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Herr Hermanns, passend zu Ihrem 60. Geburtstag ist Ihr Buch „Sexy Sixty“ erschienen. Hat Sie Ihr neues Lebensjahrzehnt so umgetrieben?

Ich hatte immer großen Respekt vor runden Geburtstagen. Sie sind nicht bedrohlich, aber sie beschäftigen mich eben doch drei Jahre im Voraus. Ich habe Vorbilder im Freundeskreis, die teils über 90 sind und sehr fit im Kopf. Da habe ich genauer hingeschaut: Was machen die richtig? Was kann man sich von denen abgucken?

Und wie darf man das „sexy“ in Ihrem Buchtitel verstehen?

Das ist kein Aufruf, halb nackt am Pool zu liegen und sündig in die Kamera zu schauen, sondern für eine gewisse flirtende Offenheit gegenüber dem, was da kommt. Hallo, neues Jahrzehnt, was geht mit uns beiden? Eine Sexyness im Kopf also, ein Ratgeber für die Verabredung mit dem Alter.

Nur für Einsteiger oder auch für ­Fortgeschrittene?

Für alle. Vor allem zielt es sehr in Richtung Männer, die ich aufrütteln und verbessern möchte. Die Frauen machen da schon vieles richtig, aber bei den Herren gibt es Nachholbedarf.

Sie meinen etwa Ihren Appell, ­Nasen- und Ohrhaare zu stutzen?

Ja, Männer muss man motivieren, genauer hinzuschauen und Veränderungen ihres Äußeren nicht zu ignorieren. Ich ermuntere sogar dazu, sich mit etwas Puder Frische im Gesicht zu verschaffen. Warum haben deutsche Männer so eine Angst vor dem Eitelkeitsvorwurf? Man ist nicht gleich ein Pfau, nur weil man auf sich achtet.

Sie fordern in Ihrem Buch von beiden Geschlechtern mehr Stil.

Ja. In Deutschland gibt es diesen Hang zur Funktionskleidung, am besten noch mit Rucksack auf dem Rücken. Wir sehen oft aus wie ein Wanderverein. In Südeuropa laufen die älteren Herren dagegen noch im Anzug und mit einem gebügelten weißen Hemd durch den Ort. Die sehen elegant aus, während wir so tun, als wollten wir gleich in die Alpen aufbrechen.

Mal abgesehen vom Äußeren: Haben Sie noch mehr Tipps für alle Ü60?

Nicht frustriert sein über das, was man nicht mehr gut kann. Lieber das wertschätzen, was noch geht. Der Stress nimmt ab 60 oft ab, weil man weniger in Routinen gefangen ist. Mit den neuen Freiräumen kann das eine positive, neue Lebensphase sein.

Das klingt sehr weise. Aber ein 80-Jähriger dürfte sich fragen: Was will der Jungspund mir erzählen?

Wenn sich der 80-Jährige auf die Tipps des 60-Jährigen einlässt, beherzigt er schon einen wichtigen Rat: Ich ermutige immer, Leute in seiner Nähe zu haben, die mindestens 20 Jahre jünger sind. Und man sollte offen sein für ihre Themen. Nicht Türen schließen, sondern neue aufmachen!

Sie haben schon etliche Türen auf­gemacht: Zum Beispiel haben Sie das Karaoke nach Deutschland gebracht.

Das glaubt einem ja keiner, dass Karaoke nicht schon immer da war. Der Spiegel meinte damals sogar, das würde in Deutschland nie funktionieren. Aber wenn man mir erklärt, dass etwas von vornherein zum Scheitern verurteilt sei, werde ich trotzig und probiere es erst recht aus.

Offenbar mit Erfolg. Auch die Stand-up-Comedy ist dank Ihnen hierzulande angekommen.

Es war immer eine Mischung aus Naivität und Trotz. Ich habe mich immer gefragt: Warum sollen die Deutschen nicht Comedy mögen? Karaoke? Musical? Weil wir alle Dichter und Denker sind? Das Publikum hat sich eigentlich immer gefreut.

Verdanken Sie Ihre Karriere auch Ihrem fröhlichen Elternhaus?

Ja, das Rheinische hat schon geholfen. Gerade durch Karneval lernten wir schon als Kinder: Wenn unsere Eltern vier Tage in absurden Kostümen durch die Straßen zogen, wurden sie dadurch nicht dümmer. Damit sind wir aufgewachsen, Humor war wichtig, Lachen, Singen, eine gute Zeit haben. Wenn ich aus einem strengen, protestantischen Hamburger Haushalt gekommen wäre, hätte ich wahrscheinlich mehr Cello geübt.

Sie wollten nie etwas „Anständiges“ machen?

Ich hatte mal ganz kurz einen Jura-Studienplatz in Erlangen. Aber beim Blick auf die Vorlesungen merkte ich schnell, dass ich Jura nur machen wollte, weil ich Fernsehanwälte und amerikanische Serien so toll fand. Dann wechselte ich zu Theaterwissenschaften. Das klang zumindest akademisch – auch wenn die Hälfte der Absolventen Taxifahrer wurde.

Welche Träume würden Sie sich gerne jenseits der 60 noch erfüllen?

Opernregie und einen internationalen Musical-Erfolg. Die Amerikaner und Engländer tun oft so, als ob wir das nicht könnten. Da werde ich schon wieder trotzig. Musiktheater ist das, was ich von allem am liebsten mache. Aber da gibt es die Decke zur Oper, wo man sagt: Darf denn der lustige Mann da ran? Wenn also ein Leser des Senioren Ratgebers über eine Bühne samt Ensemble verfügt und pfiffige Regiekonzepte sucht: Bitte melden! Ich habe nur fünf, aber die sind super.