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Das Transkript zur Folge 227 mit Professor Clemens Fuest:

Ein Interview über die wirtschaftliche Situation in Deutschland mit...

Mein Name ist Clemens Fuest, ich bin Volkswirt und Präsident des ifo Instituts für Wirtschaftsforschung.

Wie ist die wirtschaftliche Situation in Deutschland?

Die Corona-Pandemie hat einen tiefen Einbruch der Wirtschaft verursacht. Das liegt daran, dass wenn ein gefährliches Virus grassiert, bestimmte wirtschaftliche Aktivitäten aufhören oder stark eingeschränkt sind. Die Menschen gehen nicht mehr gerne ins Restaurant, nicht mehr so gerne einkaufen. Hinzu kommen die staatlichen Schließungsmaßnahmen, so dass ein Teil der Wirtschaft einfach nicht mehr stattfindet.

Wie bewerten Sie die wirtschaftspolitischen Maßnahmen?

Als die Krise ausbrach, hat die Politik sehr schnell und stark dagegengehalten. Es ging erst mal darum zu verhindern, dass im Finanzmarkt Probleme entstehen, dass die Banken zum Beispiel ihre Kredite zurückziehen und somit die Krise, die ausbricht, noch stark vertiefen. Das ist häufig so, dass im frühen Stadium von Krisen an den Finanzmärkten Panik entsteht.

Die Politik hat zum Beispiel sehr viele Kredite und Bürgschaften angeboten für Unternehmen, und dann haben die Banken sich etwas beruhigt, haben gesagt, okay, wenn genug Kredite da sind, dann brauchen auch wir unsere Kredite nicht zurückzuziehen.

Dann hat man Überbrückungshilfen gegeben den Unternehmen, die schließen mussten, die Beschäftigten haben Kurzarbeitergeld bekommen. Und im letzten Sommer ist ein großes Konjunkturpaket aufgelegt worden, da ging es dann nicht mehr darum, die Krise zu überbrücken, der Wirtschaft zu helfen, solange Unternehmen geschlossen sind, sondern die Konjunktur wiederzubeleben.

Da sind verschiedene Maßnahmen ergriffen worden. Richtig daran fand ich, dass man versucht hat zu verhindern, dass die Kommunen ihre Investitionen einschränken, denn die sollten schon weiterlaufen in der Krise.

Weniger begeistert war ich von der Mehrwertsteuersenkung, die sollte ja den Konsum ankurbeln. Das Problem ist aber nicht, dass der Konsum zu teuer ist oder dass die Menschen kein Geld haben, viele haben sogar mehr gespart in der Krise, sondern dieses Problem ist, dass bestimmte Konsumformen gar nicht möglich sind. Man kann nicht ins Restaurant gehen oder ins Kino. Deshalb hat diese Mehrwertsteuersenkung meines Erachtens weniger gebracht, aber das Gesamtbild ist positiv.

Welche Maßnahmen wären außerdem wünschenswert?

Man muss die Überbrückungshilfen weiterführen für die betroffenen Branchen, nach wie vor sind einige Branchen geschlossen, diesen Unternehmen muss man helfen. Viele davon haben ja eigentlich ein funktionierendes Geschäftsmodell.

Wir müssen außerdem aufpassen, dass nicht Kommunen, deren Gewerbesteuereinnahmen sinken, aufhören Investitionen zu tätigen, also aufhören, Schulen zu sanieren oder Straßen zu reparieren. Gerade in der Pandemiesituation ist es wichtig, dass das gemacht wird.

Man sollte sich außerdem einsetzen dafür, dass Investitionen zur Digitalisierung des öffentlichen Sektors, der öffentlichen Verwaltung, dass die jetzt stattfinden, denn viele Unternehmen, die das können, haben derzeit weniger Aufträge aus anderen Bereichen.

Wir müssen gleichzeitig sehen, dass wir Schließungsmaßnahmen und Maßnahmen gegen die Pandemie nicht zu früh abbrechen, denn was wir nicht gebrauchen können, ist eine dritte Infektionswelle.

Wird die Rezession kommen?

Wir haben ja eine Rezession hinter uns. Rezession bedeutet, dass die Wirtschaftsaktivität wirklich schrumpft. Nicht nur, dass es kein Wachstum gibt, sondern dass das Ganze schrumpft. Und im letzten Frühjahr hatten wir einen schweren wirtschaftlichen Einbruch. Über den Sommer hat sich das dann wieder erholt. Im Moment stehen wir auf der Kippe.

Da wir die zweite große Infektionswelle haben, ist die Wirtschaft stark beeinträchtigt, und jetzt wird viel davon abhängen, wie man das Weitere managt. Wenn wir jetzt zu früh lockern und keine Vorsichtsmaßnahmen ergreifen, und wenn zu spät geimpft wird, werden wir eine dritte Infektionswelle kriegen. Wenn das passiert, kriegen wir eine weitere Rezession, dann kippen wir alle noch mal in eine Schrumpfung der Wirtschaft.

Ich hoffe aber immer noch, dass es besser läuft und diese Erholung nur ein wenig unterbrochen ist, aber dass die sich dann im Sommer fortsetzt, vor allem dadurch natürlich, dass die Impfungen da sind und die Pandemie dann an Bedeutung verliert.

Wird es vermehrt zu Insolvenzen und Arbeitslosigkeit kommen?

Wir haben in dieser Krise weniger Insolvenzen gesehen als sonst. Das hat auch damit zu tun, dass die Pflicht, Insolvenz anzumelden, stark eingeschränkt worden ist. Wenn man also darlegen kann, dass der Insolvenzgrund in der Pandemie liegt, muss man erst mal nicht Insolvenz anmelden, sondern die Hoffnung besteht, dass man sich vielleicht wieder fängt.

Das ist natürlich ein künstliches Ausblenden vorhandener Insolvenzen, jedenfalls teilweise, deshalb rechne ich damit, dass die Zahl der Insolvenzen zunimmt. Aber die staatlichen Hilfe  für die geschlossenen Unternehmen werden verhindern, dass es ganz arg kommt.

Ich rechne also mit steigenden Insolvenzen, aber nur in dem Maß, in dem es eigentlich üblich ist nach normalen Rezessionen. Die ganz großen Insolvenzfälle, davon ist derzeit nichts zu sehen, und ich rechne auch nicht damit.

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