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Nachgefragt! Folge 233 mit Stefan Heber

Das Transkript zur Folge 233 mit Stefan Heber:

Ein Interview über die Vorhersage von Covid-19-Verläufen mit...

Mein Name ist Stefan Heber. Ich bin Mitarbeiter am Institut für Physiologie der Medizinischen Universität Wien und arbeite dort derzeit als Universitätsassistent auf dem Gebiet der Physiologie. Das ist breit gefächert. Also wir arbeiten auf dem Gebiet der Schmerzforschung und Thromboseforschung, aber eben auch... In letzter Zeit haben wir uns... haben wir einen Schwerpunkt, nämlich Covid-19, gesetzt.

Wie entstand die Idee zur Prognose von Covid-19-Verläufen?

Wir sind auf die Idee gekommen, weil wir mitbekommen haben, dass viele Patienten in Österreich mit einem relativ milden Verlauf relativ lange im Krankenhaus liegen. Warum? Covid-19 verläuft oft so, dass am Anfang die Symptome relativ mild beginnen, und erst nach sieben bis zehn Tagen kommt es dann zu einer deutlichen Verschlechterung. Und wenn nun so ein Patient jetzt im Krankenhaus liegt, dann wird oft abgewartet für diese Zeit, damit man eben nicht so eine Verschlechterung übersieht.

Aber das resultiert natürlich dann darin, dass viele Patienten, die eigentlich im Prinzip zu Hause... zu Hause ganz gut behandelt werden könnten, die liegen im Krankenhaus. Und die brauchen dort zwar an sich nicht so viele Ressourcen, aber das Personal, das sie pflegt, das muss immer... das muss sich desinfizieren, Schutzkleidung an- und ausziehen, und das ist aufwändig.

Und wir haben uns gedacht, es wäre eigentlich gut, wenn es eine Vorhersage gäbe für die Patienten, denen es offensichtlich eigentlich ganz gut geht, dass man sagt, Sie... Oder dieser Patient. "Sie bekommen mit ganz großer Wahrscheinlichkeit nicht diese Verschlechterung, die oft nach sieben bis zehn Tagen auftritt. Also können wir überlegen, Sie zu entlassen."

Wichtig ist... Natürlich ist es das Beste, wenn man die Patienten im Krankenhaus belässt. Das ist immer das geringere Risiko. Also das Modell soll jetzt nicht... soll nicht... dazu dienen, dass man jetzt die Krankenhäuser... leerfegt, sondern wirklich nur dann, wenn die Ressourcen knapp werden. Dann könnte man entscheiden, die Patienten, die am besten sind, vorsichtig zu entlassen. Natürlich nur dann, wenn die selbst auch einverstanden sind, wenn...

Natürlich muss auch die Behandlung zu Hause gewährleistet sein. Also es ist nicht so gedacht, dass der Arzt dieses Modell als alleiniges Entscheidungskriterium heranzieht. Es soll... als zusätzliche Hilfe dienen.

Wie funktioniert diese Art der Prognose?

Zum einen, ich glaube das war eigentlich schwer, das nicht aus den Medien mitzubekommen, das Alter ist ein wesentlicher Risikofaktor, schwer an Covid-19 zu erkranken. Deshalb verwenden wir in unserem Modell das Alter. Das Alter allein sagt aber nicht alles. Und deshalb verwenden wir auch noch, ob ein Patient zum Zeitpunkt der Aufnahme Fieber hatte oder nicht. Und dann, eigentlich das Wesentliche unseres Modells ist, dass wir aus Zeitverläufen von Parametern, die man im Blut misst, den kritischen Verlauf vorhersagt.

Einer dieser Parameter ist die Anzahl von den Thrombozyten- oder Blutplättchen, das sind die Zellen, die normalerweise dafür zuständig sind, Blutungen zu stoppen, wenn man sich verletzt. Aber diese Zellen spielen auch bei Immunreaktionen eine Rolle. Wir haben gesehen, dass Patienten, die einen nichtkritischen Verlauf haben, dass die oft eine deutliche Erhöhung über die Normwerte von diesen Zellen haben.

Und das haben wir uns zunutze gemacht. Auf der anderen Seite verwenden wir einen Entzündungsmarker, das C-reaktive Protein. Und bei dem ist der Verlauf ungeklärt. Es steigt nämlich vor allem bei denen, die einen kritischen Verlauf haben. Und schließlich verwenden wir auch noch das Kreatinin, das ist ein Marker für die Nierenfunktion. Weil wir gesehen haben, dass Patienten, die eine eingeschränkte Nierenfunktion haben, häufiger einen kritischen Verlauf haben. So... Das ist einmal, wie es funktioniert.

Wie aussagekräftig ist dieses Prognosemodell bis dato?

Zum einen konnten wir bisher nur zeigen, dass das Modell an österreichischen Daten gut funktioniert. Deshalb sind wir darauf angewiesen und wir hoffen, dass wir aus anderen geografischen Bereichen auch noch Daten bekommen. Dass Leute, dass Ärzte, Unikliniken auf uns zukommen, damit wir das Modell testen können, ob es auch dort wirklich so gut funktioniert, wie wir hoffen. Und wir können es auch gegebenenfalls anpassen. Das heißt, man kann das Modell adjustieren je nach geografischen... je nach Gebiet.

Und zwar... Die Publikation ist ein sogenannter Preprint. Wissenschaftliche Publikationen funktionieren normalerweise so... oder der wissenschaftliche Apparat... Forscher... erforschen ein Gebiet, schreiben ein Manuskript, und dann wird es üblicherweise von anderen Forschern auf der Welt begutachtet. Und die geben dann ihre Meinung darüber ab, und dann können die ursprünglichen Forscher es wieder überarbeiten. Und so wird sichergestellt, dass das, was letztlich publiziert wird, auch eine gewisse Qualität hat.

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