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Nachgefragt! Folge 202 mit Prof. Dr. Berthold Koletzko

Das Transkript zur Folge mit Professor Berthold Koletzko:

Ein Interview über Kindergesundheit mit...

Ich bin Berthold Koletzko. Ich bin Else-Kröner-Seniorprofessor für Kinder- und Jugendmedizin an der Ludwig-Maximilians-Universität in München und arbeite im Dr. von Haunerschen Kinderspital der Uniklinik in München.

Wie gehen Kinder mit der Pandemie um?

Die gute Nachricht ist ja, dass Kinder von der Infektion selbst weniger bedroht werden. Kinder werden infiziert, auch genauso wie Erwachsene, aber Kinder unter zehn Jahren haben kaum schwere Krankheitsverläufe. Auch bei 10- bis 18-Jährigen ist die Wahrscheinlichkeit für einen schweren Krankheitsverlauf vergleichsweise gering, wenn man es vergleicht mit älteren Menschen.

Das ist das Gute, es heißt aber nicht, dass sie von der Pandemie nicht betroffen sind. Sie hat weitreichenden Auswirkungen. Wir haben gesehen, schon zu Beginn des Jahres, in der ersten Welle, als Schulen und Kindergärten und Kitas geschlossen wurden, dass das weitreichende Auswirkungen auf Kinder und Familien gehabt hat. Es gibt jetzt wissenschaftliche Untersuchungen dazu.

Es ist gerade vor wenigen Wochen eine Auswertung von 17 Studien weltweit veröffentlicht worden, die gezeigt hat, dass Kinder tatsächlich durch soziale Isolation, durch diesen partiellen Lockdown, stark unter Angststörungen, unter Stress und Ängsten leiden können. Interessanterweise ist das häufiger in ländlichen Regionen und häufiger bei Mädchen der Fall, auch bei älteren Kindern häufiger als bei jüngeren.

Natürlich hängt das von anderen Faktoren ab. Von der Familiensituation... Man kann sich vorstellen, wenn die Eltern im Stress sind, durch diese, quasi, Unvereinbarkeit von Homeoffice, Berufstätigkeit und Kinderbetreuung, oder wenn sie Angst haben, ihren Job zu verlieren oder Einkommen zu verlieren, dass das sich auch auf Kinder auswirkt.

Welche Rolle spielt der familiäre Hintergrund?

In München, mit den beiden Universitäten, und dem Else-Kröner-Fresenius-Zentrum für Ernährungsmedizin, unterstützt von dieser Stiftung, haben wir eine Studie durchgeführt, wo wir 1000 Familien in Deutschland befragt haben, Ende September, die alle Kinder unter 14 Jahren hatten.

Da haben wir gesehen, dass zwei Drittel der Familien, die wir befragt haben, ganz oder teilweise Eltern im Homeoffice hatten. Etwa die Hälfte zur Gänze, die Hälfte partiell. Die Auswirkungen auf die Familien haben sehr stark davon ab... waren stark davon abhängig, ob die Kinder im Homeoffice... die Eltern im Homeoffice waren oder nicht.

Das wiederum war sehr stark abhängig von sozioökonomischen Faktoren. Man kann sich leicht vorstellen... Besser gebildete Eltern, die einen qualifizierten Schreibtischjob haben, können den leichter an den häuslichen Schreibtisch verlagern, als weniger privilegierte Eltern. Wenn ich im Supermarkt Regale auffülle oder kassiere, kann ich das natürlich nicht im Homeoffice machen.

Was haben wir gesehen? Es gab insgesamt eine Gewichtszunahme bei zehn Prozent der Kinder. Besonders häufig bei den älteren, über Zehnjährigen. Das war zweieinhalbmal so häufig, wenn Eltern eine schlechte Bildung hatten. Wenn die Eltern weniger privilegiert waren, wenn die Kinder aus weniger privilegierten Familien kamen.

Man kann leicht nachvollziehen, warum das so ist. Wenn die Eltern im Homeoffice waren, haben sie mit den Kindern gekocht. Die Ernährung ist besser geworden. Waren die Eltern nicht im Homeoffice, waren Kinder auf sich allein gestellt und haben viel häufiger Snack-Foods, salzige und süße Snack-Produkte, Soft-Drinks und so weiter, verzehrt.

Wir haben auch gesehen, dass sehr viel weniger körperliche Bewegung stattfand. 40 Prozent der Kinder haben ihre Bewegung reduziert. Und etwa 60 Prozent der 13- bis 14-Jährigen haben sich weniger bewegt. Die Kombination von schlechterer Ernährung und weniger Bewegung ist natürlich dann tatsächlich ein großer Risikofaktor für gesundheitliches, nachteiliges Übergewicht.

Noch mal, wir sind ganz besorgt darüber, dass das zweieinhalbmal stärker bei Kindern aus weniger privilegierten Familien auftritt als bei Kindern aus privilegierten Familien. Das ist unakzeptabel, denn natürlich ist das ethisch nicht vertretbar.

Es ist auch eigennützig aus der Sicht der Gesellschaft nicht akzeptabel, denn mit unserer demografischen Entwicklung brauchen wir jedes Kind, das gesund und leistungsfähig ist und zu unserer Gesellschaft beitragen kann.

Wie kann mein Kind gesund abnehmen und fitter werden?

Es gilt für alle, auch für Kinder: Es ist viel leichter, nicht an Gewicht zuzunehmen, als Übergewicht zu bekämpfen und wieder abzunehmen. Das ist viel schwerer. Und wenn man abnimmt, das haben viele Menschen schon erlebt, schafft man es oft, an Gewicht abzunehmen, aber dann das Gewicht zu halten, ist eine besondere Herausforderung. Man kann schnell mit drastischen Diäten in zwei Wochen Gewicht abnehmen, aber diese Gewichtsabnahme beizubehalten ist schwierig.

Die gute Lage bei Kindern ist ja, dass sie nicht abnehmen müssen, weil sie wachsen. Wenn sie ihr Gewicht halten, und nicht zunehmen, dann werden sie automatisch schlanker, wenn sie an Länge zunehmen beim Wachsen. Das kann man sich zunutze machen. Die beiden Kernelemente sind regelmäßige Bewegung, auch im Alltag.

Nicht nur eine Stunde Sport in der Woche, sondern zum Beispiel auf dem Weg zur Schule zu überlegen, kann ich mit dem Rad fahren oder zu Fuß gehen, statt mit dem Mama-Taxi oder dem Bus. Und viele andere Dinge im Alltag. Wenn ich in Häusern bin mit vielen Etagen, kann ich auch die Treppe nehmen statt des Liftes und so weiter. Bewegung im Alltag und Sport ist gut.

Das andere ist, konsequente Regeln beachten bei Essen und Trinken. Energiefreie Trinken... Getränke bringen sehr viel. Einfach Wasser, ungezuckerten Tee in das Standard-Getränk. Keine gezuckerten Getränke. Beim Essen kommt es darauf an, wenig kaloriendichte Speisen zu sich zu nehmen. Kinder sollen nicht hungern, sie sollen sich sattessen. Aber sie können sich mit Gemüse, Tomaten, Gurke, Apfel ohne Weiteres sattessen, ohne zuzunehmen. Die enthalten pro hundert Gramm viel weniger Kalorien, als zum Beispiel Pommes mit Mayo oder Chips oder Schokoriegel.

All diese kaloriendichten, hoch verarbeiteten Lebensmittel sind ein großes Problem für Kinder, die zu Übergewicht tendieren. Selbst zubereitete, kalorienarme Speisen mit einem Schwerpunkt auf Gemüse und Obst sind wirklich die Lösung, mit der Kinder mit Spaß und leckerem Essen ihr Gewicht halten.

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