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Das Übernatürliche erlebte in den 90ern einen Boom. So ist zumindest mein Gefühl, wenn ich an Fernsehserien wie Akte X, X-Factor oder die „Geschichtssendungen“ von Erich von Däniken zurückdenke. Gerne gruselte man sich vor Außerirdischen, Geistererscheinungen und anderen paranormalen Ereignissen. Auch Geschichten über die Reinkarnation, also die Wiedergeburt, gehörten dazu: Menschen erinnerten sich hier plötzlich an Dinge, die ihnen in einem angeblich früheren Leben widerfahren waren; erkannten Orte und Personen wieder, die sie eigentlich nicht kennen konnten.

Was ist die Reinkarnationstherapie?

Auf dem Glauben an die Wiedergeburt beruht auch die Reinkarnationstherapie: Probleme, mit denen wir heute zu kämpfen haben, könnten demnach ihre Ursache in einem früheren Leben haben. Das kann Stress in Beziehung oder Beruf sein, aber auch Depression, Angst und Panik. Um mehr über ihre frühere Existenz zu erfahren, werden Patientinnen und Patienten in der Reinkarnationstherapie mit Entspannungstechniken in eine Art Hypnose versetzt und berichten von Erinnerungen aus einem vermeintlich früheren Leben.

Durchgeführt wird die Reinkarnationstherapie in Deutschland meist von Heilpraktikern. Überzeugende Studien, dass sie bei psychischen Erkrankungen hilft, gibt es nicht; geschweige denn, dass so etwas wie eine Wiedergeburt existiert. Doch ... woher kommen dann die Erinnerungen an frühere Leben?

Professor Bernhard Strauß, Psychologe und Psychotherapeut an der Uniklinik Jena, erklärt dieses Phänomen mit Suggestion, also der Beeinflussung des Denkens. Dies kann entweder durch eine andere Person geschehen: etwa einen Therapeuten. Aber auch wir selbst können uns Dinge „einreden“.

Vorsicht geboten

Auch ist auf unsere Erinnerungen im Allgemeinen nicht immer Verlass. „Wir wissen aus der Gedächtnispsychologie, dass es so etwas wie falsche Erinnerungen gibt. Wir glauben, uns an etwas zu erinnern, um eine Erklärung für bestimmte Verhaltensweisen oder Erlebnisse zu finden“, sagt Strauß. Denn unser Gehirn mag es, wenn eine Geschichte schlüssig ist. Man müsse daher sehr vorsichtig sein, aufgrund von Erinnerungen an angeblich frühere Leben Rückschlüsse auf psychische Probleme zu ziehen.

Strauß warnt eindrücklich vor der Reinkarnationstherapie: Werden während solcher Sitzungen Schuldgefühle oder schambehaftete „Erinnerungen“ zutage gefördert, könnte das Patientinnen und Patienten weiter belasten. Vor allem der Zustand psychisch labiler Menschen könne sich dadurch verschlechtern.

Ich kann mir gut vorstellen, dass der Gedanke an ein Leben vor dem Leben für viele Menschen hoffnungsvoll und tröstlich ist. Wenn es aber um unsere Gesundheit im Hier und Jetzt geht, sollten wir doch besser auf wissenschaftliche Fakten vertrauen.

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