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Herr Lafer, man munkelt, dass Sie wahnsinnig viel sammeln, zum Beispiel Küchengeräte – ganze Lagerhallen voll. Und angeblich besitzen Sie von jedem Kochbuch, das je auf Deutsch erschienen ist, ein Exemplar.

Johann Lafer: Nicht von jedem, aber ich habe ­tatsächlich eine sehr, sehr große Kochbuchsammlung. Zuletzt habe ich im Erzgebirge ein Kochbuch aus dem 15. Jahrhundert gefunden, in einem außergewöhnlichen Zustand. Ich bin einfach ein Verrückter, ­einer, der versucht, ein paar Dinge zu ­haben, die schön sind.

Und die man nicht wirklich braucht.

Das nicht, aber Altes aufzubewahren, auch weiterzugeben, hat mit Gefühlen und Gedanken darüber zu tun, auf welche Art und Weise man früher etwas gemacht hat. Ich sammle nicht wahllos jeden Schneebesen, aber wenn ich sehe, wie vor langer Zeit ­jemand eine Maschine entwickelt hat, um Stangenbohnen in Streifen zu schneiden, dann rührt mich das.

Sie haben in Ihrem Leben viel geleistet: Restaurants eröffnet, Kochshows moderiert, Bücher ­geschrieben. Man hat das Gefühl, ­alles, was Sie anfassen, wird zu Gold.

All das, was ich gemacht habe, ist nie konzeptionell geplant worden. Am Anfang stand ein kleines, erfolgreiches Restaurant. Sehr bald brauchten wir etwas Größeres, um die vielen Anfragen zu befriedigen. Dann ergab eins das andere. Der Mensch ist nun einmal so gestrickt: immer mehr, immer weiter, immer höher! Es war eine wunderbare Zeit, aber heute würde ich das so nicht mehr machen.

Haben Sie denn unter dem Erfolg gelitten?

Die Familie kam oft zu kurz. Wenn ich es schaffte, die Kinder in den ­Kindergarten zu bringen, war das schon viel. Dann versuchst du ­deine elterlichen Pflichten zu ­delegieren, indem du ein Kindermädchen besorgst oder eine Zugehfrau. Aber es war ein ständiger Kampf mit meinem Gewissen. Darunter habe ich lange extrem gelitten. Immerhin konnten wir intensiv Zeit mit den Kindern verbringen, wenn ich mal freihatte oder wir im Urlaub waren.

Empfinden Sie es heute als Befreiung, kein Lokal mehr zu betreiben?

Absolut. Die Leute kamen von weit her ins Restaurant, um den Lafer zu sehen. Aber der war in Hamburg bei „Kerners Köche“ oder „Lanz kocht“, und die Enttäuschung bei den ­Gästen war manchmal riesig. Ich habe bis heute über 3000 Koch­sendungen ­gemacht.

Das klingt in der Tat nach viel Stress.

Ja. Ich hatte mir sogar ein eigenes TV-Studio gebaut, um weniger ­reisen zu müssen. Tagsüber stand ich in meinem Studio am Herd und abends im Restaurant. Ich habe dann sogar noch einen Helikopterschein ­gemacht und fing an, ­Hubschrauber zu fliegen, weil ich dachte, ich kann noch mehr machen. Das war im ­jugendlichen Elan noch alles gut, aber mit zunehmendem Alter eine immer größere Herausforderung. Ich habe manchmal die Kerze nicht nur von zwei, sondern von drei Seiten gleichzeitig angezündet.

Wem wollten Sie denn ­etwas ­beweisen mit diesem Immer-noch-­eins-Draufsetzen?

Als Kind hatte ich nie das Gefühl, ­etwas Besonderes zu sein. Sätze wie „Hansi, ich hab dich lieb“ oder „Du hast das toll gemacht“ fehlten mir. Meine beiden Schwestern und ich wurden zwar fürsorglich umsorgt, aber das kam zu kurz. Als ich 1981 bei Eckart Witzigmann arbeitete, drehte der ORF bei ihm, und ich lief drei Sekunden hinten durchs Bild. Meine Eltern fingen an zu weinen. Ich fragte sie, warum. „Wir sind so stolz auf dich! Bist du wirklich in so einem Betrieb?“ Ich merkte: Ich muss etwas tun, um ihre Anerkennung zu bekommen. So hat mich die Droge Erfolg Stück für Stück erwischt.

Hadern Sie mit Ihrem Lebensweg?

Ich hadere nicht, weil ich keine ­Alternativen hatte. Ich wollte die Kochlehre abbrechen, weil mir die Arbeit zu monoton war. Und ­lieber aufs Priesteramt ­studieren. Das ­haben mir meine Eltern aber verboten, weil sie es sich nicht ­leisten ­konnten. Und dann hatte ich ein paar ­Schlüsselerlebnisse. In ­meinem Lehrbetrieb nahm mich eine Frau unter ihre Fittiche, führte mich in die Welt der Mehlspeisen ein. Ich merkte: Die kreative Arbeit in der ­Patisserie bereitet mir große Freude.

Das Kochen hat sich in den letzten Jahren enorm verändert. Die Rezepte, die Sie heute veröffentlichen, sind oft viel weniger deftig als früher.

Ich habe meinen Körper nie ­geschont und bin dann, wie so viele, nicht unbeschadet ­davongekommen. Ich litt vor ein paar Jahren unter ­einer so starken Arthrose, dass ich nicht mehr gehen konnte. Sehr ­lange habe ich versucht, die Schmerzen mit ­Tabletten wegzudrücken. Ich ließ mich operieren und bekam ein ­neues Kniegelenk. „Du hast deinen Körper zugrunde gerichtet“, dachte ich. „Du hast zwar Erfolg und Geld verdient, aber was nutzt dir das, wenn du dich nicht mehr entspannt rühren kannst?“

Es hat also ein Sinneswandel bei Ihnen stattgefunden?

Mir wurde klar, dass ich vor allem gesünder leben muss. Ich fing aber halbherzig an, man denkt ja zuerst, wenn man ein paarmal das Fleisch weglässt und Übungen macht, sind die Beschwerden wieder weg. So funktioniert das aber nicht. Es hat fast anderthalb Jahre gedauert, bis ich merkte: „Johann, es geht dir ­besser!“ Meine Lebensqualität hat sich in Sachen Antriebskraft und Motivation verbessert.

Und lassen Sie mich raten: Ihr Ehrgeiz war geweckt?

Ganz genau. Der Koch in mir ­wollte mehr daraus machen und hat sich immer weiter damit beschäftigt. ­Inzwischen weiß ich: Konsequenz, Ausdauer und Geduld sind der Weg zum Ziel. Statt mehr Tabletten zu nehmen, esse ich heute viel ­gesünder. Du darfst aber nicht ­denken: Ich ­trinke morgens mal einen ­Kräutertee und bin dann 14 Tage später fit wie eine Gebirgsgams. Die Ernährung bildet die Bausteine für unsere ­Gesundheit. Und die Seele fühlt sich nur wohl in einem Körper, der auch gesund ist.

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