauspieler hast du von allem ein bisschen. So war ich Boxer, Taucher, Liebhaber …

Aber woher wussten Sie, dass Sie auch das nötige Talent haben?

Das habe ich auf eigene Faust getestet – mit dem Ergebnis: Ich habe keins. Dazu fuhr ich heimlich zu meiner Tante in den Wald, und wenn sie in den Pilzen war, übte ich mit dem "Hamlet"-Reclamheft. Ich donnerte los, wurde ohnmächtig und fiel um. Das passierte mir ständig. Bis mir mal jemand sagte: Du atmest falsch. Dann hat es doch noch für die Aufnahmeprüfung an der Schauspielschule gereicht.

Was wollten Sie spielen?

Western interessierten mich am meisten. Ich übte zwei Jahre, den Colt zu ziehen und damit herumzuwirbeln. Tatsächlich war ich irgendwann schneller als John Wayne, aber nicht so schnell wie Steve McQueen. In den Top Ten war ich ganz sicher. Nur habe ich diese Qualifikation bis heute nie verwenden können.

Vielleicht kommt das ja noch?

Schon damit das alles nicht umsonst war, habe ich mir geschworen: Bevor ich den Löffel abgebe, mache ich meinen vierten Kinofilm als Regisseur und Autor, und das wird dann so ein Clint-Eastwood-Film mit mir in der Hauptrolle.

Die eigene Scholle ist Ihnen sehr wichtig. Sind Sie ein Landei?

Es gefällt mir einfach in meiner Schorfheide. Ich habe gegenüber am See einen Bauplatz erworben, dort will ich mir ein Blockhaus bauen und meinen Lebensabend verbringen. Eine Blockhütte am See, das ist doch der Klassiker.

Sie sind ein leidenschaftlicher Frühstücker, warum?

Das hat mit meiner Frau zu tun. Wir haben uns frühstückend kennengelernt und konnten von Anfang an viel miteinander reden. Angenommen, ich muss, so wie heute, um elf Uhr in Berlin sein, dann stehe ich um sechs Uhr auf, damit wir zwei Stunden frühstücken können. Ich hole Eier aus dem Hühnerstall, dann bereiten wir zusammen das Frühstück vor, reden über den gestrigen Abend, über die Nachrichten, über alles – von Politik bis Klatsch.

Stimmt es, dass Ihre Frau Ihnen Einkaufsverbot erteilt hat, weil Sie immer vermeintliche Schnäppchen anschleppen?

Ja, ich komme daran einfach nicht vorbei. Ich habe genug Schraubendreher. Aber kaum dass ich ein Set für ein paar Euro sehe, liegt es auch schon im Einkaufswagen. Und das ist jetzt nur ein Beispiel...

Zu Ihrem Siebzigsten sagten Sie: "Bei jeder neuen Anschaffung frage ich mich: Lohnt sich das noch?" Wie geht es Ihnen jetzt mit 75?

Meine Philosophie ist, dass ich über das Alter nicht nachdenke. Das ist kein Thema, nicht einmal beim Frühstück.

Zur Person:

  • Michael Gwisdek wurde am 14. Januar 1942 in Berlin geboren
  • Bühne: Nach der Schauspielschule in Berlin viele Theaterengagements und seit 1968 unzählige Film- und Fernsehrollen in der DDR und in der Bundesrepublik.
  • Privat: Von 1985 bis 2007 war er mit der Schauspielerin Corinna Harfouch verheiratet, die ihren Sohn Johannes mit in die Ehe brachte. Ihr gemeinsamer Sohn Robert ist ebenfalls Schauspieler. 2007 heiratete Gwisdek die Autorin Gabriela. Das Paar lebt in der Schorfheide.

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