Was passiert in einer Tagesklinik – und für wen ist sie sinnvoll?
Was ist eine Tagesklinik?
In einer Tagesklinik leben Patientinnen und Patienten nur tagsüber. Sie wird auch eine „Klinik ohne Betten“ genannt, weil die Menschen zuhause schlafen und morgens in die Klinik fahren. Dort erwartet sie eine intensive Behandlung, orientiert an individuellen Bedürfnissen. Tageskliniken nennt man deshalb auch halbstationäre Behandlungssettings, weil sie die Schnittstelle zwischen der stationären und der ambulanten Behandlung sind.
Tageskliniken gibt es für Menschen mit verschiedenen körperlichen, psychosomatischen und psychischen Symptomen. Sie können beispielsweise für Patientinnen und Patienten mit Parkinson, Rückenschmerzen oder Depressionen eine Option sein. Nicht geeignet sind sie etwa bei einer schweren Magersucht, bei der es wichtig sein kann, die Betroffenen aus einem krankmachenden Umfeld herauszunehmen.
Wie lange dauert der Aufenthalt in einer Tagesklinik?
Die Behandlung in einer Tagesklinik dauert in der Regel mehrere Wochen. Für die Dauer des Aufenthalts befindet sich eine Person täglich ungefähr acht Stunden in der Tagesklinik. Während des halbstationären Aufenthalts können die behandelten Ärztinnen und Ärzte eine Krankschreibung erstellen.
Was passiert in einer Tagesklinik?
Die Behandlung in der Tagesklinik richtet sich nach dem Krankheitsbild der Person und den individuellen Bedürfnissen. Dr. Sabine Köhler ist unter anderem Vorsitzende des Berufsverbandes Deutscher Nervenärzte und begleitet as Fachärztin für Psychatrie und Psychoterapie Menschen in der Entscheidung: „Ich als einweisende Person in die Tagesklinik achte genau darauf, ob die Klinik zur Person passt.“ Das Spektrum an Angeboten sollte zur Erkrankung passen und die Bedürfnisse der betroffenen Person abbilden.
Das Programm umfasst beispielsweise eine umfangreiche Diagnose körperlicher, psychischer und sozialer Probleme, verhaltenstherapeutische Einzel- und Gruppentherapien. Darüber hinaus gibt es je nach Diagnose und Behandlungsplan weitere Angebote wie zum Beispiel Ergotherapie, Bewegungstherapie, Sozialberatung und Entspannungstechniken, etwa Yoga oder progressive Muskelentspannung. Wie in den meisten Berufen gibt es auch in der Tagesklinik eine Mittagspause. In der Regel sind die Patientinnen und Patienten freiwillig in der Tagesklinik. Es ist jederzeit möglich, die Behandlung abzubrechen.
Wann ist die Tagesklinik sinnvoll?
Eine Tagesklinik ist dann sinnvoll, wenn Menschen intensive stationäre Behandlung brauchen, aber zuhause schlafen können und wollen. Anders als in der vollstationären Behandlung in einer Klinik können sie ihr Wochenende und ihre Abende in ihrem gewohnten Umfeld verbringen.
Das hat für Patientinnen und Patienten mit psychischen Erkrankungen Vorteile, erklärt Köhler: „Wir neigen in Deutschland dazu, Personen mit einer psychischen Erkrankung in eine Vollversorgung zu geben und zu pflegen. In vielen Fällen ist das ein zu umfassender Schutz. Anerkennung zu bekommen, gebraucht werden, Anteil am Alltag der Angehörigen und am sozialen Leben zu haben sowie Pflichten erfüllen hat einen bedeutenden Wert in der Lebensgestaltung eines Jeden. Es tut vielen Patienten gut, nicht komplett aus diesem Umfeld gerissen zu werden.“ Die Entscheidung findet jedoch immer im Einzelfall statt.
Die Tagesklinik ist also eine Zwischenlösung zwischen der ambulanten Versorgung und der vollstationären Behandlung. Von einem Aufenthalt in einer psychiatrischen Tagesklinik können beispielsweise Menschen profitieren, die Unterstützung in der Gestaltung ihres Alltags brauchen.
Wann ist eine Tagesklinik nicht geeignet?
Die Eingliederung im Alltag ist nicht für alle Menschen, die mit psychischen Erkrankungen leben, richtig. Eine Distanz zum Alltag, intensive Betreuung und das „Herausgenommen werden“ aus dem normalen Leben können ebenfalls sehr guttun. Auch in der Notfallversorgung kann eine stationäre Therapie ein wichtiger Schritt sein. Deshalb ist es so wichtig, die Entscheidung über die richtige Behandlung gemeinsam mit Psychologe oder Psychiaterin zu treffen.
Wie bekommt man einen Platz in der Tagesklinik?
„Die Indikation für die Behandlung in der Tagesklinik können Hausärztinnen und -ärzte oder auch behandelnde Fachärztinnen und -ärzte stellen“, erklärt die Psychiaterin. Der Klinik-Atlas könne laut Köhler nicht als Entscheidungsgrundlage für die individuell beste Tagesklinik verwendet werden, weil die Entscheidung gemeinsam mit dem behandelnden Arzt oder der behandelnden Ärztin gefällt werden muss. Die Wartezeit auf einen Platz in der Tagesklinik beträgt aktuell meist mehrere Monate.
Gerade in der psychiatrischen Behandlung ist es sinnvoll, wenn die behandelnde Fachärztin oder der Facharzt die Beratung in Bezug auf die richtige Klinik übernimmt: „Wir Psychiaterinnen und Psychiater können sehr gut absehen, ob und welches Angebot im Umkreis das Richtige ist. Da geht es um fachliche Spezialisierungen und logistische Dinge wie die Erreichbarkeit der Klinik.“ Dem behandelnden Personal ginge es immer darum, die beste Lösung zu finden: „Wir können direkt auf individuelle Wünsche eingehen und beratend zur Seite stehen. Es ist allerdings wichtig, dass Patientinnen und Patienten Vertrauen in unsere Expertise haben und bereit sind, unseren Rat zu berücksichtigen.“ Denn wenn der Nachbarin mit der Psychose eine bestimmte Tagesklinik geholfen hat, muss sie für den Sohn mit der Depression nicht genauso geeignet sein.
In einigen Fällen ist es möglich, sich in einem Vorgespräch über die Klinik zu informieren und sie selbst zu besichtigen. Bei gesetzlich Versicherten zahlt grundsätzlich die Krankenkasse den Aufenthalt.
Quellen:
- Leitlinie der Deutschen Gesellschaft für Psychiatrie und Psychotherapie, Psychosomatik und Nervenheilkunde (DGPPN): S3-Leitlinie Psychosoziale Therapien bei schweren psychischen Erkrankungen, 2. Auflage. Online: https://register.awmf.org/... (Abgerufen am 30.05.2024)
- Robert Koch-Institut: Aktuelle Ergebnisse zur Entwicklung der psychischen Gesundheit der erwachsenen Bevölkerung bei hochfrequenter Beobachtung, MENTAL-HEALTH-SURVEILLANCE-BERICHT QUARTAL 2/2023. Online: https://www.rki.de/... (Abgerufen am 30.05.2024)
- Fründt O, Veliqi E, Schönwald B et al. : Die Hamburger Parkinson-Tagesklinik: Ein neues Behandlungskonzept an der Grenze zwischen stationärer und ambulanter Versorgung. Fortschr Neurol Psychiatr: https://doi.org/... (Abgerufen am 30.05.2024)
- Ochsenkühn FR: Multidisziplinäre biopsychosoziale Therapie bei Patienten mit chronisch lumbalem Rückenschmerz in einer Tagesklinik: Eine Langzeit-Beobachtungsstudie, Dissertation zum Erwerb des Doktorgrades der Medizin an der Medizinischen Fakultät der Ludwig-Maximilians-Universität zu München. Online: https://edoc.ub.uni-muenchen.de/... (Abgerufen am 30.05.2024)
- Bundesärztekammer, Kassenärztliche Bundesvereinigung, Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften : Nationale Versorgungsleitlinie Unipolare Depression. Leitlinie: 2022. Online: https://register.awmf.org/... (Abgerufen am 30.05.2024)