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Nachgefragt! Folge 289 mit Prof. Dr. Axel Haverich

Das Transkript zur Folge mit dem Transplantationsmediziner Professor Axel Haverich:

Mein Name ist Axel Haverich. Und ich leite hier an der Medizinischen Hochschule in Hannover die Klinik für Herz-, Lungen- und Gefäßchirurgie. Darüber hinaus bin ich auch Leiter des Transplantationszentrums hier an der MHH, denn wir transplantieren nicht nur Herzen und Lungen, sondern auch Leber, Nieren und die Bauchspeicheldrüse.

Mit welchen Beschwerden kam die Patientin zu Ihnen?

Das war eine sehr, sehr komplizierte Geschichte. Anfang März diesen Jahren kam eine junge Frau in der 34. Schwangerschaftswoche zu uns, die an Covid erkrankt war und sehr schlecht Luft bekam. Und über eine Woche haben wir versucht, das auf der Intensivstation in eine bessere Situation zu bringen. Das ist aber nicht gelungen, sodass wir dann schließlich eine maschinelle Beatmung einsetzen mussten.

Und dann haben wir uns gemeinsam mit den Gynäkologen und Geburtshelfern geeinigt, dass wir einen Kaiserschnitt durchführen sollten, um dem Kind eine bessere Chance zu geben.

Das ist unproblematisch gelaufen, aber die Lungenfunktion der Patientin verschlechterte sich weiterhin, sodass wir mit der Beatmung nicht mehr zurechtkamen, nicht genügend Sauerstoff im Blut hatten und deswegen außerhalb des Körpers eine sogenannte extrakorporale Membranoxygenierung, ECMO häufig in der Presse genannt, angeschlossen haben: Eine Maschine wie eine Herz-Lungen-Maschine, bei der das Blut außerhalb des Körpers mit Sauerstoff angereichert wird.

Und das haben wir für etwa 40 Tage aufrecht erhalten. Und es besserten sich viele Organsysteme der Patientin wieder. Sie war auch wach, sie war ansprechbar. Aber die Lunge erholte sich überhaupt nicht. Und vor den Röntgenbildern, die wir fortlaufend gemacht haben, war völlig klar, dass sich dieses Organ nicht mehr erholen konnte. Sodass wir dann geprüft haben, ob wir eine Lungentransplantation durchführen könnten.

Wie verlief die Lungentransplantation?

Wir transplantieren ja annähernd 100 Lungen pro Jahr hier in Hannover und haben sehr erfahrene Teams dafür, sodass wir eigentlich in den normalen Transplantationen wenig technische Schwierigkeiten haben. Hier war es allerdings so, dass die Lunge schon sehr stark mit der Umgebung verwachsen war aufgrund der abgelaufenen Entzündungen und auch schwere Lymphknotenpaket am Herzen dransaßen, wo wir die Lunge absetzen müssen, ihre eigene Lunge.

Also der Ausbau der eigenen Lunge war schwieriger als dann der anschließende Einbau. Von da an lief eigentlich alles wie in anderen Patienten auch.

Wie erfolgreich sind Lungentransplantation bei Covid-19-Patientinnen und Patienten generell?

Die Welt hat von zwei Entwicklungen hier in Hannover profitiert, was die Covid-ECMO-Lungentransplantation angeht. Wir... Wir waren in Hannover die erste Klinik weltweit, die 1991 das erste Mal. solch eine ECMO-Überbrückung zur Transplantation durchgeführt hat. Das war zu dem Zeitpunkt nirgends anders gemacht.

Und etwas, was jetzt zur Bedingung gemacht wird für eine Listung für die Transplantation, nämlich dass die Patienten wach und ansprechbar sind. Auch das haben wir vor erst zehn Jahren das erste Mal in Hannover an der ECMO wache Patienten gehabt, die wir dann anschließend transplantiert haben.

Durch die große Erfahrung und die Fortschritte, die wir hier in Hannover in den vergangenen 30 Jahren mit der ECMO und Lungentransplantation gemacht haben, profitieren inzwischen nicht nur deutsche Patienten, sondern alle weltweit.

Ja, es gibt inzwischen die ersten, in Anführungsstrichen, Langzeitergebnisse von Lungentransplantationen nach Covid, zwei aus Italien, acht aus den USA. Und das Erfreuliche, das haben wir auch unserer Patientin mitgeteilt, ist, dass die Erholungsfähigkeit auch des gesamten Organismus nach einer Transplantation und durchgemachter Covid-Infektion eigentlich sehr gut ist.

Aber alle diese Patienten waren eben jung, und alle anderen Organe waren sehr intakt.

Welche Schäden konnten Sie an der Lunge feststellen?

Wir kannten ja bisher die Lungen von schwer, schwer Covid-Erkrankten nur anhand der pathologischen Untersuchungen bei Verstorbenen. Dies ist eines der wenigen Male, wo man tatsächlich so eine Covid-Lunge im lebenden Organismus sieht. Und wir haben halt gesehen, dass sie mindestens fünfmal so schwer war wie eine normale Lunge. Sie war voller Flüssigkeit. Und eben diese schweren Verwachsungen und die ersten Vernarbungen bereits nach etwa achtwöchiger Erkrankung.

Wie geht es der Frau heute?

Ja, ich habe sie gestern bei der Visite gesehen. Es geht ihr gut, aber sie ist natürlich durch den langen, langen Intensivaufenthalt von Anfang März, die zwischenzeitliche Kaiserschnittgeburt und dann die wirklich schwere, auch technisch schwierige Operation noch sehr geschwächt, aber sie ist bester Dinge.

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